Studie: Digitale Weiterbildung geschieht vor allem informell
Digitales Lernen findet überwiegend informell und selbstorganisiert statt
Etwa 80% der Befragten, die digitale Angebote nutzen, lernen informell zu Hause übers Internet. Beliebt sind dabei kurze, problem- und handlungsorientierte Angebote, die häufig zur Bewältigung einer bestimmten Situation beitragen. Diese Lernaktivitäten sind zumeist beruflich veranlasst, wie Studienautor Ulrich Schmid in einem Blogbeitrag ausführt. „Für etablierte Anbieter beruflicher Weiterbildung müsste dieser Befund ein echter Wake-Up-Call sein", so Schmid.
Nur 10% der Befragten haben im vergangenen Jahr an einer ausgewiesenen Online-Weiterbildung teilgenommen, an einem MOOC gar nur 1%. Insgesamt lernen knapp die Hälfte der Befragten, nämlich 46%, digital. Schmid weist im Zusammenhang mit dieser Kennzahl darauf hin, dass Schüler, Studierende und Auszubildende – allesamt internet-affine Zielgruppen – in dieser Befragung ausgeschlossen wurden, da sie bereits in früheren Untersuchungen des Monitor Digitale Bildung befragt wurden.
NutzerInnen suchen Inhalte, nicht Anbieter
In Bezug auf die Angebote und Methoden zeigt sich, dass die NutzerInnen Bildungsinhalte vermehrt über große Portale wie Google und YouTube suchen. Spezielle Bildungsplattformen spielen der Studie zufolge noch keine nennenswerte Rolle. Ob Inhalte von etablierten Einrichtungen, kommerziellen Herstellern oder Privatpersonen zur Verfügung gestellt werden, ist für NutzerInnen wenig relevant – sie erinnern sich primär an die Plattform wie z.B. YouTube, auf der sie den Inhalt gefunden haben. Für Weiterbildungsanbieter bedeutet das, dass sie zukünftig verstärkt in digitale Öffentlichkeitsarbeit investieren müssen, wenn sie als eigenständige Bildungsmarken wahrgenommen werden möchten, so die AutorInnen.
Sozial Benachteiligte profitieren bisher nicht von digitaler Weiterbildung
Menschen mit geringer formaler Bildung sowie Nichtberufstätige lernen dem Monitor zufolge deutlich seltener digital als AkademikerInnen bzw. Berufstätige. Dieses Phänomen ist jedoch nicht auf Digitalisierung allein zurückzuführen – dass sich formal weniger Gebildete seltener weiterbilden als Höherqualifizierte, ist in der Bildungsforschung unter dem Begriff „Matthäus-Effekt" bekannt. In jedem Fall macht dieser Befund den bildungspolitischen Handlungsbedarf deutlich, wie Ulrich Schmid ausführt: „Denn es besteht die Gefahr, dass das Potenzial der digitalen Medien für mehr gesellschaftliche Teilhabe und Chancengerechtigkeit im Bildungsbereich wieder nicht eingelöst wird."
Digitale Lernmedien: Noch viel didaktisches Potenzial ungenutzt
Die Mehrheit der befragten Lehrenden setzt digitale Medien ein – zu den meist verwendeten Tools gehören Präsentationsprogramme wie PowerPoint, Videos und elektronische Texte. Soziale Medien, Lernmanagementsysteme und MOOCs werden hingegen fast gar nicht genutzt. Offene Bildungsressourcen (OER) spielen ebenfalls eine eher untergeordnete Rolle – nur wenige Lehrende nutzen OER oder stellen selbst digitale Materialien frei zur Verfügung.
Beim Vergleich zwischen privaten Instituten und öffentlichen Anbietern zeigt sich, dass Private oft digitaler aufgestellt sind als öffentlich Geförderte. Auch die technische Ausstattung sowie die Qualifizierungsangebote werden im privaten Bereich besser beurteilt. Insgesamt kümmern sich über 80% der Lehrenden selbst um den eigenen Kompetenzerwerb. Passende Qualifizierungsmöglichkeiten fehlen oder werden von Führungskräften als unzureichend eingeschätzt. Nur 11% beurteilen das Angebot für die eigene Fortbildung als „sehr gut".
Die Zukunft? „Wandel gestalten statt Wandel verhindern"
Die AutorInnen des Monitors leiten Empfehlungen ab, wie Weiterbildungsanbieter mit dem digitalen Wandel umgehen können. „Wandel gestalten statt Wandel verhindern", lautet die Devise. Auch wenn nicht alle Angebote über Nacht digitalisiert werden können (und auch nicht sollen), so braucht es doch eine Strategie für das digitale Zeitalter. Die Ergänzung und Erweiterung bestehender Präsenzangebote um digitale Inhalte im Sinne von Blended Learning könnte dabei sowohl für Anbieter als auch für KundInnen ein guter Weg sein. Auch im Bildungsmarketing gilt es, neue Wege zu gehen, um neben kommerziellen Anbietern im Netz bestehen zu können.
Schmid, Ulrich; Goertz, Lutz; Behrens, Julia (2018): Monitor Digitale Bildung. Die Weiterbildung im digitalen Zeitalter. Herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung. 68 Seiten, DOI 10.11586/2018007, online kostenlos verfügbar
Verwandte Artikel
Wie man unvoreingenommen über Künstliche Intelligenz sprechen kann
KI wird oft klischeehaft dargestellt. Das kann es erschweren, ihre großen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft zu verstehen. Nele Hirsch gibt in einem aktuellen Blogbeitrag Tipps, wie man realistisch über KI sprechen kann.KI in der Erwachsenenbildung ist „gekommen, um zu bleiben“
Die mmb-Studie bestätigt die stark wachsende Bedeutung generativer Künstlicher Intelligenz. Formate wie das Blended Learning werden jedoch deshalb nicht weniger wichtig.Lernen mit intelligenten tutoriellen Systemen (ITS)
Intelligente tutorielle Systeme – das sind Lernangebote, die sich auf Basis des maschinellen Lernens an Lernende anpassen. So übernimmt eine Maschine die vielfältige Aufgabe der Lernbegleitung.Künstliche Intelligenz kurz erklärt
In einer aktuellen Folge des Podcasts „Jöran ruft an“ geht es um künstliche Intelligenz und wie die innovative Technologie unsere Gesellschaft prägt.Kritische Datenbildung fördern: ein Online-Leitfaden
Wer Lernenden einen bewussten Umgang mit Daten vermitteln möchte, erfährt im Leitfaden für kritische Datenbildung, wie das gelingen kann.AIComp: Kompetenzen für eine Zukunft mit KI
Eine aktuelle Studie definiert Fähigkeiten und Fertigkeiten, die man für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz benötigt, um beruflich und privat erfolgreich zu handeln.