Wissen, wie Bildung wirkt
Ausgabe 40 des Magazin erwachsenenbildung.at diskutiert in 15 Beiträgen, inwieweit das Messen von Bildungseffekten sinnvoll ist, welche Fallstricke es dabei gibt und wie Wirkungsforschung gelingen kann. Die Ausgabe ist jetzt kostenlos online oder als Print-on-demand verfügbar. Wir haben für Sie reingelesen.
Bildung wirkt, aber wie?
Zu Zeiten der Corona-Pandemie ist wissenschaftliche Evidenz eine Frage, die nicht nur die Politik, sondern auch die breite Öffentlichkeit beschäftigt. Oft fragen wir uns seither, wie sehr Entscheidungen, die getroffen werden, auf Erkenntnissen beruhen, die gültig und verlässlich sind. Die Erwartungen an empirische Messergebnisse und die Versprechungen der Wissenschaft sind hoch – auch in der Erwachsenenbildung.
So etwa greifen politische EntscheidungsträgerInnen auf Studienergebnissen zu den Kompetenzen Erwachsener (PIAAC-Studie) oder zur Teilnahme an Erwachsenenbildung (Adult Education Survey) zurück, wenn es darum geht, welche Programme und Maßnahmen in der Erwachsenenbildung gefördert werden sollen.
Gefragt sind aber auch Daten über schwer messbare Bildungseffekte, zum Beispiel: Führt die Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang zur erwünschten Laufbahn – und falls ja, welchen Anteil hatte daran das erreichte Lernergebnis? Positive Effekte und Wirkzusammenhänge von Bildung sichtbar machen zu wollen, geht eng mit der Gefahr einer inhaltlichen Verengung, Verzerrung und Vereinfachung einher. Ein Karriereziel verfehlt zu haben, könnte mehr über das eigene Beziehungsnetzwerk aussagen, als über erreichte Lernerfolge. Das Lehrgangszertifikat wäre dann ein Messzeugnis ohne prognostischen Wert.
Bildungsangebote bleiben Angebote
Thomas Stangl, Mitarbeiter am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, verfolgt in seinem Beitrag die These, dass eine reine Orientierung an Evidenz den komplexen Bedingungen von Bildungsprozessen nicht gerecht wird. Oft haben die Wahl der Wirkungsziele und die Frage, wer diese bestimmt, einen bedeutenden Einfluss auf die Bewertung der Ergebnisse.
In diesem Zusammenhang gibt der Autor zu bedenken, dass Bildungsangebote im Wortsinn auch eben "Angebote" sind, die Lernende annehmen können, aber nicht müssen. Wirkungsstudien im Bildungsbereich müssten daher nicht nur untersuchen, was eine Person ist und tut, sondern das, was eine Person zu sein oder zu tun in der Lage ist.
So zum Beispiel könne sich jemand in einem Bildungsangebot Wissen über gesunde Ernährung aneignen und sich trotzdem gegen diese entscheiden, so Stangl. Ein Bildungsangebot zu gesunder Ernährung hätte dennoch seine intendierte Wirkung erreicht, indem die Fähigkeiten, sich gesund zu ernähren, entwickelt wurden, auch wenn diese etwa aufgrund der Lebensumstände aktuell nicht eingesetzt werden.
Stangl plädiert daher für eine fachlich-reflektierte Wirkungsorientierung im Bildungsbereich, indem die AdressatInnen der Bildungsangebote sowohl bei der Formulierung der Ziele als auch bei der Wahl der Mittel mitwirken.
Datenbasiere Analysen müssen nicht unbedingt gerecht sein
Der sogenannte "AMS-Algorithmus" schlägt in den Medien hohe Wellen. Auf Grundlage soziodemografischer und berufsbezogener Daten erstellt er eine Prognose zu den Aussichten Arbeitssuchender auf eine erfolgreiche Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Im Ergebnis ordnet der Algorithmus die Arbeitssuchenden bestimmten Gruppen zu, die unterschiedliche Unterstützungs- und Qualifizierungsleistungen erhalten sollen.
Basis des Modells sind die Erfahrungswerte, die in der Vergangenheit mit Arbeitssuchenden gemacht wurden. Heiko Berner (FH Salzburg) und Elmar Schüll (FH Salzburg u. Freie Universität Berlin) erläutern in ihrem Beitrag die Funktionsweise des AMS-Algorithmus und diskutieren Pro und Contra.
Als entscheidenden Kritikpunkt am Modell sehen die Autoren dessen diskriminierenden Charakter. Die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht bringt laut Modell z.B. bereits eine geringere Vermittlungswahrscheinlichkeit mit sich. So entscheidet die merkmalbasierte Zuordnung zu den verschiedenen Gruppen über Art und Umfang an sozialstaatlichen Unterstützungsleistungen. Individuelle Lebensumstände oder Vermittlungshindernisse der Arbeitssuchenden (z.B. aus dem Ausland mitgebrachte Qualifikationen oder die Motivation, sich weiterzubilden), werden nicht berücksichtigt. So trage das AMS zur Individualisierung von strukturellen Problemen bei und zementiere gesellschaftliche Ungleichheit, meinen die Autoren.
Wenn Wirkungsforschung gelingt
Wie Wirkungsforschung in der Erwachsenenbildung gelungen umgesetzt werden kann, zeigen die deutschen Erwachsenenbildungswissenschafterinnen Christine Zeuner und Antje Pabst. Zwischen 2017 und 2019 untersuchten sie die Wirkungen mehrfacher Teilnahme an Veranstaltungen im Rahmen der Bildungsfreistellung, auf die Beschäftigte in Deutschland gesetzlichen Anspruch haben.
Ihr Ergebnis: Tatsächlich kann die Mehrfachteilnahme zu langfristigen Lernprozessen und biographischen Veränderungen führen. Die Studie bestätigte somit viele der erwarteten Wirkungen einer Freistellung. Zum Beispiel nutzten Beschäftigte Lern- und Bildungsprozesse bewusst für ihre persönliche und berufliche Entwicklung.
Die 40. Ausgabe "Messbarkeit von Effekten von Bildung" des Magazin erwachsenenbildung.at gibt es kostenlos online und als Druckausgabe zum Selbstkostenpreis.
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