Was das neue Regierungsprogramm für die Erwachsenenbildung bringt

08.01.2020, Text: Wilfried Frei und Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Die Arbeitsübereinkunft von ÖVP und Grünen beinhaltet eine Überraschung: Die gesetzliche Grundlage der Erwachsenenbildung soll neugefasst werden.
Das Regierungsprogramm sieht eine Erneuerung des Förderungsgesetzes und die Weiterentwicklung der Strategie für lebenslanges Lernen vor.
Foto: CC BY, CONEDU, auf erwachsenenbildung.at
ÖVP und Grüne haben vor wenigen Tagen das Programm für die kommende Regierungsperiode 2020 bis 2024 veröffentlicht. Darin sind einige Agenden die Erwachsenenbildung betreffend explizit erkennbar. Dazu gehören zunächst eine Erneuerung des Förderungsgesetzes und die Weiterentwicklung der Strategie für lebenslanges Lernen sowie der Leistungsvereinbarungen zwischen dem Bund und den Verbänden der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ). Die Initiative Erwachsenenbildung mit Angeboten im Bereich der Basisbildung und des Pflichtschulabschlusses für Erwachsene bleibt auf der politischen Agenda. Die bereits beschlossene Validierungsstrategie soll jetzt umgesetzt werden. MigrantInnen bleiben eine fokussierte Zielgruppe im Rahmen der Arbeitsmarktintegration, arbeitsplatznahe Qualifizierung soll gefördert und öffentliche Bibliotheken gestärkt werden.

EB-Förderungsgesetz und Leistungsvereinbarungen sollen weiterentwickelt werden

Lebensbegleitendes Lernen soll im Bildungssystem gestärkt werden. Erstmals seit 1973 wird dazu die gesetzliche Grundlage aufgemacht und soll weiterentwickelt werden. Damit verbunden wird eine stärker strategische Ausrichtung und Steuerung der Erwachsenenbildung in Österreich. Die Evaluierung von Bildungsangeboten, Qualitätssicherungsmaßnahmen und Entwicklung eines Anforderungskatalogs (z.B. Lernunterstützung für Menschen mit Beeinträchtigung) sind weitere Ziele laut Regierungsprogramm (siehe S. 302).

 

Auch die Leistungsvereinbarungen, die bisher alle drei Jahre zwischen dem Bildungsministerium und den Verbänden der KEBÖ abgeschlossen wurden, sollen in der kommenden Regierungsperiode weiterentwickelt werden. Wie das konkret aussehen kann, verrät das Programm noch nicht, von "möglichen Valorisierungen" ist aber die Rede (siehe S. 302).

Basisbildung und Initiative Erwachsenenbildung bleiben auf der Agenda

Ein Schwerpunkt der letzten Jahre, nämlich die Initiative Erwachsenenbildung mit ihrem Angebot in der Basisbildung, wird laut dem Regierungsprogramm fortgesetzt. Zudem sollen durch eine verstärkte Verwendung der Mittel aus der Vereinbarung nach Art. 15a B-VG zur Erwachsenenbildung Möglichkeiten zum Nachholen von Pflichtschulabschlüssen ausgebaut werden (siehe S. 205). Insgesamt steht eine Weiterentwicklung der Initiative Erwachsenenbildung auf dem Plan (siehe S. 302), wobei hierzu noch keine konkreten Angaben gemacht wurden.

LLL-Strategie soll weiterentwickelt und Validierungsstrategie umgesetzt werden

Neuen Schwung soll es für die in vergangenen Jahren in den Hintergrund getretene Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich (LLL:2020) geben, die sogenannten "LLL-Strategie". Sie soll in einem partizipativen Prozess weiterentwickelt werden - unter Einbeziehung der hochschulischen Weiterbildung und mit Fokus auf die Integration der unterschiedlichen Bereiche - womit wohl die unterschiedlichen Bereiche des Bildungssystems und die hierfür zuständigen Einrichtungen gemeint sein dürften (siehe S. 302 und S. 308).

 

Auch die Validierung will man wieder vor den Vorhang holen. Die bereits 2017 beschlossene Validierungsstrategie, die darauf ausgerichtet ist, nicht-formale und informell erworbene Kenntnisse und Kompetenzen anzuerkennen, soll jetzt umgesetzt werden (siehe S. 302).

Weiterentwicklung des digitalen Kompetenzmodells für Österreich

An zahlreichen Stellen im Regierungsprogramm sind Vorhaben rund um die Digitalisierung zu finden. Für die Erwachsenenbildung dürfte vor allem die Erwähnung des europäischen Referenzrahmens für digitale Kompetenzen der BürgerInnen "DigComp" folgenreich sein. Dieser hat das Ziel, digitale Fähigkeiten mess- und vergleichbar zu machen. Der daran angelehnte nationale Referenzrahmen soll in der laufenden Regierungsperiode eingeführt und weiterentwickelt werden (siehe S. 320).

 

Für kleine und mittlere Unternehmen will die Regierung eine zusätzliche Möglichkeit zur Unterstützung der digitalen Weiterbildung von Personal und UnternehmerInnen durch einen sogenannten Bildungsscheck prüfen (siehe S. 323).

Qualifizierung am Arbeitsplatz im Fokus

Für WiedereinsteigerInnen und jene, die schon über lange Zeit arbeitssuchend sind, will die Regierung "Qualifizierungsschecks" einführen. Ziel soll sein, dass Unternehmen dadurch gezielt Weiterbildung finanzieren können (siehe S. 96).

 

Bei der AMS-Maßnahme "Arbeitsplatznahe Qualifizierung" sollen die Schulungen verstärkt in Kooperation mit den Unternehmen stattfinden (siehe S. 259). Diese Maßnahme hat das Ziel Unternehmen mit Personalbedarf und arbeitssuchende Personen, die keine oder keine verwertbare Ausbildung haben, zusammenzubringen und Qualifizierung zu ermöglichen.

 

Im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt nennt das Regierungsprogramm auch Frauen als Zielgruppe von Erwachsenenbildung. Hier will die Regierung Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bieten, um Frauen am Arbeitsmarkt gleichzustellen (siehe S. 274). Forciert wird eine bessere individuelle Unterstützung von Frauen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt, familienfreundliche Bildungsmöglichkeiten sowie die Förderung im Rahmen von Mentoring-Programmen (siehe S. 205).

Deutschkurse für MigrantInnen und Ausbau des DaF-/DaZ-Studiums

In Sachen Arbeitsmarktintegration von Asylberechtigten will die Regierung verstärkt auf modulare Qualifizierung setzen und Qualifizierungsprogramme für MigrantInnen sowie Deutschangebote ausweiten bzw. stärken (siehe S. 207, 246, 260). Für zugewanderte Frauen will man vermehrt Deutsch- und Alphabetisierungskurse mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten anbieten (siehe S. 205). Geplant ist außerdem eine Aus- und Weiterbildungsoffensive für PädagogInnen: das Studium für Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache soll bedarfsgerecht ausgebaut werden (siehe S. 291).

Bibliotheksentwicklungskonzept und Stärkung der Bibliotheken geplant

Unter Einbeziehung der Länder, Gemeinden und Trägerorganisationen soll in der kommenden Regierungsperiode ein Bibliotheksentwicklungskonzept entstehen, in dem der öffentliche Auftrag an die Bibliotheken formuliert wird (siehe S. 302). Insgesamt wird eine flächendeckende Grundversorgung öffentlicher Bibliotheken forciert. Die Unterstützung der Weiterbildung von (ehrenamtlichen) MitarbeiterInnen, vereinfachte Verfahren bei Lizenzvergaben und ein sogenannter Kulturpass für Menschen mit finanziellen Engpässen sind u.a. Ziele im Programm (siehe S. 52).

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