Klimaschutz in der Organisationskultur verankern und Beteiligung schaffen

17.07.2024, Text: Andrea Widmann und Karin Dullnig, Initiative "Klimaschutz in der Erwachsenenbildung", Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
In der Bildungseinrichtung sind die Weichen für Klimaschutz gestellt. Doch Mitarbeitende nehmen nachhaltige Angebote nicht an und hinterfragen die Maßnahmen. Wie Sie mit Grundsatzdebatten und mangelnder Beteiligung umgehen.
Personen sitzen und heben die Hände
Methoden wie der „Soziokratische Konsent“ eignen sich für partizipative Entscheidungsprozesse.
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Kennen Sie das? Sie haben als Geschäftsführung, als Klimaschutzverantwortliche*r oder als Projektleitung ansprechende Klimaschutzziele formuliert, Informationsveranstaltungen für alle Mitarbeiter*innen organisiert und eine Befragung zu Einschätzungen und Interessen von Trainer*innen und Kund*innen durchgeführt. Alles scheint vorbereitet. Doch dann landet doch täglich das Plastik im Restmüll – „einfache“ Maßnahmen wie die Mülltrennung funktionieren nicht. In Teammeetings zur Programmplanung hinterfragen Mitarbeiter*innen die Sinnhaftigkeit von Klimaschutz als Querschnittsmaterie und die Mobilitätsförderung für öffentliche Verkehrsmittel findet keinen Anklang. Von der anfänglichen Euphorie zahlreicher engagierter Kolleg*innen ist wenig übrig geblieben. Beim nächsten Klimaschutz-Projektmeeting fragen Sie nach den Gründen. Plötzlich wird es laut, Personen erzählen von Überforderung. Es gibt Streit zwischen denen, die noch viel mehr Klimaschutz umsetzen wollen und anderen, die die Maßnahmen doch „etwas übertrieben“ oder nicht umsetzbar finden. Es kommt zu Debatten darüber, ob Klimaschutz zu den originären Aufgaben einer Bildungseinrichtung gehört, oder ob nicht Digitalisierung oder Demokratiebildung im Moment wichtiger wären. Und Wellness- und Bewegungskurse würden ohnehin mehr Teilnehmende bringen. Die Grundsatzdiskussion ist eröffnet. Was können Sie tun?

Grundsatzdiskussionen nicht abwürgen, sondern bewusst gestalten

Veränderungsvorhaben lösen also häufig „Grundsatzdiskussionen“ aus. Es ist dann zielführend, Grundsatzdiskussionen zwar Raum zu geben, sie aber auf einer anderen Ebene zu bearbeiten – z.B. auf der Ebene, auf der sich Einrichtungen der Erwachsenenbildung als politische Akteur*innen verstehen. Manchmal führt das zu organisierten Aktivitäten z.B. zum Einbringen von Klimaschutzthemen bei den Fördergeber*innen oder der Prozess dient dazu, sich als Organisation auf die Punkte zu konzentrieren, die im unmittelbaren Einflussbereich liegen.

Es ist auch möglich, dass sich Grundsatzdiskussionen am Grad der Partizipation „entzünden“. Mitarbeiter*innen hinterfragen womöglich, wie es in der Organisation zu Entscheidungen kommt. „Hohe Kollegialität“ ist ein Grundwert in der Erwachsenenbildung. Das impliziert auch, dass Entscheidungen „basisdemokratisch“ getroffen werden. Dieser Wert überdeckt oft die faktisch bestehende Hierarchie. In manchen Organisationsentwicklungsprozessen kommt dieses Thema „auf den Tisch“, indem Mitarbeiter*innen beispielsweise echte Partizipation an Entscheidungen einfordern oder sich umgekehrt Führungskräfte manche Entscheidungen vorbehalten. In diesem Fall müssen die Verantwortlichen die Entscheidungsprozesse klären. Auch wenn der Prozess der Klärung manchmal wiederum Irritationen und Emotionen auslöst, trägt er letztlich dazu bei, allen Beteiligten Sicherheit und Orientierung für die weitere Zusammenarbeit zu geben.

Keine Scheinbeteiligung, sondern geeignete Methoden für Entscheidungsprozesse finden

Ein häufiger Fehler in Veränderungsprozessen ist es, „Scheinbeteiligung“ anzubieten - also zwar partizipative Formate vorzusehen, die dort gesammelten Ideen aber nicht aufzugreifen. Gründe dafür sind häufig, dass Ideen nicht „ins Konzept passen“ oder zu umfangreich sind. Die Wahl der Beteiligungsform ist daher eine wichtige methodische Entscheidung bei der Umsetzung von Klimaschutz (über 40 Beteiligungsverfahren finden sich auf partizipation.at, einer Initiative des  österreichischen Klimaschutzministeriums). Ein „World Café“ beispielsweise eignet sich gut zur Ideensammlung, eine Zukunftskonferenz gut zur Meinungsbildung – beides funktioniert jedoch nicht gut für Entscheidungsprozesse. Dafür eignen sich eher Methoden wie der Soziokratische Konsent oder Systemisches Konsensieren, auch agile Entscheidungsverfahren können für Entscheidungsprozesse funktionieren.

Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren, um die Beteiligung aufrecht zu erhalten

Kommunikation ist in Prozessen der Organisationsentwicklung essentiell, um die Betroffenen durch Veränderungsphasen zu führen und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Daher gilt: Auch wenn Führungskräfte manchmal das Gefühl haben, immer wieder das Gleiche sagen zu müssen, ist die kontinuierliche Kommunikation über Sinn und Zweck, den Projektfortschritt und die Anerkennung von Zwischenerfolgen relevant, um die Beteiligung aufrechtzuerhalten. Dabei ist zu beachten, dass nicht allein die Information entscheidend ist, sondern vor allem die bewusst gestaltete interaktive Kommunikation in der Organisation – also das Fragen und Zuhören in unterschiedlichen methodischen Settings (in Klein- und Großgruppen) und Konstellationen (mit und ohne Führungskräfte, abteilungsintern und -übergreifend, mit und ohne externe Kooperationspartner*innen bzw. Auftraggeber*innen).

Vereinbarungen reichen für eine neue Organisationskultur nicht aus

Um angestrebte und auch bereits erreichte Veränderungen zu verankern,  muss die Organisation „ungeschriebene Muster, Regeln und Gesetze“ (Gellert/Nowak 2021) in der Organisationskultur bewusst verändern.

Veränderungen auf der Ebene von Haltungen, Werten und Einstellungen kann man dabei nicht allein durch Vereinbarungen erreichen. Es braucht Vorbilder und neue positive gemeinsame Erfahrungen (siehe auch Nowak 2015). Mitarbeitende steigen z.B. eher auf öffentliche Verkehrsmittel um, wenn sie erleben, dass auch die Geschäftsführung ihre Arbeitswege und Dienstreisen öffentlich zurücklegt (siehe Beitrag Erwachsenenbildung klimafit machen).

Erwartungen direkt ansprechen und verändertes Verhalten anerkennen

Ebenso ist es wichtig, dass man Formen des „richtigen Denkens, Fühlens und Handelns“ auch bei anderen und gegenseitig fordert, „belohnt“ und anerkennt. Dies führt dazu, dass es gemeinsame neue Erfahrungen gibt, was wiederum die Chancen erhöht, auch auf der Ebene von Einstellungen und Werten Veränderungen herbeizuführen. Diese beiden Steuerungsfunktionen – also das direkte Ansprechen von Erwartungen bzw. das explizite Anerkennen von Kolleg*innen für verändertes Verhalten - sind für Einrichtungen der Erwachsenenbildung durchaus schwierig umzusetzen. Denn sie widersprechen den Grundwerten einer hohen Autonomie der Mitglieder und eines verständnisvollen Miteinanders auf „Augenhöhe“ sowie dem Prinzip der Kollegialität. Dazu bedarf es kollektiver Meinungsbildungsprozesse, in denen auch Konflikte ausgetragen und der Umgang  mit Unterschieden (in den Meinungen, im individuellem Veränderungstempo oder im Grad der Überzeugung vom Klimaschutz) geübt wird (siehe dazu auch Beitrag Erwachsenenbildung: 5 Tipps zur Umsetzung von Klimaschutz).

Akzeptanz auf rationaler und emotionaler Ebene erreichen

Um Klimaschutz in der eigenen Organisation zu verankern, braucht es also Akzeptanz für Veränderung auf rationaler und emotionaler Ebene (siehe Nowak 2015). Akzeptanz auf rationaler Ebene erreicht man, indem Verantwortliche

  • offen und direkt kommunizieren,
  • Orientierung geben,
  • echte Beteiligung ermöglichen,
  • Sorgen ernstnehmen und Gefühle zulassen (siehe auch Beitrag „Bildung zu kontroversen Themen: Beispiel Klimaschutz“),
  • Sicherheit geben, indem sie die Unumkehrbarkeit deutlich machen, aber auch aufzeigen, was bleibt.

Akzeptanz auf emotionaler Ebene erfordert:

  • die bewusste Gestaltung von Übergängen, bewusste Abschiedsrituale und auch damit verbundene „Trauerarbeit“,
  • die Integration von Bewährtem und die Wertschätzung des „Guten im Alten“.

Erst wenn die rationale und emotionale Akzeptanz hergestellt ist, können sich alle Beteiligten positiv auf Prozesse der Organisationsentwicklung einlassen, sich positiv auf das nachhaltige Zukunftsszenario beziehen, Neues lernen und ausprobieren. In der Veränderungsphase ist es dann wichtig, Fehler zuzulassen, Erfahrungen auszuwerten, Unterstützung zu geben und Erfolge bewusst anzuerkennen.

 

Über die Autorinnen: Andrea Widmann und Karin Dullnig sind für die "Ich tu's"-Initiative "Klimaschutz in der Erwachsenenbildung" tätig. Andrea Widmann (hochschulberatung.at) ist für die pädagogische und didaktische Projektberatung zuständig. Karin Dullnig setzt mit ecoversum Schulungen und Projekte rund um Nachhaltigkeit und Klimaschutz um.

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