Twitter-Chats als digitales Microlearning-Format

Twitter als Lernplattform
Der Microblogging-Dienst "Twitter" ist ein Chamäleon - in unterschiedlichen Szenarien treten jeweils ganz unterschiedliche Farben zutage: man kennt Twitter als agilen Nachrichtendienst und als Plattform zur Vernetzung und zur Interaktion mit Gleichgesinnten, aber auch als PR-Instrument, Werbefläche oder politisches Sprachrohr. Twitter ist aber unzweifelhaft auch Tummelplatz für Bots und Fake-News. Doch Twitter als Lernplattform?
Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten, wie Twitter im Kontext lernen verwendet werden kann – vom Rechercheinstrument bis zum Übungsplatz, wie etwa in der UNESCO-Publikation "Unterrichten und Lernen mit Twitter" nachzulesen. Eine relativ erfolgreiche Umsetzung des Lerngedankens sind Twitter-Chats, wie sie in der einen oder anderen Form seit 2009 existieren.
Lernformat Twitter-Chats
Twitter-Chats sind ein synchrones – also gleichzeitiges - digitales Lernformat, das über die "Hashtag" – Funktion von Twitter realisiert wird. Hashtags sind eigentlich dazu gedacht, Twitterbeiträge nach Inhalt sortieren zu können.
Bei einem Twitter-Chat legen die InitiatorInnen des Chats eine Uhrzeit fest, zu der zu einem bestimmten Thema diskutiert wird. Außerdem wird der Hashtag des Twitterchats bekanntgegeben. Ein Beispiel hierfür ist der #EdChatDE für Lehrende und Bildungsinteressierte.
Wer nun an dem Chat teilnehmen will, sucht auf Twitter nach dem betreffenden Hashtag und bekommt so die Beiträge von allen angezeigt, die an dem Chat teilnehmen. Die InitiatorInnen starten mit einer Frage, meist der Bitte, zu einem Thema Stellung zu nehmen. Jede/r kann auf jeden Beitrag antworten – natürlich müssen die Antworten auch wieder mit dem Hashtag versehen werden.
Offene Bildung per Twitter?
Wer sich an Twitter-Chats beteiligt, kann das aus vielen Gründen tun: um Wissen zu erweitern, Wissen weiterzugeben, gemeinsam an einem Problem tüfteln, durch kluge Äußerungen das eigene Online-Profil schärfen – oder alles zusammen. So entsteht in einem Spiel von Fragen und Antworten ein sehr freies, öffentliches Bildungsformat, das für alle Interessierten zugänglich ist: kein geheimes Passwort, keine Zugangsschranken (außer der Benutzung der Plattform "Twitter"), keine Gebühr, die zu entrichten ist (außer jener zur Nutzung des Internets), kein Ort, den man aufsuchen müsste, kein Zwang, sich zu beteiligen, außer, man möchte.
Professionelles Twitterchatten
Gelungene Twitter-Chats blühen aber selten zufällig - "ein Twitter-Chat [benötigt] Methodik, Struktur, Planung und Organisation, ähnlich wie eine non-formale Weiterbildung. Somit ist der Twitter-Chat eine Mischung aus informellem Lernen und strukturierter non-formaler Weiterbildung", stellt Oliver Ewinger in seiner Publikation "Twitter-Chats effizient planen und durchführen" fest. Das bedeutet: Twitter-Chats haben ein Drehbuch, nach dem der/die ModeratorIn (oder das Moderatorenteam) die Teilnehmenden begrüßt, Fragen stellt und auch wieder zu einem "runden" Abschluss kommt. Sie werden auf unterschiedlichen Kanälen beworben, vorbereitet und im Nachgang analysiert. Die oben erwähnte Publikation zeigt sehr gut, wie eine professionelle Ablaufplanung aussehen kann und was es sonst noch zu beachten gilt.
Bubble-Bewusstsein
Wie bei den meisten Bildungsformaten gibt es auch hier ein "Aber", das immer mitbeachtet werden sollte. Wenn auch Twitter-Chats für ihre diskursive, vielseitige Herangehensweise an Bildungsthemen gelobt werden und auf das nebeneinander Bestehen und sich Ergänzen verschiedener Meinungen unter einem gemeinsamen Hashtag hingewiesen wird: diese Chats spielen sich meist in einer zumindest im Kern ähnlich denkenden Informationsblase ("Bubble") ab. Das ist nichts grundsätzlich Schlechtes, aber ein Aspekt, der berücksichtigt werden sollte. Die "Bubble" wird die eigene Meinung vermutlich bereichern und verankern, nicht infrage stellen. Twitter-Chats eignen sich somit vor allem dann, wenn es um gegenseitige Bestärkung, Weiterdenken und gemeinsames Generieren neuer Ideen geht.
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