EB und Digitalisierung: eine Fachtagung mit Technikfolgendiskussion

17.10.2019, Text: Birgit Aschemann, Redaktion/CONEDU
Erwachsenenbildung soll die grundsätzlichen Fragen der Digitalisierung diskutieren und für deren Effekte sensibilisieren, so der Tenor einer Fachtagung Mitte Oktober.
Erwachsenenbildung soll für einen bewussten Umgang mit Daten und Privatsphäre sensibilisieren.
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Das Community Medien Institut für Weiterbildung, Forschung und Beratung (COMMIT) veranstaltete am 14. Oktober eine offene Fachtagung zum Thema "Digitalisierung - Medien - Bildung: Was bedeutet Digitalisierung für die Erwachsenenbildung?". Dabei diskutierten VertreterInnen der Technikfolgenabschätzung und der Kommunikationswissenschaft konkrete Chancen und Risiken der Digitalisierung und die Konsequenzen für die Erwachsenenbildung.

 

Digitales Orientierungswissen: langfristig weiterdenken

Die Folgen digitaler Praxen für Demokratie, Freiheit und Teilhabe bedürfen einer aufmerksamen Beobachtung und Reflexion, und der Erwachsenenbildung kommt dabei eine zentrale Aufgabe zu. Die kleine, aber hochkarätige Fachtagung „Digitalisierung – Medien – Bildung" erinnerte an die gesellschaftskritische Verpflichtung der Erwachsenenbildung und setzte einen kritischen Kontrapunkt zum alleinigen Erwerb von „digital skills". Denn während in Weiterbildungen digitale Werkzeuge stark nachgefragt sind, werden grundsätzliche Fragen der Digitalisierung noch allzu selten diskutiert.

 

Die Kunst, nicht dermaßen kategorisiert zu werden

Die vielschichtigen Bedeutungen von Privacy und Datensouveränität erläuterte Walter Peissl (ITA/ÖAW). Wer Wert auf Privatsphäre legt, dem empfahl Peissl individuelle Vorsichtsmaßnahmen wie die Verwendung von Pseudonymen, eine bewusste Auswahl von Apps und generelle Daten-Enthaltsamkeit. Eine Reihe von Faktoren – wie der höhere Aufwand und die geringere Reichweite bei Nutzung von sicheren Alternativ-Technologien – trägt jedoch dazu bei, dass wir dominante Anbieter nutzen und damit zur eigenen Kategorisierung beitragen.

 

Die Selbstvermessung als Fortsetzung der Überwachungsmedizin

Astrid Mager (ITA/ÖAW) sprach über Wearables und Fitnessapps und die Implikationen einer derartigen Selbstvermessung, die in der Tradition der Überwachungsmedizin steht. Diese Selbstüberwachung kann individuell durchaus als Selbstermächtigung erlebt werden, spielt jedoch gleichzeitig einem Social Scoring in die Hände: Individuell eingespeiste Daten werden weiterverarbeitet und können als „Score" mit konkreten Konsequenzen – wie etwa Versicherungsprämien – auf das Individuum zurückfallen. Aus Körperdaten werden mit ökonomischen Zielen Datenköper erzeugt.

 

Algorithmen polarisieren öffentliche Diskurse

Florian Saurwein (CMC/ÖAW | AAU) schärfte das Bewusstsein für die Dynamiken sozialer Medien und informierte über Verstärkereffekte durch Algorithmen. Clicks, Likes und Shares bedeuten monetäre Erträge, sind entsprechend begehrt – und allzu leicht durch plakative Inhalte (wie Hate Speech) zu provozieren. Öffentliche Debatten werden dadurch verzerrt und polarisiert. Eine automatisierte Gegensteuerung löst das Problem nur unzureichend: Algorithmen entfernen die Dokumentation von Kriegsverbrechen oder die Darstellung der Venus von Willendorf genauso aus dem Web wie jede andere Form von Gewalt oder Nacktheit. Das bewusste und reflektierte Klickverhalten auf UserInnen-Seite ist daher unverzichtbar, und es obliegt den Bildungsverantwortlichen, für alle Altersgruppen diese Medienkompetenz zu fördern.

 

Lernhemmende Effekte digitaler Umgebungen

Einen Blick auf lernförderliche und lernhemmende Faktoren aus Sicht der Kommunikationswissenschaften steuerte Josef Trappel (Universität Salzburg) bei. Lernhemmend wirken demnach das erhöhte Ablenkungspotenzial in digitaler Lernumgebungen ebenso wie die Dominanz von Echoräumen, verbunden mit einer abnehmenden Bedeutung von Empathie oder Expertise. Trappel zufolge nehmen unter den Bedingungen der Digitalität solche „Lernbremsen" tendenziell zu.

 

Wach sein, mitdenken und aufmerksam machen

Dem Transfer dieser Fachinputs in die Praxis der Erwachsenenbildung war die zweite Hälfte der Tagung gewidmet. Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung als Aufträge der Erwachsenenbildung sind unhinterfragt. Generell gilt es wach zu bleiben für gesellschafts- und demokratieverändernde Effekte der Digitalisierung. Dass Daten als kostbares Zahlungsmittel für vieles Nützliche und scheinbar Kostenlose fungieren, muss im allgemeinen Bewusstsein noch stärker verankert werden.

 

Kontext und Veranstalter

Die offene Fachtagung mit dem Titel „Digitalisierung – Medien – Bildung. Was bedeutet Digitalisierung für die Erwachsenenbildung?" fand am 14.10.2019 in der VHS Mariahilf statt und wurde vom Community Medien Institut für Weiterbildung, Forschung und Beratung (COMMIT) in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) und der VHS Mariahilf veranstaltet. Das Seminar richtete sich vorrangig an EntscheidungsträgerInnen, Programmverantwortliche und TrainerInnen in der Erwachsenenbildung und wurde von Doris Vickers (Wiener Volkshochschulen GmbH) moderiert.

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