KI im Alltag: neue Aufträge für die Erwachsenenbildung?

03.05.2023, Text: Birgit Aschemann und Karin Kulmer, Redaktion/CONEDU
Frei verfügbare KI-Anwendungen boomen. Ihre Nutzung und ihre Gefahren werden im Bildungsbereich intensiv diskutiert. Spannend dabei ist die Frage, welche Aufgaben das für die Erwachsenenbildung mit sich bringt.
Kalender mit ToDo-Liste vor einer Computertastatur
Für die Erwachsenenbildung gibt es im Bereich der Künstlichen Intelligenz viel zu tun.
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Im Videobeitrag „Was ist KI-Kompetenz“ wurden 10 Aspekte oder Teilkompetenzen vorgeschlagen, zwei davon spezifisch für Erwachsenenbildner*innen.

Sie bestätigen letztlich die Grundgedanken des Dagstuhl-Dreiecks und lassen sich zusammenfassen in die drei Cluster „Funktionsverständnis“, „Bedienungs-Knowhow“ und „Folgenabschätzung“, ergänzt durch die fachspezifische Kompetenz von Erwachsenenbildner*innen.

Lars Kilian vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung hat Mitte März mit einer optimistischen Lagebeurteilung aufhorchen lassen und dabei fünf Gründe angeführt, warum Wissen und Bildung auch im Zeitalter Künstlicher Intelligenz ihre Bedeutung behalten werden. Es lohnt sich, diese aufzugreifen und sie zusammen mit dem (vorläufigen) Kompetenzkatalog einer „KI-Kompetenz“ auf mögliche Arbeitsfelder der Erwachsenenbildung zu überprüfen.

Was sind also die brennendsten Aufgaben, die der Erwachsenenbildung im Zuge der jüngsten Entwicklungen hinsichtlich KI zuwachsen?

1. Aufsuchende Angebote zur Informationskompetenz und kritischen Medienkompetenz

Medienkompetenz ist ein hoch aktueller Inhalt von zeitgemäßen Erwachsenenbildungs-Angeboten. Das gilt nicht nur in ihrem traditionellen Verständnis, sondern besonders auch in der Ausprägung einer kritischen Medienkompetenz oder Informationskompetenz. Hier geht es u.a. um Faktenprüfung (d.h. die Fähigkeit, zu überprüfen, wie konkrete mediale Inhalte und Darstellungsformen zustandekommen, wie hoch ihr Wahrheitsgehalt ist und welche Interessen dahinterstehen können), um Algorithmen und Hintergrund-Mechanismen von Online-Medien (inklusive Social Media) und um das eigene reflektierte Online-Verhalten. Ob diese Kompetenzen in der Bevölkerung vorhanden sind, hat große Auswirkungen auf die Gesellschaft. Erwachsenenbildner*innen sollten die entsprechenden Inhalte daher vorleben, einflechten und auch außerhalb der politischen Bildung in ihren Veranstaltungen thematisieren.

Damit verbunden braucht es ein Basisangebot zur breiten KI-Aufklärung, das die Grundlagen rund um KI vermittelt – von der alltäglichen KI-Anwendung über die Funktionsweisen und die aktuelle europäische Rechtslage bis zur Rolle der GAMAM (ein Sammelbegriff für die fünf größten IT-Unternehmen der Welt: Google, Amazon, Meta, Apple und Microsoft) und der sozialen Medien.

Kreative und interaktive Formate unterschiedlicher Form und Länge (ganz besonders im Onlineraum) können helfen, jene Menschen zu erreichen, die den entsprechenden Gefahren am stärksten ausgesetzt sind.

2. Kreative Angebote zur konstruktiven und rechtskonformen Mediengestaltung

Eine weitere Aufgabe der Erwachsenenbildung bezieht sich auf die Tatsache dass wir alle Mediengestalter*innen geworden sind – und auf die Möglichkeit einer „redaktionellen Gesellschaft“, wie Pörksen sie 2018 skizziert hat – also einer Gesellschaft, in der kritisches Quellenbewusstsein und Wahrheitsorientierung ein Teil der Allgemeinbildung wären. Das aktuelle Österreichischen Kompetenzmodell DigComp 2.3 knüpft hier an und fordert von allen die  Fähigkeit, „bewusst und versiert unterschiedliche Öffentlichkeiten verstehen, aufsuchen, gestalten [zu] können und dort rechtskonform produzieren bzw. publizieren [zu] können“. Das umfasst auch juristische Aspekte (z.B. Urheberrecht; Personenrechte) und ethische Aspekte (z.B. Deklaration von KI-generiertem Content).

Diese Fähigkeiten müssen gelernt werden, wobei der gesellschaftliche Bedarf an diese Kompetenz wohl über das individuelle Bedürfnis hinausgeht. Es sind also auch hier kreative und motivierende Formate gefragt, vorzugsweise in Onlineräumen einschließlich sozialer Medien – ganz im Sinne einer aufsuchenden Bildungsarbeit.  

3. Spezifische Schulungen zum Erwerb von Bedienungs-Knowhow für KI-Anwendungen

Lars Kilian schreibt dazu: „Eine fachinhaltliche Auseinandersetzung mit neuen Technologien ist nötig“ – und spricht damit eine sehr umfassende Aufgabe der Erwachsenenbildung an.

Die meisten Teilnehmer*innen sind vermutlich am Knowhow zur Nutzung diverser KI-Anwendungen für ihren persönlichen Alltag interessiert. Damit geht es vor allem um sektorspezifische, berufsspezifische oder sogar firmenspezifische Weiterbildungen, die vor allem die Potentiale der KI-Tools zur Effizienzsteigerung thematisieren. Aber auch im Bereich der Gesundheit, der Informationsbeschaffung und anderer privater Anliegen sind KI-Anwendungen ein Thema.

Hier obliegt es den Weiterbildungsangeboten, das entsprechende Tool-bezogene technische Grundwissen bzw. Funktionsverständnis mitzuliefern, aus dem die Grenzen der jeweiligen Anwendung abzuleiten sind.

4. Weiterbildungen zum Erwerb informatischer Kompetenz auf allen Kompetenzniveaus

Informatische Kompetenz besteht nicht nur aus Bedienungs-Knowhow: Die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte herunterzubrechen, Muster zu erkennen und Probleme mittels Handlungsanweisungen und Regeln zu lösen, wird als „Computational Thinking“ bezeichnet (im deutschsprachigen Raum auch: algorithmische Kompetenz oder informatisches Denken). Sie stellt eine der Grundkompetenzen für das 21. Jahrhundert dar und ist auch im KI-Zeitalter hoch relevant, um KIs zu entwickeln, zu programmieren und zu trainieren. Damit verbunden ist das Feld der Datenwissenschaft (Data Science), bei dem es darum geht, Wissen und Informationen aus Daten abzuleiten.

Für diese Bereiche braucht es auch Lernangebote für Erwachsene, die über Grundlagenwissen zu Programmen und Algorithmen hinausgehen. Das können z.B. Programmierkurse und Lehrgänge für Big Data Analytics sein, die beispielsweise online, offline oder im Blended-Learning-Format abgehalten werden.

5. Reflexive und interaktive Diskursangebote zu den gesellschaftlichen Auswirkungen

Im aktuellen Österreichischen Kompetenzmodell DigComp wurde mit der Auflage 2.3 eine neue Kompetenz gefordert, die den folgenden Titel trägt: „Auseinandersetzung mit der Digitalität suchen und entsprechende Urteilsfähigkeit entwickeln“. Damit ist die gesellschaftlich-kulturelle Perspektive zur KI-Durchdringung angesprochen, also die Frage „Wie wirkt das?“.

Diese Frage braucht dringend einen großflächigen und in unterschiedlichen Bildungsformaten begleiteten Diskurs – denn: Prognosen im Sinne einer Folgenabschätzung sind für KI nicht ausreichend möglich, und die Entwicklungen in einer KI-durchdrungenen Gesellschaft müssen wachsam beobachtet und diskutiert werden. „Erwachsenenbildung, nimmt sie ihre Rolle wahr, hat weiterhin die Chance, den gesellschaftlichen Diskurs zum Umgang mit neuen Technologien anzuregen und diesen als öffentliche Debatte mit zu begleiten“, so Lars Kilian.

6. Bildungsangebote für Datenschutz und Souveränität in einer KI-durchdrungenen Welt

In einer Zeit, in der jede Person ganz einfach per Smartphone identifiziert werden kann, gewinnt Privacy eine neue Dimension. Mit dem Aufschwung frei verfügbarer KI-Anwendungen sind auch ungeklärte Fragen in Hinblick auf den Schutz der persönlichen Daten verbunden. Derzeit lernen KIs in der Beta-Version mit unseren Prompts, also den Daten, die wir ihnen (verbunden mit unseren Accounts) geben.

In diesem Zusammenhang sind Lernangebote für Erwachsene notwendig, die den Teilnehmenden vermitteln, wie sie ihre eigene digitale Identität gestalten und mit ihren Daten sorgsam umgehen können. Dazu gehören Wissen und Kompetenzen über Einsatzfelder von KIs wie z.B. Profiling oder digitale Gesichtserkennung oder die datensparsame Nutzung etablierter KI-Anwendungen wie z.B. ChatGPT.

7. Professionalisierungsangebote für Fachkräfte

Vor dem neuen Themenfeld der Künstlichen Intelligenz sind die meisten Erwachsenenbildner*innen selbst Lernende. Unterrichtende stehen vor der Herausforderung, sich zu überlegen, wie sie ihre Bildungsveranstaltungen nun gestalten – z.B. indem sie im Sprachunterricht KI als Lernmedium zur Binnendifferenzierung einsetzen oder KI für die Vorbereitung einsetzen, um den Kopf für die eigentliche Bildungsarbeit frei zu bekommen. Auch für Bildungsmanager*innen gilt es zu überlegen, wie KI als Arbeitsmedium genutzt werden kann, um z.B. die eigene Arbeit effizienter zu gestalten.

KI wird nicht zuletzt Angebote wie z.B. Basisbildungskurse oder Kurse zum nachholenden Pflichtschulabschluss verändern. Erwachsenenbildner*innen brauchen umfassende, flexible und kostengünstige Angebote, um sich den neuen Herausforderungen stellen zu können.

Wer, wenn nicht die Erwachsenenbildung?

Beim gegenwärtigen Innovationstempo ändern die nötigen digitalen Kompetenzen ihr Gesicht praktisch monatlich. Der Lernbedarf trifft nicht nur junge Menschen während ihrer formalen Erstausbildung, sondern (quantitativ viel mehr) Erwachsene in der beruflichen und nachberuflichen Lebensphase. Es gibt für die Erwachsenen- und Weiterbildung definitiv reichlich zu tun.

Das EBmooc-Team von CONEDU und Partnern widmet daher dem Thema Medienkompetenz und dem Thema KI jeweils eine eigene Einheit im EBmooc 2023. Zum Kurs mit Start im September können Sie sich bereits hier anmelden.

Weitere Informationen:

 

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