Duale Führung in der Erwachsenenbildung

03.10.2019, Text: Sabine Pelzmann und Walter Vogel, Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Sich die Leitung in Einrichtungen zu teilen, kann eine Antwort auf die komplexen Anforderungen in dieser Position sein.
Bei der Dualen Führung wird die Leitung in sämtlichen oder auch nur in bestimmten Bereichen von zwei Personen gemeinsam wahrgenommen.
Foto: Pixabay Lizenz, PublicDomainPictures, www.pixabay.com
In einer NGO, deren Auftrag es ist, Kurse für Erwachsene durchzuführen, wurde die Führungsfunktion frei. Nachdem sich keine Person für die Leitungsstelle anbietet, werden mehrere Personen angesprochen, sich für den Chefposten zu bewerben. Das Interesse ist jedoch enden wollend. Begründet wird dies damit, dass das Aufgabenspektrum für die offene Stelle zu groß sei: Neben fachlichen Kenntnissen braucht es auch Wirtschaftserfahrungen sowie mediale Geschicklichkeit, flexible Zeiteinteilung, Teamgeist, Kompetenzen im Umgang mit Konflikten usw. Und das alles bei einem oftmals nicht gerade fürstlichen Lohn. Duale Führung kann eine Möglichkeit sein, diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Duale Führung heißt nicht nur einzelne Aufgaben delegieren

Formen geteilter Führung finden sich immer häufiger in diversen Unternehmen, wobei es unterschiedliche Arten gibt. Allen gemeinsam ist der Grundsatz, dass man entweder die gesamte Führungsverantwortung oder auch nur Teile davon gemeinsam trägt. Wie man die einzelnen Aufgaben aufteilt, kann man dauerhaft festlegen, oder man führt rotierende Aufgabenpakete ein. Ebenfalls ist es möglich, die Aufteilung der Aufgaben flexibel den jeweiligen Situationen anzupassen.

 

Shared Leadership ist der Fachterminus für jedwede Form geteilter Führungsverantwortung. Duale Führung ist eine Sonderform davon. Das bedeutet, nicht nur einzelne Aufgaben zu delegieren, sondern wirkliche Verantwortungen zu teilen. Die Führung wird in sämtlichen oder auch nur in bestimmten Bereichen von zwei Personen gemeinsam wahrgenommen, wobei es für diese formale Doppelspitze wiederum unterschiedliche Modelle gibt.

Modelle dualer Führung: Gemeinsame oder getrennte Aufgabenbereiche

Duale Führung in Erwachsenenbildungseinrichtungen kann es in der Form geben, dass zwei Personen gleichverantwortlich und gleichwertig alle Agenden der Leitung übernehmen und verantworten. Oder es egibt geteilte Aufgabenbereiche, für die jeweils eine der Personen letztverantwortlich ist. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass es sowohl geteilte Aufgaben und Verantwortungen gibt als auch gemeinsame.

 

Gemeinsame Aufgaben bei dualen Führungssystemen sind in der Regel Strategiefragen, zentrale Personalentscheidungen usw. Führungsagenden, die häufig getrennt verantwortet werden, sind kaufmännische Aufgaben, Marketingfragen, Teiprojekte, fachliche Themen usw. In solchen Systemen hat eine Leitungsperson häufig die fachliche Führung über (spezifgische Inhaltsaufgaben), während die andere Person für die Systemführung (Fianzen, Infrastruktur usw.) zuständig ist.

Gute Abstimmung und Planung sind ein Muss

Ein Dilemma, in dem viele Leiterinnen und Leiter von Erwachsenenbildungseinrichtungen stecken, ist die Tatsache, dass sie als Pädagogen und Pädagoginnen einen pädagogischen Betrieb führen, während zunehmend Managementtätigkeiten verlangt werden. Deshalb muss die Organisation in einem ersten Schritt klären, was unter Dualer Führung genau gemeint ist. In weiterer Folge sind die genauen Verantwortlichkeiten zu verteilen und es ist zu klären, wie in Konfliktfällen umzugehen ist. Überhaupt ist die permanente Dialogbereitschaft und -fähigkeit beider Führungskräfte eine Grundvoraussetzung, damit duale Führung funktionieren kann.

 

Permanente Abstimmung ist ein weiterer Gelingensfaktor - beispielsweise um eine Rivalisierung der beiden Führungskräfte untereinander um die Beliebtheit bei Mitarbeiter/innen oder dem Ansehen beim Bildungsträger zu vermeiden. Weiters sollte bei beiden Führungspersönlichkeiten die Machtmotivation nicht zu hoch ausgeprägt sein.
Schwierig wird geteilte Führung dort, wo die beiden Führungskräfte nicht harmonieren bzw. nicht wirklich bereit sind, die Führungsaufgaben zu teilen. Insbesondere wenn Rivalitäten entstehen, wird das Fortsetzen der geteilten Führung stark erschwert.

Duale Führung braucht Zeit

Besonders bei Teilzeitführungskräften, aber auch bei anderen Führungspersonen, die sich die Führung teilen, ist darauf zu achten, dass es genügend gemeinsame Zeitfenster für den regelmäßigen Austausch gibt. Zentral ist weiters, dass das Modell der geteilten Führung gut nach außen und nach innen kommuniziert wird. Die Mitarbeitenden und die Teilnehmenden sollen wissen, bei wem sie sich mit welchem Thema melden müssen.

 

Und: Duale Führung muss erst gelernt werden - von den zwei führenden Personen sowie von der gesamten Organisation. Deshalb empfiehlt es sich, beim Start dieser Führungsform Hilfe von außen in Form von Beratung und Coaching zu nehmen. Außerdem stellt die Art der Führung gerade zu Beginn der Zusammenarbeit eine Mehrbelastung durch viele nötige Abstimmungen dar. Vor allem bei Teilzeitführungskräften kann das zu einem unverhältnismäßigen Mehraufwand führen. Wenn dies gut kommuniziert und vereinbart ist, kann duale Führung gelingen.

Geteilte Führung ist in der Erwachsenenbildung noch die Ausnahme

Trotz steigender Komplexität des Berufes und vermehrten Anforderungen ist geteilte Führung von Erwachsenenbildungseinrichtungen derzeit eher die Ausnahme. In Wirtschaftsbetrieben gibt es bereits zahlreiche positive Erfahrungen mit geteilten Führungsstrukturen, wie Werther 2013 schreibt. In manchen Erwachsenenbildungseinrichtungen gibt es bereits Erfahrungen mit LeiterInnen, die sich kaufmännische und andragogische Führung teilen.

 

Für eine Führung, bei der es geteilte Aufgabenbereiche gibt, und jeweils eine Person letztverantwortlich ist, gibt es bereits Best-Practice-Beispiele aus dem Forschungs- bzw. Bildungsbereich. Exemplarisch sind hier aus Österreich Fachhochschulen, private Pädagogische Hochschulen, Museen, Bildungshäuser, Forschungseinrichtungen usw. zu nennen. In der Regel teilt sich die Führung hier die inhaltlich-pädagogischen/wissenschaftlichen und die administrativ-betriebswirtschaftlichen Agenden.

 

Dipl.-Ing. Sabine Pelzmann, MSc MBA
Integrative Organisationsberatung, Konzipiert und begleitet Corporate Leadership Programme; Leiterin einer Unternehmensberatungsfirma in Graz, arbeitet als Lektorin an mehreren Hochschulen

 

Mag. DDr. Walter Vogel
Hochschulprofessor für Erziehungswissenschaften und Führungsforschung an der PH Steiermark, Theologe, Pädagoge und Autor

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa