Metaphern im Bereich der Bildungstechnologien

04.11.2022, Text: Birgit Aschemann und Martina Lindsberger
Wie wirken „Ed Tech“-Metaphern und was bezwecken sie? Das beleuchtet Martin Weller in der englischsprachigen Publikation „Metaphors of Ed Tech“.
Vom Lernangebot zum Ökosystem – unsere digitale Umwelt entwickelt sich dynamisch
Grafik: Pixabay Lizenz, Gerd Altmann, https://www.pixabay.com
Metaphern sind in unserem Alltag ein gängiges Stilmittel zur Illustration von Aussagen. Ein Wort wird dabei aus seinem ursprünglichen Bedeutungskontext genommen und in einen anderen, oft themenfernen Kontext eingefügt. Durch diese Übertragung wird im neuen Kontext ein mentales Bild erzeugt, das Interpretationen transportiert und neue Bedeutungen entstehen lässt.

 

Vor allem seit der Pandemie spielen Bildungstechnologien (educational technology oder „ed tech“) eine zentrale Rolle im Bildungsgeschehen. Sie haben sich zu einem profitablen Wirtschaftszweig etabliert und werden dem Autor zufolge die Bildung in den kommenden Jahren weiterhin maßgeblich beeinflussen. Doch inwiefern prägen Metaphern unsere Ansichten darüber und unseren Umgang damit?

Metaphern als Abbild unseres Denkens

Weller sieht in der Metapher weit mehr als rhetorischen Schmuck – vielmehr sind sie ein Schlüssel dazu, wie wir Menschen über einen Sachverhalt denken, ihn bewerten und praktizieren. Metaphern sind so sehr in unsere Sprache und unser Denken eingebettet, dass wir sie oft kaum noch als solche wahrnehmen. Beispiele dafür bieten Konzepte wie „Datenhighway“ oder „Computervirus“, die unser Verständnis für neue Technologien grundlegend geprägt haben.

Was „Ed Tech-Metaphern“ bewirken

Im Vergleich zum Präsenz-Unterricht handelt es sich bei Online-Didaktik um ein relativ neues Forschungsfeld. Metaphern bieten ein nützliches Werkzeug um die Auswirkungen, Folgen, Möglichkeiten und Probleme dieses neuen Bereichs zu verstehen. Sie prägen außerdem die Art und Weise, wie Bildungstechnologien gesehen werden und eröffnen uns eine neue Perspektive darauf. In diesem Kontext nennt Kerres (2017) beispielsweise Begriffe wie Bildungstechnologien, Lehr-Lern-Programme, mediale Bildungsräume oder Ökosysteme.

 

Je nachdem, welches Modell (und welche Metapher) herangezogen wird, beeinflusst dies die entwickelte Bildungstechnologie und ihren Einsatz in der Praxis. Betrachtet man Lehren als Programm- und Produktbereitstellung, dann wird die bevorzugte Art der Technologie der Organisation und Bereitstellung von Inhalten dienen. Wenn jedoch die vorherrschende Metapher für Lernen die eines selbstgesteuerten Prozesses ist, dann wird die Technologie verschiedene Phasen eines Lernprozesses und eine individuelle Lernumgebung unterstützen.

Metaphern korrelieren mit Haltungen

In Bezug auf Metaphern in Bildungstechnologien unterscheiden Nardi und O’Day (2000) zwei Zugänge, wie die Gesellschaft über Technologie denkt: Menschen, die Technologie als Werkzeug betrachten, sehen sich selbst eher in der Lage, sie zu kontrollieren; Menschen, die Technologie als System betrachten, fühlen sich ihr eher ausgeliefert.

 

In seinem Blog benutzt Weller bewusst Metaphern aus technologiefernen Themenfeldern. Genau diese Freiheit soll das Verständnis für die Möglichkeiten, Wirkungen und Grenzen von EdTech fördern. So nennt er folgende Themenbereiche zu Metaphern für Bildungstechnologien:

  • körperliche Arbeit: (Bildungs-)Technologie als Werkzeug
  • Bautechnik: (Bildungs-)Technologie als Gerüst zum Aufbau von Wissen
  • Mechanik: (Bildungs-)Technologie als Maschine
  • Biologisches Leben: (Bildungs-)Technologie als Ökosystem oder Evolution
  • Reise: (Bildungs-)Technologie als eine Reise

Geschichte der Mediendidaktik in Metaphern

Ganz unterschiedliche Metaphern haben bereits die Mediendidaktik geprägt. Während erste Lehrprogramme Anweisungen zur Beseitigung von Wissensdefiziten enthielten, haben Lernangebote heute weniger instruierenden Charakter, sondern können zur Wissensaneignung exploriert werden. Damit wurde die Raummetapher zum vorherrschenden Konzept in der Mediendidaktik. Gelernt wird nunmehr in medialen Bildungsräumen (Kerres 2016).

 

In diesem Zusammenhang spielt auch die Metapher des Ökosystems eine bedeutende Rolle, die den Blick weitet und den Fokus auf die beteiligten Akteur*innen und ihr Zusammenwirken richtet. Im Ökosystem sind soziale Umwelt und Medien eng miteinander verknüpft und zugleich einem ständigen Wandel unterworfen. Damit kann Lernen als laufende Erneuerung von Wissen betrachtet werden und das Ökosystem als Gelegenheit für gemeinschaftliche Wissensproduktion.

 

Martin Weller ist Professor für Educational Technology am Institut für Bildungstechnologie (IET) der Open University (UK). Seine Publikation “Metaphors of Ed Tech” (Hrsg. Athabasca University Press) ist 2022 in einem Open Access-Format in englischer Sprache erschienen (199 Seiten, PDF). In seiner Publikation zeigt er anhand von Metaphern neue Wege auf, über Bildungstechnologien nachzudenken und zu kommunizieren. Die Lektüre ist vor allem empfehlenswert für Personen im Bildungsmanagement und Training, die Formate entwickeln und benennen.

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