Interview: Die KEBÖ im Jahr 2023
In der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) versammeln sich die gesetzlich anerkannten Verbände der Erwachsenenbildung, beraten über Herausforderungen, entwickeln Bildungs-Initiativen und treten in wichtigen bildungspolitischen Fragen gemeinsam auf. Wir haben den KEBÖ-Vorsitzenden Georg Primas vom Ring Österreichischer Bildungswerke zum Interview über die brennenden Fragen und Vorhaben im heurigen Jahr gebeten.
Arbeitskräftemangel, Klimakrise und digitaler Wandel: Welche Aufgaben ergeben sich für die KEBÖ daraus?
Die genannten Herausforderungen begegnen uns derzeit täglich in den Medien. Auch die Nachwirkungen der Pandemie, der Krieg und die massive Teuerung verschärfen die allgemeine Lage.
Die Mitgliedsverbände der KEBÖ arbeiten verstärkt daran, einen Beitrag zur Lösung oder Milderung daraus resultierender Probleme zu leisten. In der KEBÖ beschäftigen wir uns generell damit, welche Kompetenzen wir brauchen, um für künftige Herausforderungen gewappnet zu sein, und wie sich diese Kompetenzen in der Erwachsenenbildung vermitteln lassen. Neben fachlichen Aspekten geht es dabei verstärkt auch um Resilienz und gesellschaftliche Teilhabe.
Die KEBÖ ist in die Digitale Kompetenz Offensive eingebunden, die unlängst lanciert wurde. Hier werden wichtige Ziele verfolgt: Einerseits sollen digitale Grundkompetenzen in der Breite der gesamten Bevölkerung gefördert werden, andererseits soll die Zahl der verfügbaren IT-Fachkräfte erhöht werden. Auch im Bereich der Green Jobs und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) werden die Angebote der KEBÖ-Einrichtungen weiter ausgebaut.
Die Europapolitik sieht Aus- und Weiterbildung durch die zahlreichen Herausforderungen gefordert und will sie durch das heurige EU-Jahr der Kompetenzen in den Fokus rücken. Wie positioniert sich die KEBÖ dazu?
Die KEBÖ begrüßt diesen Jahres-Schwerpunkt der EU grundsätzlich. Er umfasst insbesondere die in ihrer ersten Frage angesprochenen Herausforderungen. Verschärft wird die Lage auch noch durch den aktuellen demografischen Wandel, Stichwort: Baby-Boomer, die in Pension gehen.
Dennoch fehlen uns im Konzept für das Jahr der Kompetenzen gewisse Aspekte, insbesondere ein „ganzheitliches Verständnis“, das auch die enge Verbundenheit von Arbeits- und Lebenskompetenzen berücksichtigt, wie es auch der Europäische Verband für Erwachsenenbildung (EAEA) fordert.
Im „Europäischen Jahr der Kompetenzen“ gehören auch jene Skills angemessen berücksichtigt, die über den Arbeitsmarkt hinausgehen, wie etwa persönliche Kompetenzen und jene rund um Demokratiefähigkeit, Inklusion und Nachhaltigkeit. Hier zeigt sich auch der breite und vielschichtige Zugang der KEBÖ-Verbände.
Daran anknüpfend – auch auf nationaler Ebene gibt es derartige Pläne: Der neue „Just-Transition Aktionsplan für Aus- und Weiterbildung“ will mehr klimarelevante Aus- und Weiterbildung sowie eine bessere Sichtbarkeit von Green Jobs und Zugang dazu schaffen. Wie weit ist die Erwachsenenbildung hier schon?
Die Mitgliedsverbänden der KEBÖ forcieren die Qualifizierungsangebote in diesem Bereich weiterhin konsequent. Die Ausbildungsprogramme werden laufend modernisiert und weiterentwickelt. Das betrifft beispielsweise die Bereiche erneuerbare Energien, nachhaltiges Bauen und Sanieren.
Gefragt sind hier grundsätzlich durchaus „traditionelle“ Fertigkeiten, aber mit Spezial-Know-how für den Umweltsektor, wie z.B. KFZ-Fachkräfte für E-Mobilität, Fahrradmechatronik oder Photovoltaik-Installation. Weitere Grüne Bildungsangebote sind z.B. Ausbildungen zur Öko-Energietechniker*in oder ein Lehrgang für integrales Gebäude- und Energiemanagement.
Viel Zukunftspotential steckt jedenfalls in der hohen Beliebtheit grüner Lehrberufe, die in Umfragen ermittelt wurde. Interessierte können mit ihrer Berufswahl einen sinnvollen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten und haben mit ihren Green Jobs darüber hinaus eine zukunftssichere Arbeitsstelle.
Bei der Umsetzung solcher Vorhaben stellt sich auch immer die Frage nach der Finanzierung. Und auch da soll es Neuerungen geben: Das aktuelle Regierungsprogramm sieht vor, erstmals seit 1973 die gesetzliche Grundlage der Erwachsenenbildung aufzumachen und das EB-Förderungsgesetz weiterzuentwickeln. Gibt es hier Kontakt mit der KEBÖ und was erwartet die KEBÖ von einem neuen Gesetz?
Zunächst einmal: Um Finanzierbarkeit und Planungssicherheit für die bundesweiten, flächendeckenden und hochwertigen Bildungsangebote zu gewährleisten, setzt sich die KEBÖ weiterhin für eine ausreichende Dotierung der Erwachsenenbildung hinsichtlich der Fördermittel des Bildungsministeriums ein. Eine leichte Erhöhung ist für 2022-2023 bereits gelungen, aber die Erwachsenenbildung braucht noch weitere Mittel, insbesondere, wenn man die enorme Teuerung berücksichtigt.
Zur Gesetzeswerdung gab es erste, noch wenig konkrete Vorgespräche mit Vertreter*innen des Bildungsministeriums. Zum bestehenden EB-Förderungsgesetz ist zu sagen, dass es auch schon in der Vergangenheit Eingriffe gegeben hat – wie beispielsweise durch die Abschaffung der Förderungsstellen des Bundes vor rund 20 Jahren. Wir begrüßen eine Neufassung der gesetzlichen Grundlagen mit dem Ziel, die Erwachsenenbildung zu stärken und als gleichwertigen Teil des Bildungssystems zu verankern.
Das aktuelle Gesetz ermöglicht eine große Breite, Vielfalt und Freiheit der Erwachsenenbildung und ist auf ein konstruktives Kooperationsverhältnis mit den gemeinnützigen Erwachsenenbildungsverbänden ausgelegt. Das hat sich in der Vergangenheit sehr bewährt, da die erwachsenenbildungspolitischen Schwerpunkte und Initiativen immer gemeinsam entwickelt und festgelegt wurden.
Aus Sicht der KEBÖ ist kritisch zu beurteilen, dass kein rechtlicher Förderanspruch festgeschrieben ist und auch keine Regelung hinsichtlich des Ausmaßes der Mittel im Gesetz zu finden ist. Derzeit betragen die Fördermittel für die Erwachsenenbildung lediglich rund 0,4% der gesamten Bildungsausgaben des Bundes. Eine langjährige Forderung der KEBÖ ist die Erhöhung auf 1%.
Welche weiteren Aufgaben und Herausforderungen stellen sich heuer für die KEBÖ und welche thematischen Schwerpunkte verfolgt sie?
Weitere Themen bei denen sich die KEBÖ derzeit aktiv einbringt sind Verbesserungen bei der Berufsreifeprüfung, um den akuten Mangel an geeignetem Lehr- und Prüfungspersonal zu entschärfen. Die KEBÖ setzt sich auch für eine angemessene Anpassung bei der Bundesrichtlinie zur Abgeltung von Personal- und Sachaufwendungen bei Bildungsträgern ein. Die in der Richtlinie vorgesehene Gemeinkostenpauschale wurde seit 20 Jahren nicht mehr erhöht und sollte aufgrund der enormen Teuerung dringend angepasst werden.
Ein inhaltlicher Schwerpunkt der KEBÖ ist schon seit Langem die Demokratie- und Wissenschaftsvermittlung. Dieses Thema hat durch die gesellschaftlichen Entwicklungen während der Corona-Pandemie viel Brisanz gewonnen. Einzelne Mitgliedsverbände bauen hier ihre Angebote konkret aus. Auch Bundesminister Martin Polaschek hat hierzu aufgerufen.
Geplant sind weiters Gespräche mit dem BMBWF über eine Nachfolge für die „LLL-Strategie 2020“, Strategie für Lebenslanges Lernen. Es gibt also auch 2023 viel zu tun.
Ich darf an dieser Stelle nochmal daran erinnern, dass die laufenden Fördervereinbarungen mit dem BMBWF nur bis Ende des Jahres gelten. Das bedeutet, dass der KEBÖ als Interessenvertretung die Herausforderung der nächsten Verhandlungen für die Förderperiode 2024-26 ins Haus stehen. Wir erwarten weitere konstruktive Schritte in Richtung einer soliden Finanzierung der Erwachsenenbildung.
Welche Termine kann man sich schon vormerken?
Halten Sie sich den 29. Juni 2023 frei: Da wird die Verleihung der 55. Fernsehpreise der Erwachsenenbildung stattfinden. In vier Kategorien werden die heurigen Gewinner*innen präsentiert. Darüber hinaus wird der der „Oscar der Erwachsenenbildung“ – der renommierte Axel-Corti-Preis verliehen. Wir dürfen gespannt sein!
Am 28. September laden wir zur KEBÖ-Jahrestagung 2023 ein. Der inhaltliche Fokus der diesjährigen Tagung wird gerade erarbeitet. Das „Save the Date“ und die Einladung erfolgen u.A. auch wieder über die Plattform erwachsenenbildung.at. Wir freuen uns auf einen spannenden fachlichen Austausch im Herbst.
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