Zeit und Erwachsenenbildung: Neue Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at
Diesen und noch 14 weitere Beiträge finden Sie jetzt in der Ausgabe 41 des "Magazin erwachsenenbildung.at". Die Autorinnen und Autoren diskutieren darin, was "die Zeit" sowohl in ihrer subjektiv-biographischen als auch ihrer gesellschaftlichen Dimensionen für die Erwachsenenbildung bedeutet, und welche Schlüsse wir daraus für unseren Umgang mit Zeit und die zeitliche Gestaltung von Erwachsenenbildung ziehen können.
An dieser Stelle ein Veranstaltungshinweis: Bei einem wEBtalk am 18. Jänner 2021 diskutieren wir das Thema nochmals live.
Hier drei Beispiele aus dem Potpourri an Zugängen aus der Ausgabe, die die beiden Erwachsenenbildungsforscherinnen Elke Gruber und Christine Zeuner herausgegeben haben:
Irgendwann ist genug
Der Zeitforscher, Autor und emeritierte Professor für Wirtschaftspädagogik Karlheinz A. Geißler beschreibt im Gespräch mit Wilfried Frei kollektive Lernprozesse im Umgang mit den Zeitdynamiken des "Coronajahres" 2020. Den Wegfall der zeitgebenden Institutionen im Lockdown, wie Schule, Arbeit oder Weiterbildung, deutet Geißler als Lerngelegenheit für einen selbstbestimmten Umgang mit Zeit. Die Endlichkeit des Menschen beschreibt er als Chance, vom Takt der Uhrzeit hin zu einem persönlichen Rhythmus zu finden.
Dies gelinge, indem man Verzicht übt. Indem wir nämlich gelernt haben, Zeit in Uhrzeit zu verrechnen, können wir kein Genug mehr akzeptieren, so Geißler. Die Uhrzeit geht immer weiter, hört nie auf. Viele Probleme unserer Gesellschaft, wie z.B. die Klimakatastrophe, ergeben sich daraus, dass wir keine Messgröße mehr haben, die uns ein Genug signalisiert, führt der Zeitforscher aus. Das gelte auch für die Erwachsenen- und Weiterbildung. Auch sie braucht einen Rhythmus, einen Anfang und ein Ende. "Irgendwann ist genug" – so das Fazit Geißlers.
Entschleunigung? Ja – aber nur für Privilegierte
Entschleunigung spricht jene an, die sich Entschleunigung sowieso schon leisten können, beschreibt der Erwachsenenbildner Christian Hanser in seinem Beitrag: Entschleunigung reduziert sich dann auf Statusbestätigung, und es geht nicht mehr um eine gesellschaftliche Transformation. Wenn das Innehalten nur als Wochenendseminar-tauglicher Resilienzerwerb für Einzelne zugänglich ist, wird es aber problematisch, meint Hanser. Niemand kann sich eine kostenpflichtige Weiterbildung in Langsamkeit leisten, wenn rundherum alles darauf hindeutet, dass Eile geboten ist - besonders jene nicht, die unter prekären Verhältnissen leben.
Wie kann nun aber ein (Bildungs-)Raum aussehen, der tatsächlich einem "Ausstieg" aus den dichten Zeitstrukturen des Alltags bietet und nicht nur ohnehin schon Gutgestellte privilegiert? Hanser und sein Team versuchen einen ungewöhnlichen Ansatz und setzen ein Entschleunigungsprojekt mit einer mobilen Wanderschäfer-Hütte um. Der Schäferwagen zieht durch die Lande und eröffnet einen Möglichkeitsraum für das Erzählen, Tagträumen und Zukunft-Entwerfen. Oft werden dort auch gemeinsam neue Ideen für einen Stadtteil oder ein Dorf entwickelt, erzählt der Autor. Dem Team gehe es dabei darum, den Menschen das schlechte Gewissen abzunehmen, das sie vielleicht hätten, wenn sie sich alleine Zeit für Geschichtenerzählen und Zukunft-Entwerfen nehmen würden. Im Refugium mit Anderen träumt es sich leichter, so Hanser.
Bildung im Alter ist keine Anti-Aging-Kur
Im Alter verändern sich Rollenverpflichtungen und Tätigkeitsfelder, und somit auch die zeitliche Strukturierung des Lebensalltags. Die Gesellschaft trägt dabei teils widersprüchliche Erwartungen an die Zeitgestaltung der Älteren heran, beschreiben die Bildungsforscherin Julia Müllegger und der Soziologe Franz Kolland in ihrem Beitrag. Ältere sollen sich ausruhen von der jahrzehntelangen Erwerbsarbeit. Sie sollen endlich Zeit zum Leben haben, während ihnen die Zeit davonläuft. Sie sollen aber auch "aktiv" altern: ein voller Terminkalender bestätigt ihnen die Vitalität.
Damit ist auch das lebenslange Lernen auf den Plan gerufen, um sich "fit" zu halten. Müllegger und Kolland hinterfragen kritisch, ob lebenslanges Lernen für Ältere denn dazu dienen solle, unvermeidliche Alterungsprozesse hinauszuzögern. Sie sind sich sicher: Bildung für Ältere ist keine "Anti-Aging-Kur". Anti-Aging richte sich gegen natürlich vorgegebene Alterungsprozesse, und auf ein "Zurück". Bildung hingegen lege ihren Fokus auf das Ermöglichen von Weiterentwicklung und auf reflexive Momente. "Momente, die es dem Individuum erlauben, Lebens- und Lernzeit selbstbestimmt für subjektive, individuelle Bedürfnisse zu verwenden", so die AutorInnen.
Lebenslanges Lernen könne hier einen Beitrag leisten, um das Lebenstempo im Alter bewusst zu entschleunigen und um die verbleibende Lebenszeit mit Lebensqualität zu bereichern.
Die 41. Ausgabe "Zeit und Erwachsenenbildung" des Magazin erwachsenenbildung.at gibt es kostenlos online und als Druckausgabe zum Selbstkostenpreis von 12,20 EUR über BoD und Amazon sowie 12,60 EUR bei Thalia und Morawa.
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