Stimmen zur Weiterbildungszeit: Was die Erwachsenenbildung darüber sagt

05.06.2025, Text: Antonia Unterholzer, Redaktion/CONEDU
Die Weiterbildungszeit soll die Bildungskarenz ablösen – mit neuen Zielgruppen, verpflichtender Bildungsberatung, aber auch weniger Budget. Expert*innen aus der Erwachsenenbildung nehmen Stellung zum Reformvorhaben.
Die Expert*innen begrüßen die Reform, weisen jedoch gleichzeitig auf Herausforderungen hin.
Grafik: , KI-generiert von CONEDU mit ChatGPT 4o, Promptdialog, auf erwachsenenbildung.at

Im April beschloss der Ministerrat das Aus für die Bildungskarenz und stellte das neue Modell der „Weiterbildungszeit“ vor. Wir berichteten über die wichtigsten Änderungen. Um sich einen Überblick über die Meinungsspektren und offenen Fragen zu verschaffen, hat die Redaktion von erwachsenenbildung.at Stimmen relevanter Akteur*innen der Erwachsenenbildung eingeholt.

Ende April 2025 bat die Redaktion von CONEDU Akteur*innen der österreichischen Erwachsenenbildung um eine Stellungnahme zum Thema. Antworten erhielt sie von Bildungswissenschaftlerin Elke Gruber und von Tatjana Baborek, Leiterin des WIFI Österreich. Die Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) hat eine öffentliche Stellungnahme zur Thematik abgegeben, deren Standpunkte von der Redaktion mit einbezogen wurden. Die Arbeiterkammer hat eine Stellungnahme abgelehnt.

Adressierung neuer Zielgruppen als wichtiger Schritt für mehr Zugänglichkeit in der Erwachsenenbildung

Im Rahmen der Weiterbildungszeit soll eine Änderung in Bezug auf den Tagsatz erfolgen: Dieser soll von 14,50 Euro auf 32 Euro angehoben werden, um Menschen mit geringem Einkommen die Teilnahme zu ermöglichen.

Elke Gruber, Professorin für Erwachsenen- und Weiterbildung an der Universität Graz, und auch die KEBÖ begrüßen, dass niedriger qualifizierte Personen im Reformvorhaben stärker adressiert werden. Auch Tatjana Baborek bezeichnet die Erhöhung des Tagsatzes als Schritt in die richtige Richtung. Für die Erwachsenenbildung sei es entscheidend, die Angebote an die unterschiedlichen Zielgruppen anzupassen, so Baborek. Einigkeit besteht auch dahingehend: Die angekündigte deutliche Erhöhung des Mindestbetrags sei ein bedeutender Schritt, um Menschen mit weniger Einkommen den Zugang zu Bildungsmaßnahmen zu erleichtern.

Neue Zielgruppen bringen aber neue Herausforderungen mit sich

Um die vielfältigen Bedürfnisse der Lernenden angemessen abzudecken, müsse die Reform weiterhin methodisch-didaktisch sinnvolle, flexible und barrierearme Weiterbildungsmodelle ermöglichen, merkt Baborek an. Das bedeutet, dass sowohl Präsenzlernen in der Gruppe als auch digitale Formate und individuell gestaltbare Selbstlernphasen als geeignete Lernformen anerkannt werden sollten.

Gruber stellt kritisch fest, dass die Erwachsenenbildung seit Jahren damit konfrontiert ist, dass niedriger qualifizierte Personen weniger von Weiterbildungsangeboten erreicht werden. Das werde sich nicht von heute auf morgen ändern. Hier müsse verstärkt auf begleitende Maßnahmen wie niederschwellige Bildungsberatung gesetzt werden.

Vorteile für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen

Das Modell der Weiterbildungszeit kann sowohl für Arbeitgeber*innen als auch für Arbeitnehmer*innen Vorteile bringen, so Institutsleiterin des WIFI-Österreich Tatjana Baborek. Der Fachkräftemangel bleibt eine zentrale Herausforderung für die österreichische Wirtschaft, und Weiterbildung scheitert häufig an fehlender Zeit und finanziellen Ressourcen – ein Problem, das die Bildungskarenz bisher erfolgreich adressiert hat.

Ein Nachfolgeprodukt, das auf kompetenzorientierte berufliche Weiterbildung setzt, bietet laut Baborek erhebliche Vorteile für Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen. Es trägt zur Fachkräftesicherung bei, schließt Qualifikationslücken auf dem Arbeitsmarkt und stärkt die Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden, sind weiterhin flexible und praxisorientierte Qualifizierungs- und Fördermodelle notwendig. Die Reform hat das Potenzial, die Qualifikationen der Arbeitssuchenden besser mit den Anforderungen offener Stellen in Einklang zu bringen, so Baborek.

Politische, soziale und wirtschaftliche Bildung muss erhalten bleiben

Neben der beruflichen Qualifizierung sollte im Rahmen der Weiterbildungszeit auch weiterhin Raum für die Förderung von Fähigkeiten zu verantwortungsbewusstem Urteilen und Handeln sowie für die Entfaltung persönlicher Potenziale bleiben, so die KEBÖ. Dies sei insofern relevant, da sogenannte transversale Kompetenzen – also Kompetenzen, die kognitive, organisatorische, soziale und emotionale Fähigkeiten miteinbeziehen – auch in der Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Solche Kompetenzen sind neue Anforderungen in der modernen Arbeitswelt, ergänzt Gruber. Diese liegen an der Schnittstelle von beruflicher, sozialer und persönlichkeitsorientierter Weiterbildung. Mögliche Angebote dürften sich daher nicht zu sehr auf berufliche Qualifikationen beschränken, empfiehlt Gruber.

Auch Baborek sieht hier eine wesentliche Herausforderung: „Die Reform muss die Bedürfnisse von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen ausbalancieren und Weiterbildung, betriebliche Anforderungen sowie arbeitsmarktpolitische Ziele miteinander vereinbaren. Dies ist aus der Perspektive der beruflichen Erwachsenenbildung und für uns WIFIs als führenden Anbieter praxisorientierter, arbeitsmarktrelevanter Qualifizierung besonders wichtig“, so Baborek.

Reduzierung der öffentlichen Budgetmittel bereitet der Erwachsenenbildung Sorgen

Die KEBÖ sieht in ihrer Presseaussendung die geplante Budgetgrenze von jährlich 150 Millionen Euro als bedenklich, da noch unklar sei, wie die Verteilung geregelt werden soll. Welche Kriterien entscheiden über die Zulassung von Personen zur Weiterbildungszeit? Wird es ein first-come-first-serve-Prinzip geben?

Ähnliche Bedenken hat Gruber. Auch wenn sie inhaltliche Reformschritte nachvollziehen könne, sei die Reduzierung der öffentlichen Budgetmittel problematisch. Die Anzahl der Menschen, die die Weiterbildungszeit in Anspruch nehmen können, würde sich dadurch deutlich reduzieren, so Gruber. Wenn es aber gleichzeitig gelingt, eine andere Zielgruppe zu erreichen, wäre dies freilich bildungspolitisch ein wichtiger Schritt – es gilt jedoch zu beobachten, ob hier nicht nur Lippenbekenntnisse vorliegen.

Strukturelle Bedingungen dürfen nicht ausgeblendet werden

Auch zum Thema Elternkarenz äußert sich Elke Gruber im Hinblick auf die Reform: Es sei nachvollziehbar, dass die Weiterbildungszeit nicht mehr direkt an die Elternzeit anschließbar ist, so Gruber. Gerade für Frauen sei es jedoch schwierig, nach der Karenz wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, vor allem aufgrund fehlender Kinderbetreuungsplätze. Dieses Dilemma könne aus ihrer Sicht aber nicht durch die Bildungskarenz gelöst werden. Vielmehr brauche es ausreichende infrastrukturelle Voraussetzungen, die Frauen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben unterstützen.

KEBÖ fordert Qualitätssicherung und stärkere Einbindung der Erwachsenenbildung

Ein zentrales Anliegen der KEBÖ ist die Qualitätssicherung: Bildungsanbieter im nicht-schulischen und nicht-hochschulischen Bereich sollten verpflichtend über ein gültiges Ö-Cert Qualitätszertifikat verfügen, so die KEBÖ in ihrer Presseaussendung. Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Sicherstellung hochwertiger Weiterbildungsangebote.

Die KEBÖ begrüßt die geplante Reform als sinnvolle Alternative zur vollständigen Abschaffung der Bildungskarenz. Gleichzeitig fordert sie, dass die Grundsätze des Erwachsenenbildungs-Förderungsgesetzes konsequent berücksichtigt werden. Um eine Reform im Sinne der Erwachsenenbildung zu gewährleisten, spricht sich die KEBÖ für eine enge Zusammenarbeit mit den Reform-Verantwortlichen aus. Der KEBÖ-Vorsitzende Bernd Wachter betont, dass die KEBÖ offen für Dialog und Mitgestaltung sei.

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