Erwachsenenbildung zu Frieden und Krieg: Neue Magazin-Ausgabe
Der Krieg ist in unseren Köpfen angekommen. So zeigt die aktuelle Eurobarometer-Umfrage etwa, dass die Befürchtung, der Angriffskrieg gegen die Ukraine werde die Sicherheit im eigenen Land negativ beeinflussen, weit verbreitet ist. In Österreich etwa haben aktuell 73% der Bürger*innen diese Sorge, das sind um 7% mehr als noch im Herbst 2023. Kriegerische Auseinandersetzungen wirken außerdem auch ins politische Geschehen nicht direkt involvierter Länder hinein, wie etwa das Antreten der „Liste GAZA“ bei den letzten österreichischen Nationalratswahlen zeigt. Diese Stimmung beeinflusst auch die Erwachsenenbildung. Sie zeigt sich insbesondere als aufkeimende Diskussion, als Grundstimmung in Seminaren und in Form offener Fragen.
In der aktuellen Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at beleuchten die Autor*innen diese Herausforderung aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie diskutieren verschiedene Facetten von Friedensbildung und die Rolle der Erwachsenenbildung im Diskurs.
Zuhören und einander begegnen: Erwachsenenbildung als Schlüssel
Warum soll man sich noch für ein Miteinander einsetzen, wenn die Berichte und Diskussionen immer hoffnungsloser erscheinen? Warum noch diskutieren, wenn man überzeugt ist, auf der richtigen Seite zu stehen? Diese Fragen stellt Demokratie- und Kriegsforscherin Daniela Ingruber in ihrem Beitrag. Und sie stellt fest: Es fehlt am Zuhören. Jede*r beansprucht die Wahrheit und den Frieden für sich. Frieden entstehe aber nur im Miteinander-Reden, so Ingruber. Hier sieht sie die Erwachsenenbildung als einen Schlüssel: Denn Erwachsenenbildung sorge in unterschiedlichen Formen für Begegnung. Man begegnet einander, muss miteinander umgehen. Erwachsenenbildung könne diese Räume bieten und dabei helfen, konstruktiv streiten zu lernen. Sie kann dabei unterstützen, Standpunkte zu differenzieren, diese verständlich zu machen und die Schwarz-Weiß-Malerei von Konflikten aufzulösen.
In eine ähnliche Richtung geht der Beitrag des Friedensforschers Werner Wintersteiner. Er plädiert für einen pluralistischen pädagogischen Ansatz, der den Lernenden alle vorhandenen Positionen zugänglich macht und dabei ergebnisoffen bleibt. Friedensbildung müsse als Kern von Allgemeinbildung anerkannt werden, so Wintersteiner.
Wie das Handy einer Geflüchteten zum transformativen Lernen beitrug
Die Trainerinnen Jasmina Deljanin-Hudelist und Rosemarie Schöffmann berichten über ihre Erfahrungen in der Bildungsarbeit mit Mädchen und jungen Frauen, die von unterschiedlichen gesellschaftlichen Marginalisierungen wie Arbeitslosigkeit, fehlenden Bildungsabschlüssen, Migrations- und Fluchterfahrungen betroffen waren. In den Kursen saßen sich also Menschen gegenüber, die außerhalb dieser Maßnahme nie miteinander gesprochen hätten. So brachten sie Themen ein, die gesellschaftliche Diskurse widerspiegelten. Die beiden Autorinnen geben auch Beispiele:
Eine Kursteilnehmerin beklagte sich etwa darüber, dass viele geflüchtete Personen ein Handy besäßen. Ihr gegenüber saß eine Teilnehmerin mit Fluchterfahrung. Es kam zum Streit. Das pädagogische Team bereitete eine Diskussion vor und moderierte. Schließlich gelang ein Perspektivenwechsel. Die Frauen konnten sich gegenseitig anerkennen oder zumindest verstehen: Die eine Teilnehmerin erkannte, dass ein Handy wertvoll ist, um überhaupt auf der Flucht sein zu können. Die andere Teilnehmerin konnte anerkennen, dass es finanziell und strukturell schwierig ist, sich ein Handy leisten zu können.
Mit diesem Beispiel verdeutlichen die Autorinnen, dass Gruppensettings in der Erwachsenenbildung das Potential für transformative Lernprozesse haben und somit Friedensbildung in der Praxis möglich ist.
Ein Studium für den Frieden
Franz Jenewein, Leiter des Tiroler Bildungsinstituts, stellt in seinem Beitrag das Masterstudium Peace and Conflict Studies der Universität Innsbruck vor. Dieses bietet wissenschaftliche Bildung in der internationalen Friedensarbeit.
Im Mittelpunkt steht ein handlungsorientiertes Training in Teamarbeit und -entwicklung, Diversität und Identität, Inklusion, Kapazitätsentwicklung sowie interkultureller Kommunikation.
Neben klassischen Vorlesungen und Seminaren finden auch Exkursionen zu Aspekten ziviler Friedensmissionen und Übungen zu Methoden der Konflikttransformation statt.
Absolvent*innen können in der internationalen Friedensarbeit, der Entwicklungspolitik, der Diplomatie, im Bereich Menschenrechte, Sicherheit und Katastrophenschutz tätig werden.
Über die 53. Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at
Die 53. Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at mit dem Titel „Frieden und Krieg. Denkanstöße und Herausforderungen für die Erwachsenenbildung“ gibt es kostenfrei online. Herausgeberinnen sind die Demokratie- und Kriegsforscherin Daniela Ingruber und Julia Schindler von der Universität Innsbruck.
Weitere Beiträge der Ausgabe sind:
- Flucht vor Krieg und gesellschaftliche Teilhabe (Tim Zosel, Ferhad Ahmad)
- Nachhaltigen Frieden schaffen (Gregor Lang-Wojtasik)
- Sicherheit, Frieden und Krieg (Nadja Mrowetz)
- Es braucht neue Tische! Impulse zur feministischen Friedensarbeit (Birge Krondorfer)
- Mehrsprachigkeitsdidaktik: Damit fremde Sprachen keine Fremdsprachen bleiben (Wolfgang Moser)
- Lehrgang Politische Erwachsenenbildung (Sonja Luksik, Hakan Gürses)
- Rezension: Der politische Mensch - Demokratie als Lebensform von Oskar Negt (Melanie Brantweiner)
- Rezension: Kritische Friedensforschung von Josef Mühlbauer und Maximilian Lakitsch (Hrsg.) (Jennifer Friedl)
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