8 Tipps, um als Bildungseinrichtung ökologisch nachhaltig zu werden
Bildungsarbeit im Fokus
Wenn sich Bildungsorganisationen auf den Weg Richtung Nachhaltigkeit machen, dann wählen sie oft ihre Kerntätigkeit als Fokus von Entwicklungsprojekten. Dafür wird meist ein Aspekt von Nachhaltigkeit aufgegriffen (z.B. Kreislaufwirtschaft, CO2 Neutralität, Energie sparen) und in der Bildungsarbeit selbst zum Thema gemacht. So entstehen Projekte, die mit dem primären Auftrag der Organisationen eng verknüpft sind. Da der Spielraum und die Expertise der Akteur*innen in der Gestaltung der Bildungsarbeit groß ist, lassen sich hier oft schnell positive Resultate erzielen. Auch der finanzielle Aufwand kann durch die Integration von Nachhaltigkeit als Thema in die Bildungsarbeit überschaubar gehalten werden.
Tipp 1: Alle Facetten von Leitung und Organisation nutzen
Neben dem Fokus auf Bildungsarbeit, also der Entwicklung und Integration in Bildungsformaten, sind besonders die Personal- und Organisationsentwicklung von Bildungsorganisationen relevante Handlungsfelder für die Entwicklung hin zu Nachhaltigkeit.
In der Gestaltung von internen Abläufen und in der Personalführung können und müssen Führungskräfte Veränderungsprozesse befördern. Das bedeutet, Nachhaltigkeitsthemen bewusst aufzugreifen und (partizipative) Prozesse zur Ideengenerierung in Gang zu bringen. Leitend können dafür die Fragen sein, wo Nachhaltigkeit überall eine Rolle spielt, wo Veränderungen notwendig sind und sich bereits positive Veränderungen zeigen.
Tipp 2: Steuerungsinstrumente für Organisationsentwicklung nützen
Führungskräfte in Bildungsorganisationen sind nicht nur pädagogische und wirtschaftliche Leitungen. Sie sind für die strategische Weiterentwicklung der Organisation selbst, des Selbstverständnisses und der Angebote verantwortlich.
Für die Organisationsentwicklung kann es zielführend sein, aktuelle politische Initiativen, Leistungsvereinbarungen oder Projektförderungen als Ausgangpunkt zu nützen, um Nachhaltigkeitsprozesse zu beginnen.
Tipp 3: Starke Bilder kommunizieren
Zu Beginn von Entwicklungsprozessen ist es aussichtsreich, erstmal ein "Gefühl der Dringlichkeit" zu erzeugen und in einer nächsten Phase eine Vision der erwünschten Zukunft zu entwickeln und zu kommunizieren (vgl. Kotter 1998, 2015). Kotter empfiehlt dafür, was in der Erwachsenenbildung bekannt ist: einfache Formulierungen und Bilder, oftmalige Wiederholungen und viel Zuhören. Welche Instrumente stehen der Organisation dafür intern, aber auch in ihrem Umfeld zur Verfügung? Wie können die Mitarbeiter*innen an Entwicklungsprozessen beteiligt und dafür motiviert werden? Und: Welche positiven Bilder lassen sich in Bezug auf Nachhaltigkeit für die Organisation finden?
Tipp 4: Beteiligung schaffen
Es lohnt, die Entscheidung für transformative Prozesse nicht allein als Führungskraft oder im Leitungsteam zu treffen. Am Weg Richtung Nachhaltigkeit sind Information und Kommunikation mit allen Beteiligten von Anfang an zentral: In Workshops, Führungsgesprächen, Teilnehmer*inneninformationen, Info-Abenden, Aushängen oder Newslettern können Herausforderungen wie der Klimawandel deutlich benannt werden und positive Ziele für die Zukunft formuliert werden. Einen weiteren Erfolgsfaktor benennt Kotter im Bilden von "Veränderungskoalitionen", also dem Bilden von Teams mit Mitgliedern, die innerhalb der Organisation aber auch im Umfeld "gehört werden" und Einfluss nehmen können.
Tipp 5: Einfluss und Handlungsmöglichkeiten fokussieren
Bei Themen, die auch große gesellschaftliche Transformationen notwendig machen, fallen Mitarbeiter*innen und Führungskräfte oftmals "aus ihrer Rolle" - sie diskutieren politische Entscheidungen, globale Entwicklungen, das Wirtschaftssystem, die Medien usw. und fühlen sich dementsprechend ohnmächtig und abhängig. Hilfreich ist es daher, mit Kolleg*innen Handlungsmöglichkeiten in ihrer professionellen Rolle zu klären: Was kann ich in meiner Profession (als Lehrende*r, als Bildungsmanager*in, als Techniker*in, als Verwaltungsmitarbeiter*in, als Leiter*in usw.) im Bereich Nachhaltigkeit tun? Und welche anderen Bereiche - wie beispielsweise politische Prozesse in der Gemeinde oder Konsumverhalten meiner Teilnehmenden kann ich im Rahmen meiner Rolle oder können wir als Erwachsenenbildungseinrichtung wie beeinflussen?
Tipp 6: Gefühle beachten
Transformative Prozesse sind bei den Beteiligten oftmals mit starken Emotionen wie Hilflosigkeit, Sorge oder Unsicherheit verbunden. Auch berührt das Thema gesellschaftliche Konfliktlinien und Zukunftsängste. Deshalb gilt es, nicht nur Fachwissen zu vermitteln oder sachliche Argumente vorzubringen, sondern Emotionen in Organisationsentwicklungsprozessen zu bearbeiten. In der Arbeit mit Erwachsenen können mittels Anschlusslernen auch in der eigenen Organisation bisherige Erfahrungen besprochen werden – wie sind Personen bisher mit Ängsten umgegangen, was hat bei vorangegangen Veränderungen geholfen, wo zeigen sich bereits erste gute Entwicklungen?
Einen weiteren Anhaltspunkt, wie Mitarbeiter*innen in Veränderungsprozessen sinnvoll beteiligt und begleitet werden können, bietet das "House of Change" von Claes F. Janssen (1996). In diesem Modell werden die Emotionen näher beleuchtet, die Menschen in Veränderungsprozessen durchlaufen. Die Einordnung unterschiedlicher Emotionen durch die Führungskraft und die Begleitung von Reaktionen in verschiedener Zeitlichkeit helfen dabei, den Prozess mitzugehen. Während einige Mitarbeiter*innen Veränderungen schnell mitgehen und schon bereit für die Neuerungen sind, so werden andere länger dafür brauchen sich vom Ist-Zustand zu verabschieden und wieder andere verharren im Raum der Ablehnung. Hierbei ist es hilfreich, die Veränderungsschritte im "passenden" Tempo zu begleiten und gleichzeitig die Aufmerksamkeit nicht auf die Ablehnung Einzelner zu fokussieren, sondern das Ziel und den Prozess im Auge zu behalten.
Tipp 7: Kleine Schritte, großer Unterschied
Organisationsentwicklungsprojekte im Bildungsbereich setzen gerne auf eine Strategie, die sich beschreiben lässt als "kleine Schritte, großer Unterschied". Dabei werden am Weg Richtung Nachhaltigkeit viele kleine Maßnahmen gesetzt, die in ihrer Gesamtheit dann einen großen Unterschied machen können. Das ist insofern wenig verwunderlich, als Entwicklungsprojekte oft "neben" den Kernaufgaben begonnen werden. Diese Aufgaben sind mit einer hohen Verantwortung verbunden (Bedeutung der Inhalte für die Teilnehmenden, Angewiesenheit auf Zertifikate und Abschlüsse, …) und dürfen deshalb nicht hintangestellt werden. Deshalb ist die Kleinschrittigkeit ein gangbarer Weg um die Belastung der Akteur*innen nicht überhand nehmen zu lassen.
Tipp 8: Erfolge sichtbar machen
Ein "Erfolgspolster" stellt sich ein, wenn die in den kleineren Schritten erzielten Ergebnisse sichtbar gemacht, gewürdigt und gefeiert werden. Um kleinschrittige Veränderungen langfristig abzusichern, ist die Zusammenarbeit mit dem Umfeld nützlich. Themen-Kooperationen mit anderen Bildungsanbieter*innen, mit Geldgeber*innen oder Kommunen können helfen, Transformation in Richtung einer nachhaltigen Zukunft auf eine breite Basis zu stellen.
Denn: Nachhaltigkeit geht uns wirklich alle etwas an!
Über die Autorinnen
Julia Seyss-Inquart ist Erziehungswissenschafterin und bietet als Beraterin Supervision, Kommunikationstrainings, Coaching und Prozessberatung an. Als Teilnehmerin im Projekt Klimaschutz in Training und Beratung wurde sie bei der Ich tu´s Fachtagung des Landes Steiermark als Ich tu´s Bildungspartnerin ausgezeichnet.
Andrea Widmann koordiniert das Projekt Klimaschutz in Training und Beratung gemeinsam mit Ecoversum. Das Projekt wurde 2021 mit einem nationalen Bildungsaward ausgezeichnet.
Serie zu Klima- und Umweltschutzbildung auf erwachsenenbildung.at
Hochwasser, Waldbrände, Hungersnot – Expert*innen der Klimaforschung warnen vor den Folgen extremer Wettereignisse durch den Klimawandel. Verschiedene politische Strategien wie etwa der UN-Aktionsplan Agenda 2030 versuchen, dieser Herausforderung zu begegnen. Dabei sehen sie auch Bildungsinstitutionen gefordert, Aufklärungsarbeit zu leisten, Diskurse zu ermöglichen und "grüne" Kompetenzen zu fördern. Wo setzt hier die Erwachsenenbildung an? In der Serie "Klima- und Umweltschutzbildung" versammeln wir Beiträge, die sich dieser Frage widmen und Antworten geben.
Verwandte Artikel
Basisbildung im ökologisch-digitalen Zeitalter: EBSN-Konferenz 2024
Die European Basic Skills Network Konferenz 2024 beleuchtete, wie Basisbildung zur digitalen und grünen Transformation beitragen kann.Nachhaltige Berufsbildung: didaktische Impulse aus Theorie und Praxis
In einem Sammelband diskutieren 13 Autor*innen didaktische Herausforderungen und Potenziale für die Weiterbildung in der Berufsbildung zum Thema Nachhaltigkeit.Was die Deutschen vom Klimaschutz halten und was das für die Bildung heißt
Erwachsenenbildung sollte sozioökonomische Aspekte stärker berücksichtigen und dabei unterstützen, sogenannte „Polarisierungsunternehmer*innen“ zu identifizieren. Das lässt sich aus aktuellen Studienergebnissen ableiten.Zeitschrift „Außerschulische Bildung“: Transformation als Weg aus der Krise
In der neuen Ausgabe von „Außerschulische Bildung: Zeitschrift für politische Jugend- und Erwachsenenbildung“ finden sich Beiträge zu den Herausforderungen einer sozial-ökologischen Wende.Wie Lehrende mit Widerstand und Emotion in der Klimabildung umgehen können
In der Bildungsveranstaltung soll es um Klimawandel und Klimaschutz gehen. Schnell zeigen sich feste Positionen: Den einen geht Klimaschutz nicht weit genug, die anderen wollen davon nichts wissen. Was können Lehrende tun?„Grünes“ Qualitätsmodell für die Erwachsenenbildung
Bildungsanbieter, die ihre Organisation nachhaltig führen, können dies jetzt zertifizieren lassen – mit der LQW-Nachhaltigkeitstestierung.