Lernbegleitung statt Belehrung: Wie gelingt der Rollenwechsel?
Lernbegleitung – warum (erst) jetzt?
Das Konzept der Lernbegleitung wurde bereits in den 1990er-Jahren gefordert und seit damals etwa in Form von Mentoring oder Tutoring umgesetzt. Der Ansatz ist weniger hierarchisch als die traditionelle Lehre und entspricht damit einerseits einem Kulturwandel und andererseits den jüngeren pädagogischen Erkenntnissen, kommt jedoch erst zögernd in der Praxis an.
Nachdruck bekommt der Trend zur Lernbegleitung durch die aktuellen Dynamiken der Digitalisierung. Spätestens jetzt ist es Zeit, das Konzept wirklich mit Leben zu füllen.
Aufgaben in der Lernbegleitung
Lernbegleiter*innen leiten Lernende an, sie konstruieren Lern-Architekturen und -pfade. Im Sinne von „Guidance“ liefern sie Empfehlungen für kuratierten Content und vorgeprüfte Lernressourcen. Sie sind bei Fragen der selbständig Lernenden erreichbar, entwickeln und setzen neue Blended-learning-Formate um und erstellen wiederverwendbare Lernbausteine.
Lernbegleiter*innen wissen über verfügbare Lernressourcen und deren offene Zugänglichkeit Bescheid, sie bieten „Erprobungs-Räume“ an und moderieren Communities of practice (z. B. Barcamps). Sie sind befähigt, Lern-Bedarfe zu eruieren und gemeinsam mit den Lernenden Lernpläne zu erarbeiten.
Lernbegleiter*innen haben eine Beratungsfunktion (Wie geht Lernen überhaupt?), eine Wegweiser-Funktion (Wo finde ich das zu Lernende?) und eine Motivations-Funktion (z.B. durch das Setzen von Meilensteinen, die Fortschritts-Reflexion oder Gamification-Elemente).
Neue Tätigkeiten – neue Bezeichnungen
Mit den neuen Anforderungen gehen auch neue Tätigkeitsbezeichnungen einher, welche die Aufgaben der Lernbegleiter*innen weiter differenzieren. So stellt ein Lerncoach etwa gemeinsam mit den Lernenden deren Lernbedarf fest und begleitet sie mit vorbereiteten Inhalten und passenden Aufgabenstellungen dabei, ihre Ziele zu erreichen. Lernarchitekt*innen oder Lerndesigner*innen entwerfen neue Formate, Lernarchitekturen und Lernpfade (online und offline sowie in Kombinationsformen) und gestalten dabei Lernprozesse jeweils passend zu Zielgruppe, Thema und organisationalen Rahmenbedingungen. Moderator*innen führen Austauschformate wie Workshops, Barcamps, Podiumsdiskussionen oder Disqspaces in Präsenz oder online durch, und für Lernmedien-Gestalter*innen ist die Video-Erstellung gerade so selbstverständlich wie früher für Lehrende die Erstellung eines Skriptums.
All das ist Teil der Lernbegleitung und nicht auf spezielle Positionen beschränkt, sondern prägend für den (digitalen) Alltag in der Erwachsenenbildung.
Was brauchen Lernbegleiter*innen?
Allem voran benötigen Lernbegleiter*innen ein klares Rollenverständnis. Dazu kommen Content-Ressourcen oder wiederverwendbare Lernbausteine, eine geeignete Infrastruktur (Geräte und Leitungen für Videokonferenzen, mobile Beratungsgespräche etc.) und Software (Lizenzen für sichere, datensparsame Tools, Lernplattformen, Messenger etc.). Auch Flexibilität und entsprechende Arbeitsverträge sind gefordert, neben dem Austausch und Support untereinander, in der Organisation, aber auch darüber hinaus - zur Festigung von Selbstverständnis und Berufsbild.
Von Auftraggeberseite brauchen Lernbegleiter*innen die entsprechenden Technik-Ressourcen (wie Video, Beamer, Kamera, Mikrofon), die nötigen Weiterbildungen, die Möglichkeiten zum Austausch und geeignete Marketingstrategien.
Natürlich erfordert Lernbegleitung auch spezifische Kompetenzen, die jedoch großteils nicht neu sind. Auch der mediale Habitus von Erwachsenenbildner*innen ist nicht starr, sondern veränderlich. Die Haltung spielt dabei eine zentrale Rolle.
Auf die Haltung kommt es an
Bei Lernbegleitung geht es weniger darum, als Lehrender möglichst gut zu „performen“, sondern eher darum, loszulassen und alte Glaubenssätze der traditionellen Belehrungsdidaktik über Bord zu werfen. Wissensvermittlung erfolgt nicht mehr von wissenden Lehrenden zu unwissenden Lernenden, sondern vielmehr in Form von Ermöglichung.
Neue Glaubenssätze von Lehrenden könnten demnach etwa so klingen: „Ich zeige, wo man etwas findet und wie man etwas lernen kann.“, „Ich weiß, dass meine Teilnehmer*innen wertvolle Erfahrungen haben.“, „Ich vertraue auf den Lernwillen und das Anliegen meiner Teilnehmer*innen“, „Ich begleite das selbstständige Lernen.“
Die Nebenwirkung: Erleichterung
Lernbegleiter*innen sind eingeladen, Alteingesessenes aufzugeben oder zu ver-lernen – wie etwa die Kontrollillusion bzw. das Gefühl, alles steuern zu müssen, die Statusillusion bzw. die Idee als Lehrende*r „allwissend“ zu sein oder die Trichter-Illusion, also den Lehr-Lern-Kurzschluss.
All dies bietet durchaus Chancen: Lernbegleiter*innen gewinnen Freiheit, im Sinne der Erleichterung, nicht allwissend sein zu müssen. Der Kontakt zu den Lernenden auf Augenhöhe bietet die Chance auf echte Austauschbeziehungen, auch nach dem Bildungsangebot.
Die Arbeit in der Lernbegleitung wird flexibler aufgrund asynchroner Möglichkeiten, kreativer durch die zahlreichen Online-Ressourcen und effizienter, da wiederverwendbare Ressourcen Zeit sparen. Es gibt also abgesehen von Kund*innenwünschen auch reichlich intrinsische Gründe, den Rollenwandel jetzt zu leben.
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