Narrative Ethik in der digitalen Erwachsenenbildung
Angebote zur Ethik im Rahmen der digitalen Erwachsenenbildung können stark vom Ansatz der narrativen Ethik profitieren. Dafür argumentieren Alina Elsner und Luca Fliegener, Mitarbeiter*innen der TU Kaiserslautern-Landau, in einer aktuellen Publikation. Zentral ist für sie die Frage, „wie Menschen dazu angeregt werden können, über ethische Fragen im Kontext der Digitalisierung nachzudenken und Bewertungskompetenzen zu entwickeln.“
Die Methode der Narration
Geschichten sind von großer Bedeutung für die Entstehung der eigenen Biografie und Identität. Narrative – also Erzählungen – sind aber auch Vermittler von Werten, Normen oder Haltungen und tauchen in unterschiedlichen Formen und Medien auf.
Die narrative Ethik untersucht, welche ethischen Implikationen ein Narrativ enthält. Auf diese Weise ist es möglich, ethische Fragestellungen zu benennen und aktiv zu reflektieren. Die Methode der Narration erlaubt es zudem, sich unterschiedlicher Wertvorstellungen bewusst zu werden, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst zu handeln und dadurch moralisches Verhalten zu lernen.
Erwachsene profitieren von Geschichten
Für die Beurteilung ethischer Herausforderungen ziehen Erwachsene sehr oft eigene Erfahrungen heran. Bei Zukunftsszenarien und abstrakten Themenkomplexen der digitalen Welt, wie z.B. Big Data oder Künstliche Intelligenz, ist das nicht möglich. Daher können in diesem Fall Narrative besonders hilfreich sein. Hypothetische Geschichten ersetzen die nicht vorhandenen Erfahrungswerte und werden so zur Grundlage für die Reflexion. Ethische Fragen werden begreifbar und veranschaulicht.
Der Publikation zufolge kann ein narrativer Ansatz ethische Bildungsangebote in der Erwachsenenbildung auch didaktisch unterstützen, da Geschichten für die Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen motivationsfördernd sind.
Leser*innen fühlen sich hier vielleicht erinnert an psychologische Erkenntnisse zur Methode des Storytelling. Eine Identifikationsfigur ermöglicht emotional engagiertes Lernen, das nachwirkt. Das lässt sich auf Digitalisierungs- bezogene Ethikfragen übertragen: so lassen sich die Auswirkungen eines Algorithmen-Bias eindrücklich vermitteln anhand der Geschichte einer Person, die durch einen Algorithmus benachteiligt wird und biografische Konsequenzen zu tragen hat.
Die Bedeutung von Ethik in der digitalen Welt
Die Digitalisierung stellt die Gesellschaft vor immer neuen Herausforderungen und wirft neue ethische Fragen auf. Das macht sich an einer Vielzahl von Aspekten bemerkbar, wie etwa an den folgenden Beispielen aus der Publikation:
Die Datafizierung aller Lebensbereiche führt zu mehr Möglichkeiten der Manipulation von Daten sowie zur Monopolbildung bestimmter Konzerne. Die Zuschreibung der Verantwortung einzelner Akteure wird zunehmend schwieriger. Menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen werden auf digitale Technik projiziert, während der Mensch als „defizitäres Wesen der perfektionierten Technik“ gegenübersteht – auch das ist übrigens eine Erzählung. Es darf nicht vergessen werden, dass neue technologische Produkte ab dem Moment ihrer Einführung von medial vermitteln Narrationen begleitet werden, die häufig von den Marketingstrategien der Technologiebetreiber ausgehen. Bei gut gewählten Narrationen zu pädagogischen Zwecken wird es sich daher häufig um Gegenerzählungen zu den medialen Werbebotschaften handeln müssen.
Der Bedarf an ethischer Reflexion und Bildung steigt mit jeder disruptiven Innovation weiter, während der ökonomische Wettbewerb das Innovationstempo laufend weiter antreibt.
Wie die Erwachsenenbildung unterstützen kann
Die digitale Ethik gewinnt an Bedeutung. Dem zunehmenden ethischen Reflexionsbedarf versucht die Erwachsenenbildung in Form geeigneter Bildungsangebote zu begegnen. Lernangebote zur Ethik im Kontext der Digitalisierung ermöglichen eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit Wertvorstellungen und Normen in der digitalen Welt. Dabei kommt der Erwachsenenbildung die Aufgabe zu, die ethischen Bewertungskompetenzen zu stärken.
Es braucht also reichlich gute Angebote zur ethischen Reflexion der digitalen Entwicklungen. Und wenn die eine oder andere Erzählung schon in der Ausschreibung eines Angebots auftaucht, kann sich das auch positiv auf die Buchungslage auswirken.
Elsner, A., Fliegener, L. (2023). Narrative Ethik im Kontext von Erwachsenenbildung und Digitalisierung – eine Reflexion zu ethischer Bildung durch Narration in der Erwachsenenbildung vor dem Hintergrund der Digitalisierung. In: Barbagallo, E., Gerhartz, I.W., Thiemer, N. (Hg.) Erzählhorizonte. Ethik – Mensch –Technik. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-67347-8_11
Verwandte Artikel
Wie die Digitalisierung die Erwachsenenbildung verändert
Ein aktuelles Lehrbuch zeigt, welche Veränderungen die digitale Transformation in der Erwachsenenbildung bewirkt. Es bietet Einblicke auf mehreren Ebenen wie jener der Lehr-Lernprozesse, Organisation und Politik.E-Learning Projektmanagement: ein Berufsbild in einem dynamischen Feld
E-Learning Projektmanager*innen erfüllen eine Vielzahl an Aufgaben und Rollen rund um das betriebliche Lernen. Was macht dieses Berufsbild aus und welche Kompetenzen sind nötig?Leitfaden: Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien
Lernende sollen die Möglichkeit erhalten, sich ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechend zu bilden – so der Ansatz des Personalisierten Lernens. Ein Leitfaden zeigt, wie das gelingen kann.Studie: Digitale Kompetenzen in Zeiten von KI
Eine deutsche Studie gibt Aufschluss über die Bewertung und Selbsteinschätzung von Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien und KI. Sie liefert auch Anhaltspunkte für Österreich.KI ethisch anwenden – wie kann das gelingen?
Der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz in vielen Bereichen des täglichen Lebens beeinflusst unsere Gesellschaft grundlegend. Das macht es umso wichtiger, im Umgang mit KI auch ethische Fragen zu berücksichtigen.KI in der Erwachsenenbildung: Auswirkungen auf Praxis und Forschung
Generative KI kann Lehrende und Lernende unterstützen, so eine aktuelle Publikation. Jedoch sollte man ihren Einsatz sorgfältig abwägen, um etwa Lernprozesse nicht zu verzerren.