Das war die Konferenz des Europäischen Basisbildungsnetzwerks EBSN
"Bei der EBSN Konferenz die Gastgeberrolle übernehmen zu können war für Österreich eine gute Gelegenheit auf die eigenen Erfolge aufmerksam zu machen und sich dadurch im europäischen Raum als kompetenter Partner zu positionieren. Gerade in den letzten Jahren gab es in Österreich im Bereich der Professionalisierung, insbesondere für in der Basisbildung Tätige, große Fortschritte zu verzeichnen, die in diesem Format den europäischen Kolleg*innen nähergebracht werden konnten," so Eileen Mirzabaegi von der Abteilung Erwachsenenbildung im BMBWF und John Evers vom Verband Österreichischer Volkshochulen (VÖV).
Gleich zu Beginn der Konferenz wurde deutlich, dass man für das Veranstaltungs-Motto "Learning from the past" in Österreich viele Jahre der Erfahrung mit Basisbildung heranziehen kann. So eröffnete Doris Wyskitensky (BMBWF) die Konferenz mit Einblicken in die lange Tradition der Basisbildung in Österreich, die bereits in den 1990er Jahren mit ersten Vorbereitungsarbeiten für Kursangebote in Wien begonnen hatte. John Evers (VÖV) nahm außerdem die Lernziele für die Konferenz vorweg: "Initiative Erwachsenenbildung" und "Volkshochschule" seien die beiden Wörter, die man am Ende der Veranstaltung kennen sollte.
Hier ein Einblick in die Beiträge aus Österreich:
Initiative Erwachsenenbildung: Immer mehr Personen nehmen teil
Ingrid Kemper (Initiative Erwachsenenbildung – IEB) gab Einblick in die IEB, die Jugendliche und Erwachsene dabei unterstützt, Basiskompetenzen zu erwerben bzw. die Pflichtschule abzuschließen.
Sie zeigte auf, dass die Kurs-Teilnahmen im Rahmen der Initiative in beiden Programmbereichen – Basisbildung und Pflichtschulabschluss – stetig zugenommen haben (bei ebenfalls wachsenden Angeboten und Budget). Waren es zwischen 2012 und 2014 noch 11.122 erfolgreiche Kursabschlüsse in der Basisbildung, sind es zwischen 2018 und 2021 schon 21.972. Die Steigerung zeigt sich auch bei den erfolgreichen Teilnahmen zum Erreichen des Pflichtschulabschlusses – diese stiegen von 2.020 zwischen den Jahren 2012 und 2014 auf 4.852 zwischen 2018 und 2021.
Kemper zeigte auf, dass in Angeboten der Basisbildung mehr Frauen teilnehmen als Männer, so betrug der Frauenanteil im Jahr 2020 67,2%. Bei Angeboten zum Erreichen des Pflichtschulabschlusses nehmen hingegen mehr Männer als Frauen teil, so waren im Jahr 2020 58,1% der Teilnehmenden männlich. In beiden Programmbereichen lag der Anteil der Teilnehmer*innen mit Migrationshintergrund 2020 bei über 80%.
Curriculum Basisbildung
Friederike Weber, Prospect Unternehmensberatung GmbH und Mitglied der IEB-Akkreditierungsgruppe, gab Einblick in das Curriculum Basisbildung, das vor Kurzem nach einer Pilotphase in einem partizipativen Prozess (mit Trainer*innen und Expert*innen) überarbeitet wurde. Demnach geht es in der Basisbildung darum, folgende Kompetenzen zu fördern:
- Lernkompetenzen
- Sprechen, Lesen, Schreiben in Deutsch (Grundlagen)
- mathematische Kompetenzen
- digitale Kompetenzen
- Sprechen, Lesen, Schreiben in einer weiteren Sprache (Grundlagen).
Für die Lernergebnisse wurden, mit Ausnahme von Deutsch als Zweitsprache, 5 Stufen definiert. Bei den Stufen 1 bis 3 (mit Ausnahme von Deutsch als Zweitsprache) handelt es sich um solche, die für grundlegende Orientierung im Alltag und für Partizipation wesentlich sind und, je höher die Stufe, eine immer bessere Alltagsbewältigung ermöglichen. Mit der vorletzten Stufe wird ein Niveau erreicht, das eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme in einen Lehrgang zur Pflichtschulabschlussqualifikation (PSA) bietet. Das höchste Niveau ist vergleichbar mit dem Kompetenzniveau am Ende der Sekundarstufe I. Entsprechend dem individuellen Lernbedarf sind unterschiedliche Standards innerhalb und zwischen den Kompetenzbereichen kombinierbar.
Life Skills: Einblick in ein EU-Projekt
Andreas Koreimann (OeaD) gab Einblick in die EPALE-Konferenz über Life Skills vom 24. März 2022. Dabei stellte er das Projekt Life Skills for Europe vor, welches das Ziel hatte, das Basisbildungsangebot in Europa zu verbessern, indem der Life-Skills-Ansatz weiterentwickelt wird. Das Projekt lief bis 2018 und hat u.a. folgende Ergebnisse erzielt: Eine Sammlung von Good-Practices und Tools zur Förderung von Life Skills sowie einen Kompetenz-Rahmen. Dieser definiert acht Schlüsselkompetenzen, die für eine aktive Teilnahme am Leben und an der Arbeit erforderlich sind.
Basisbildung: Wen man erreicht
Danach gab Angelika Hrubesch (VHS Wien) Einblick in das Thema Life Skills in der österreichischen Basisbildung. Sie verwies auf PIAAC und zeigte auf, dass unter denjenigen, die niedrige Basiskompetenzen haben, 58,5% Personen sind, deren Erstsprache Deutsch ist. Bei den Kursteilnahmen in der Basisbildung ist dies jedoch anders, so Hrubesch: Dort erreicht man vor allem jene, die nicht Deutsch als Erstsprache haben. Womöglich liege das daran, dass Personen mit Erstsprache Deutsch bereits negative Schulerfahrungen von früher haben und auch der Schameffekt höher ist, erklärte Hrubesch.
Weiters zeigte Hrubesch, dass laut PIAAC 60% der Menschen mit Basisbildungsbedarf einer Arbeit nachgehen, in den Kursen erreiche man jedoch v.a. die Arbeitssuchenden. Diese schwer zu erreichenden Gruppen für Basisbildung zu gewinnen, gelte als besondere Herausforderung.
Qualifikationsprofil für Basisbildner*innen
Irmgard Stieglmayer und Giselheid Wagner (wba) stellten das Qualifikationsprofil Basisbildner*in (PDF) vor. Seit heurigem Frühjahr liegen mit dem Profil erstmals lernergebnisorientierte Beschreibungen der Kompetenzen vor, die Basisbildner*innen brauchen:
- Allgemeine didaktische Kompetenz
- Fachdidaktische Kompetenz
- Fachkompetenz (u.a. Sprache, Mathematik, digitale Kompetenz)
- Bildungstheoretische Kompetenz
- Soziale und Personale Kompetenz
Über eine Anerkennung mit dem wba-Zertifikat "Zertifizierte/r Basisbildner/in" oder mit einem Lehrgang für Basisbildner*innen, der auf Grundlage des Qualifikationsprofils entwickelt wurde und von der Initiative Erwachsenenbildung akkreditiert ist.
Digitalisierung in der Basisbildung: Erfahrungen aus den Volkshochschulen
Über Erfahrung mit Distance Learning und Digitalisierung in der Basisbildung berichteten John Evers (VÖV) und Angelika Hrubesch (VHS Wien). Sie zeigten auf, dass im Jahr 2019/2020 rund 20% des regulären Kursprogramms online stattgefunden hat. Die meisten der Teilnehmer*innen hatten einen Uni-Abschluss. Ganz anders sah das für die Basisbildung aus: Dort haben 2020 zwischen 70% und 80% der Kurse online stattgefunden. Insgesamt zeigte sich, dass man neue Teilnehmer*innen durch das Online-Angebot gewonnen hat, andere hat man aber auch verloren.
Evers und Hrubesch berichteten, dass die Volkshochschulen verschiedene Projekte ins Leben gerufen haben, um jene Menschen mit Bildungsangeboten zu erreichen, die geringe digitale Kompetenzen haben. Dies sind u.a. folgende Projekte:
- Digital Village: In Innenhöfen von Gemeindebauten können Bewohner*innen mit ihren Anliegen rund um Digitalisierung kommen, um gemeinsam Lösungen zu suchen.
- Digitale Grundbildung für (ehemalige) Wohnungslose
- Digi-Snacks: Weiterbildungsbausteine für die Mitarbeiter*innen der Volkshochschulen
Angesichts der zuletzt raschen Entwicklungen rund um digitale Technologien sehen Evers und Hrubesch ein paar To Do’s für die Basisbildung, die sie bei der Konferenz thematisierten. So gelte es Curricula zu prüfen und ggf. anzupassen, damit diese die Bedarfe der Lernenden weiterhin gut adressieren. Außerdem gehe es darum, pädagogische Ziele und Grundsätze beim Einsatz digitaler Medien für das Lernen zu reflektieren und ggf. zu überdenken. Als weiteren Punkt nannte Hrubesch, dass es wichtig sei, über die Kernelemente von Basisbildung zu reflektieren. So können bspw. digitale Fähigkeiten andere Grundkompetenzen wie Lese- und Schreibfähigkeiten nicht ersetzen. Dennoch gebe es Entwicklungen, die zu berücksichtigen sind, z.B. dass digitale Technologien wie KI oder Übersetzungsprogramme unterstützend sein können.
EBSN-Konferenz-Deklaration weiterentwickelt
Jedes Jahr passt das Basisbildungsnetzwerk gemeinsam mit den Konferenz-teilnehmer*innen die EBSN-Deklaration (PDF) an die veränderten Anforderungen und Gegebenheiten der Basisbildung an. Auch heuer konnten die Teilnehmer*innen in Online- und Präsenzgruppen an der Deklaration weiterarbeiten. Bei der heurigen Deklaration stehen Basiskompetenzen weiterhin im Mittelpunkt, werden aber durch Life Skills erweitert: Basiskompetenzen sollen demnach in einem Kontext erworben werden, der Life Skills (wie u.a. Gesundheits- oder Nachhaltigkeitskompetenzen) anerkennt und entwickelt, so die Deklaration.
Alle Keynotes und Workshops zum Nachsehen
EBSN hat alle Keynotes für die Online-Teilnehmer*innen live gestreamt. Nun stehen sie zum Nachsehen und -hören auch für jene bereit, die nicht teilnehmen konnten. Auch vier der insgesamt sechs Präsenz-Workshops wurden live für die Online-Teilnehmenden gestreamt. Die Veranstalter*innen haben alle Workshops aufgezeichnet - auch sie stehen zum Nachsehen zur Verfügung.
Das waren die Keynotes und Workshops:
- Initiative Erwachsenenbildung (IEB) und Curriculum Basisbildung, von Ingrid Kemper (IEB) und Friederike Weber (Prospect Unternehmensberatung GmbH)
- Basiskompetenzen in der Neuen Agenda für Erwachsenenbildung, von Sofie Doškářová (Europäische Kommission)
- Basiskompetenzen am Arbeitsplatz im Kontext von Digitalisierung und Automatisierung, von Cäcilia Märki (Schweizerischer Verband für Weiterbildung – SVEB)
- Neuausrichtung von Politik und Pädagogik: Das "Post16 Phonics Toolkit" als Modell für die zukünftige Arbeit; von Sam Duncan (International Literacy Centre)
- Erweiterung der Forschungsbasis über den Einsatz von Technologie in Basisbildungsprogrammen für Erwachsene, von Judith A. Alamprese (Abt. Associates, USA)
- Finanzielle und Rechenkompetenzen: Basiskompetenzen sind 2030 wichtig? Und wie können wir sie vermitteln? Von Kees Hoogland (University of Applied Sciences Utrecht)
- MONETTO: Financial Literacy und Game-Based Learning (PDF), von Monika Tröster (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung)
- Aus Erfahrung und voneinander lernen: Taith - Das neue internationale Austauschprogramm von Wales, von Calvin Lees (Learning and Work Institut)
- Lehren aus der Covid-Krise, von Antra Carlsen & Helena Ahonen (Nordic Network for Adult Learning)
- Selbstgesteuertes Lernen: die "neue Normalität", von Satya Brink (unabhängige Forscherin in Kanada und an der Universität Jönköping)
- "Lessons learnt": Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Lehrende in der beruflichen Bildung, von Entela Gjyla (Forscherin und Beraterin)
- Qualifizierung in der Basisbildung, von Adi Konedareva (Prios Kompetanse)
- Life Skills im Mittelpunkt der Erwachsenenbildung, von Andreas Koreimann (OeAD/EPALE)
- Social Justice in der Arbeit mit erwachsenen Migrant*innen, von Simona Herczeg (Romanian Institute of Adult Education)
- Forschungserkenntnisse über Online-Kompetenzchecks, Selbsteinschätzungs- und Screening-Tools, von Alex Stevenson (National Learning and Work Institute)
- Anpassung der CITO-Selbstbewertungsinstrumente, von Elaine Cohalan (National Adult Literacy Agency)
- Qualifikationsprofil für Trainer*innen in der Basisbildung, von Irmgard Stieglmayer und Giselheid Wagner (wba)
- Distance Learning und Digitalisierung in der Basisbildung, von John Evers (VÖV) und Angelika Hrubesch (VHS Wien)
- Professionalisierung für Trainer*innen in der Basisbildung: EBSN-Online-Kurse, von Zoltán Várkonyi und Helen Murphy (South-East Technical University, Waterford)
- Podiumsdiskussion mit Sofie Doškářová (Europäische Kommission), Judith A. Alamprese (Abt. Associates), Erno Hyvönen (Bildungsministerium Finnland), John Evers (VÖV)
Zur Übersicht über Keynote-Speaker, Programmpunkte, Konferenz-Unterlagen sowie zum Kommentieren der Konferenz-Inhalte stellten die Veranstalter*innen zudem ein Padlet zur Verfügung.
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