KI-Kompetenzen vermitteln: 7 Didaktik-Tipps für Erwachsenenbildner*innen
Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sind im Umgang mit KI nötig? Das wird unter dem Stichwort „KI-Kompetenz“ (oder englisch: „AI Literacy“) diskutiert. Ein umfassendes und empirisch begründetes Kompetenzmodell wurde im Rahmen des Projekts AIComp entwickelt. Es umfasst zwölf Kompetenzfelder in drei Kompetenzbereichen und bezieht sich sowohl auf persönliche Fähigkeiten, das soziale Umfeld sowie das Arbeiten und Gestalten mit und für KI.
Auch für Lehrkräfte gibt es bereits Vorschläge für KI-Kompetenzrahmen – u.a. von der Europäischen Kommission bzw. vom internationalen eLearning-Dienstleister paradoxlearning. Im Rahmen des europäischen Projekts AL4AI entsteht bis Ende 2024 ein Selbstlernkurs, der sich speziell an Erwachsenenbildner/innen richtet.
Dass Lehrende – gerade auch in der Erwachsenenbildung – eine besondere Verantwortung ihren Lernenden gegenüber haben, ist ein gemeinsamer Grundtenor dieser Kompetenzmodelle. Erwachsenenbildner*innen sind gefordert, über die Chancen und Risiken von KI aufzuklären und Lernende beim kompetenten und verantwortungsbewussten Umgang mit den neuen Technologien zu fördern.
Die folgende Sammlung gibt einen Überblick über Didaktik-Tipps für Erwachsenenbildner*innen, die bei der Vermittlung von KI-Kompetenzen helfen.
Tipp 1: KI-Technologie ganzheitlich betrachten
In Technologie-Schulungen steht häufig eine anwendungsorientierte Perspektive („Wie funktioniert das?“) im Mittelpunkt. Wolfgang König (Netzwerk Q 4.0) plädiert dafür, das Dagstuhl-Dreieck als Kompass einzusetzen. Dabei gilt es, neben der anwendungsorientierten auch die technologische („Wie funktioniert das?“) sowie die gesellschaftlich-kulturelle Perspektive („Wie wirkt das?“) zu berücksichtigen. Wer plant, ChatGPT als Lernmedium einzusetzen, kann z.B. mit einer Erklärung starten, wie das Tool grob funktioniert (technologische Perspektive). Dann wird das Tool praktisch erprobt (anwendungsorientierte Perspektive). Auf dieser Basis lässt sich gut diskutieren, wie der Einsatz von KI-Chatbots das Lernen verändert (gesellschaftlich-kulturelle Perspektive).
Tipp 2: Persönlichen Einstieg ins Thema finden
Gerade in heterogenen Gruppen bietet es sich an, gleich eingangs Annahmen und Meinungen zu KI zu thematisieren. Nele Hirsch (eBildungslabor) hat hierfür die Methode „Kennenlern-Kartentausch“ entwickelt, bei dem die Teilnehmer*innen jeweils eine Karte mit einem Statement erhalten und diese für den Gesprächseinstieg nutzen (beispielweise „Ich habe viel Freude dabei, immer wieder unterschiedliche KI-Tools zu erkunden“ oder auch „Bis Klarheit über die Nutzung von KI-Tools besteht, müssen wir sie im Bildungskontext verbieten“). So entsteht eine Diskussion, auf deren Basis dann inhaltlich weitergearbeitet werden kann.
Tipp 3: KI erlebbar machen
Lernende, die noch wenig Erfahrungen mit KI-Tools gesammelt haben, profitieren davon, KI live zu erleben. Um den Unterschied zwischen einer menschlichen Antwort und einer generierten Antwort praktisch zu erfahren, eignet sich z.B. die Arbeit mit Scherzfragen.
Umfassende Einsatzmöglichkeiten von KI kann man z.B. mit den „KI-Welten“ der Kompetenzplattform Künstliche Intelligenz NRW demonstrieren. Die interaktive Karte zeigt, wo KI-Technologien in Alltag und Arbeitswelt eingesetzt werden – beispielsweise im Verkauf von Produkten zur dynamischen Preisgestaltung. Für berufliche Weiterbildungen bietet sich so ein interessanter Einstiegspunkt für weitere Diskussionen.
Tipp 4: Psychologische Effekte rund um KI demonstrieren
Beim Einsatz von KI-Systemen gilt es auch einige psychologische Effekte zu berücksichtigen – beispielsweise den „Uncanny Valley“-Effekt (deutsch: „unheimliches Tal“): Demnach wird eine künstliche Figur umso positiver wahrgenommen, je mehr sie einem Menschen ähnelt – bis zu einem bestimmten Punkt, an dem sich der Effekt umkehrt. Diesen Effekt kann man erlebbar machen, indem man z.B. ein Bild des humanoiden Roboters „Sophia“ zeigt und mit den Teilnehmenden ihre Eindrücke diskutiert (angenehm oder doch eher beunruhigend?)
Auch psychologische Effekte wie die „Kompetenz-Falle“ spielen eine Rolle, die es zu thematisieren gilt: Da KI-Systeme keine sprachlichen Unsicherheitsanzeichen zeigen, werden sie von Menschen häufig als kompetent beurteilt, was zu Falschinformationen führen kann. Für Lehrende ist daher ein sensibler Sprachgebrauch besonders wichtig, um deutlich zu machen, dass es sich bei KI nicht um eigenständig denkende Personen handelt („KI-Systeme“ oder „KI-Tools“ statt „die KI/sie/er“; „auf meine Eingabe hin wurde folgende Ausgabe generiert“ statt „ChatGPT hat mir empfohlen“). Anstelle von stereotypen Roboter-Darstellungen eignen sich für Illustrationen z.B. Bilder von „Better Images of AI“.
Tipp 5: Technisches Funktionsverständnis möglichst anschaulich vermitteln
Wie KI-Sprachmodelle funktionieren, können Erwachsenenbildner*innen mit Hilfe von kurzen, präzisen Erklärvideos (z.B. vom eLearning-Anbieter youknow) zeigen. Für experimentierfreudige Lernende bietet der Anbieter Tensorflow ein interaktives neuronales Netzwerk zum Ausprobieren (in englischer Sprache).
Technisches Funktionsverständnis kann aber nicht nur auf digitalem Weg vermittelt werden, sondern auch ganz analog mit den Übungen von „AI Unplugged“: Diese wurden für den Schulunterricht entwickelt, eignen sich aber auch für die Erwachsenenbildung.
Tipp 6: Quizzes zur (Selbst-)kontrolle nutzen
Erwachsenenbildner*innen können kurze Quizzes einsetzen, um das Vorwissen der Teilnehmenden zum Thema KI zu aktivieren oder um Inhalte per (Selbst-)kontrolle zu festigen. Zwei Beispiele für den schulischen Kontext, die auch für die Erwachsenenbildung genutzt werden können, sind das Quiz von VEGA sowie der Learning Snack von App Camps.
Tipp 7: Kritisch-reflektierte Praxis vorleben
Generell ist rund um KI in Bildungsveranstaltungen ein reflexiver Ansatz anzuraten. Welche Methoden das kritische Denken fördern können, erläutern Birgit Aschemann und Gunter Schüßler in ihrem Beitrag auf erwachsenenbildung.at.
Für eine interaktive und austauschorientierte Reflexion in Lernangeboten eignen sich auch die 12 Denkanstöße, die Nele Hirsch vom eBildungslabor formuliert hat.
Wer mit seinen Lernenden in die Rolle von KI-Expert*innen schlüpfen möchte und Bürger*innen bei ihren Anfragen helfen möchte, kann das mit dem Kartenspiel „KI-Kompass“ des Alexander von Humboldt-Instituts für Internet und Gesellschaft tun.
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