Was Künstliche Intelligenz zur Inklusion in der Bildung beitragen kann

Künstliche Intelligenz bietet viele Möglichkeiten zur Inklusion von Menschen mit körperlichen Einschränkungen, Sinnesbeeinträchtigungen und kognitiven oder psychischen Herausforderungen. Welche KI-Technologien unterstützend wirken können, wo Schwierigkeiten und Grenzen der Nutzung von KI zur Inklusion liegen und worauf Lehrende in diesem Zusammenhang achten können, darüber spricht Wissenschaftlerin Berit Blanc in einer aktuellen Folge des Podcasts Werkstatt-Gespräch der deutschen Bundeszentrale für politischen Bildung.
Welche KI-Anwendungen Teilhabe erleichtern können
Es gibt bereits verschiedene KI-Technologien, die im Sinne einer inklusiveren Bildung genutzt werden können. Viele davon sind nicht nur für Menschen mit Einschränkungen hilfreich.
Unterstützung beim Lernen können beispielsweise Sprachmodelle bieten, etwa für Menschen mit Sehbehinderung. Sie erleichtern die Online-Recherche, weil sie Suchergebnisse von unterschiedlichen Plattformen bündeln und zusammenfassen. Außerdem ermöglichen viele Sprachmodelle eine automatische Bildbeschreibung. Fehlen etwa Alternativtexte für Bilder, können Sprachmodelle das kompensieren. Auch den Zugang zu Videoinhalten wie Lernvideos können Sprachmodelle erleichtern, weil sie automatisiert Untertitel generieren können.
Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Lernschwierigkeiten können Sprachmodelle ebenfalls nützlich sein. Sie helfen dabei, Texte zu vereinfachen, indem sie Fremdwörter durch leichter verständliche Begriffe ersetzen oder komplexe Satzstrukturen auflösen.
Sprachmodelle können auch Lehrende unterstützen – beispielsweise bei der Unterrichtsvorbereitung. Sie können aber auch eingesetzt werden, um Lernmaterialen zu differenzieren oder zu vereinfachen.
Im Podcast erwähnt Berit Blanc außerdem spezifische KI-Assistenztechnologien, die ein Team aus Wissenschaftler*innen im Zuge des Projekts KI.Assist recherchiert hat. Viele davon können auch im Bildungsbereich eingesetzt werden. So etwa die OrCam – ein Gerät, das sich sehbehinderte Menschen an die Brille klemmen können. Damit lassen sich analoge Texte vorlesen oder vergrößern. Außerdem kann OrCam KI-gestützt Gegenstände sowie Gesichter erkennen und benennen. Die App Ava unterstützt Menschen mit Hörbeeinträchtigungen, indem sie Gesprochenes simultan in geschriebenen Text umwandelt.
Aircrumb hilft u.a. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen bei der Tagesstrukturierung. Die App erkennt mithilfe von KI den aktuellen Stresspegel anhand der Stimme. Dementsprechend stellt sie zum passenden Zeitpunkt bestimmte Aufgaben, die eine Betreuungsperson zuvor eingepflegt hat, oder empfiehlt Pausen. Eine weitere App, die im Bildungsbereich verwendet werden kann, ist Inclusify. Mittels Bilderkennung erfasst die Software analoges Ausgangsmaterial wie Aufgabenstellungen und gibt im Programm hinterlegte zusätzliche Inhalte zur Unterstützung wieder. So könnten Lehrende Apps wie Inclusify nutzen, um Aufgaben zu differenzieren.
Warum KI trotzdem keine Garantie für reibungslose Inklusion ist
KI-Technologien haben großes Potenzial, um Inklusion im Bildungsbereich zu erleichtern. Dennoch kann inklusive Bildung nicht allein durch den Einsatz von KI-Technologien gelingen, denn diese funktionieren oft noch nicht optimal und sind fehleranfällig. Das äußert sich z.B. in Vorurteilen, die KI-Modelle reproduzieren, weil diese in den Trainingsdaten verankert sind.
Der Einsatz von KI-Technologien könnte zudem dazu führen, dass Menschen weniger selbst daran arbeiten, Inhalte inklusiver zu gestalten. Das passiert etwa, wenn KI-generierte Untertitel nicht mehr überprüft werden oder wenn Texte weniger sorgfältig formuliert werden, weil man sie ohnehin später mit KI vereinfachen kann. Je mehr Ersteller*innen von Inhalten sich selbst darum bemühen, diese barrierefrei zu gestalten, desto besser funktioniert Inklusion.
Welche KI-Technologien überhaupt entwickelt werden, hängt stark von finanziellen Aspekten ab. Gewinnorientierte Unternehmen investieren vor allem dann in die Entwicklung von Produkten, wenn diese nicht ausschließlich eine Minderheit – wie etwa Menschen mit Einschränkungen – ansprechen. So können beispielsweise Sprachmodelle zur Inklusion genutzt werden, man kann sie aber auch für viele andere Zwecke einsetzen.
Wie KI-gestützte Inklusion in der Bildung gelingen kann
KI hat das Potenzial, Bildung inklusiver zu machen. Ob das gelingt, hängt nicht allein von den Funktionen von KI-Technologien ab. Es geht vielmehr darum, wie man mit ihnen arbeitet und sie in bestehende Systeme eingliedert.
Beim Einsatz von KI ist es wichtig, dass der Fokus auf den Betroffenen liegt. Besonders Lehrende sollten individuell auf andere Menschen eingehen und sich einfühlen. Diese Aufgaben können sie nicht an eine KI abgeben, weil diese kein Bewusstsein hat und keine Gefühle kennt. Es sollte daher immer ein Mensch am Prozess beteiligt sein und bewerten, welche Aufgaben eine KI übernehmen kann und auf welche Weise.
Beim Entwickeln von KI-gestützten Technologien zur Inklusion ist es wichtig, Betroffene miteinzubeziehen. Konzepte sollten gemeinsam erarbeitet, entwickelt und getestet werden. Nur so kann man sichergehen, dass die Produkte wirklich bedarfsgerecht sind.
Über Berit Blanc
Berit Blanc forscht zum Lernen und Lehren mit digitalen Medien und ist an der Entwicklung von E-Learning-Systemen beteiligt. Als Wissenschaftlerin am Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (DFKI) hat sie am Projekt KI.Assist mitgearbeitet. Das Nachfolgeprojekt KI-Kompass Inklusiv ist vor kurzem angelaufen. Beide Projekte beschäftigen sich mit KI-gestützten Assistenztechnologien für Menschen mit Behinderung, vor allem im Rahmen der beruflichen Inklusion. Berit Blanc ist außerdem am Institut für Medien und Kompetenzforschung (mmb) tätig.

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