Online-Lehre: Vorteile nutzen statt Präsenz nachbilden

Live-Online-Formate können die Zugänglichkeit erhöhen
Dass Online-Formate einem breiteren TeilnehmerInnenkreis zugänglich sind, ist bekannt – und auch der Pool an möglichen ReferentInnen ist online mitunter größer, wenn geographische Grenzen und damit teure Anfahrts- und Beherbergungskosten wegfallen. Im Gegensatz zu Präsenzräumen ist die Online-Infrastruktur zudem skalierbar und kann größere Gruppen beherbergen. Für TrainerInnen, die mit „ihrer" Software vertraut sind, fallen Live-Tests der Raumausstattung weg.
Stillere oder zurückhaltende TeilnehmerInnen können online oft besser eingebunden werden als in Präsenz – etwa durch anonyme Beteiligungsformate wie Umfragen oder durch Möglichkeiten, sich schriftlich zu beteiligen (z.B. via Chat, Foren oder Texteditoren). Sichere Messenger wie Signal stellen eine einfache Möglichkeit dar, auch ungeübte TeilnehmerInnen digital zu erreichen.
Live-Online-Formate ermöglichen innovative Didaktik
Vielen Lehrenden fällt es online leichter, auf Bedürfnisse von TeilnehmerInnen spontan zu reagieren und die methodisch-didaktische Planung gegebenenfalls anzupassen. Möchte beispielsweise eine Gruppe einen bestimmten Inhalt vertiefen, so kann sie dazu einfach einen vorhandenen Breakout-Raum nutzen und flexibel wieder zurückkehren. Arbeitet man an einem aktuellen Thema, kann man spontan gemeinsam recherchieren, ohne den Lernraum zu verlassen.
Im Gegensatz zu vielen Präsenz-Situationen sehen die TeilnehmerInnen bei Online-Formaten mit Webcam die Gesichter ihrer KollegInnen – dies ermöglicht ein besseres Reagieren aufeinander und begünstigt Aktivitäten mit Sichtkontakt.
Live-Online-Formate bieten umfassende Dokumentationsmöglichkeiten
Sich in einer digitalen Umgebung – etwa in einer Videokonferenz – zu bewegen, hat den Vorteil, dass die Dokumentation gleich nebenbei mit erledigt werden kann: Ergebnisse von Brainstormings am Whiteboard oder Abstimmungen per Umfragetool können meist mit einem Klick gespeichert und direkt exportiert werden. Interessante Ressourcen und Links, die von Vortragenden oder TeilnehmerInnen in den Chat gepostet werden, können einfach als Chatprotokoll zur Verfügung gestellt werden. Die Maschinenschrift ist häufig im Vergleich zu handschriftlichen Aufzeichnungen leichter lesbar.
Bei Gruppenarbeiten können mehrere Breakout-Sessions gebildet werden, bei denen alle Gruppen ihre Ergebnisse in einem zentralen Etherpad oder Whiteboard dokumentieren und dabei „in Echtzeit" Inputs von anderen Gruppen erhalten. So entsteht potentiell weniger Redundanz in den Ergebnissen und ein „Weiterspinnen" von Ideen anderer Gruppen ist möglich.
Live-Online-Formate können aufgezeichnet und asynchron genutzt werden
Zeichnet man Online-Inputs auf (etwa durch die integrierte Aufzeichnungs-Funktion in Zoom), so kann man diese abwesenden TeilnehmerInnen oder auch neuen Zielgruppen zur Verfügung stellen. Aufzeichnungen oder Lernvideos lassen sich auch zur Binnendifferenzierung nutzen – etwa indem Lernende sich das Video bei Bedarf mehrfach ansehen, Untertitel oder Transkripte nutzen.
Wer vorhat, eine Veranstaltung aufzuzeichnen, sollte dafür jedenfalls vorab die Zustimmung aller Teilnehmenden einholen. Gerade bei workshop-artigen Formaten sind die Vor- und Nachteile abzuwägen, da das Wissen um die Aufzeichnung sich mitunter hemmend auf die Beteiligung der Lernenden auswirkt.
Live-Online-Formate erfordern gute Planung und kreatives Ausprobieren
Kommen neue Technologien oder Tools zum Einsatz, zahlt es sich aus, die TeilnehmerInnen (je nach Zielgruppe) kreativ an die Aufgaben heranzuführen, um echte Beteiligung zu ermöglichen. So kann man beispielsweise zunächst TeilnehmerInnen die (bei Tools wie Zoom integrierte) Whiteboard-Funktion spielerisch ausprobieren lassen, bevor man diese für eine Aktivität zum Thema der Bildungsveranstaltung nutzt.
Insgesamt kommt es bei der Gestaltung von (Live-)Online-Formaten darauf an, nicht nur die eigene Präsenz-Lehre synchron ins Internet zu übertragen, sondern diese unter Berücksichtigung der geänderten Möglichkeiten und Rahmenbedingungen neu zu denken.
Dieser Beitrag basiert auf einer Diskussion im Rahmen des #ebonlinecamp von WerdeDigital im Dezember 2020 und bezieht die Praxiserfahrungen der teilnehmenden ErwachsenenbildnerInnen aus Lehre und Bildungsmanagement ein.

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