Wie Erwachsenenbildung zu Geschlechtergerechtigkeit beitragen kann

10.03.2025, Text: Antonia Unterholzer, Redaktion/CONEDU
EAEA-Hintergrundpapier gibt Einblicke in Praxisbeispiele gegen geschlechtsspezifische Ungleichheiten und bietet Empfehlungen, wie Einrichtungen diese Ansätze übernehmen können.
Frauen reden miteinander
Geschlechtergerechtigkeit braucht sensible Räume!
Foto: Pexels Lizenz, RF._.studio_, Frauen beim Treffen, https://www.pexels.com/de-de/foto/frauen-beim-treffen-3810795

Frauenfeindliche Ideologien nehmen in Online-Communities (der sogenannten „Mannosphäre“) zu, ebenso wie Feindseligkeiten gegenüber Frauen und Menschen mit nicht-konformen Geschlechtsidentitäten. In der Erwachsenenbildung liege das Potenzial, solchen Entwicklungen entgegenzuwirken. Ihr Auftrag sei es daher, Literalität, kritisches Denken und ein tieferes Verständnis für sich selbst und die Umwelt zu schaffen, um sozioökonomische Barrieren abzubauen und zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beizutragen. Hierfür brauche es sichere Lernumgebungen, geschlechtssensible Kompetenzen von Lehrenden sowie Bündnisse von Bildungseinrichtungen mit Gemeinden oder Regierungen. So die EAEA in einem Hintergrundpapier zum Jahres-Schwerpunkt 2024 „Adult Learning, Transforming Lives, Communities, and Society“.

Psychische und physische Safe Spaces schaffen

Mit Safe Spaces, "sicheren Räumen" in der Erwachsenenbildung ist eine Lernumgebung gemeint, die Diskussionen, einen offenen Meinungsaustausch und eine tiefgehende Auseinandersetzung mit verschiedenen Inhalten ermöglichen. An solchen Orten können Lernende ihre Gedanken urteilsfrei aussprechen und Fehler machen. Lehrpersonen und Organisationen tolerieren dabei keine Form von Diskriminierung oder geschlechterspezifischer Belästigung. Das betonen die Autor*innen des Leitfadens „Safe Spaces for Learning“, welchen die EAEA gemeinsam mit europäischen Partner*innen – u.a. den Wiener Volkshochschulen – entwickelt hat.

Einrichtungen der Erwachsenenbildung sollten verschiedene Ansätze in Lehre und Struktur umsetzen, damit sich alle Akteur*innen in ihren „Räumen“ frei bewegen und äußern können, empfiehlt die EAEA. Sie sollten etwa Beratungs- oder Meldestellen einrichten, an die sich Betroffene wenden können. Ein physisch und psychisch sicherer Raum entsteht nicht von selbst, sondern muss aktiv geschaffen werden. Wie er konkret ausgestaltet wird, bestimmen alle Beteiligten gemeinsam. Denn wer sich wann, wo und wie sicher fühlt, ist stark von der Gruppe abhängig. Für einzelne Teilnehmer*innen kann sich die Lernumgebung sicher anfühlen, für andere wiederum nicht. Wie beispielsweise eine offene Diskussion im Plenum: Anwesende, die gerne vor vielen Menschen sprechen, nehmen das Setting vermutlich als motivierend und bereichernd wahr. Für manche wirkt die Situation aber auch ausschließend, da sie z.B. Angst haben nicht verstanden zu werden. Daher sind kollektive Entscheidungsprozesse in der Gruppe durch das gemeinsame Aushandeln von Regeln, Inhalten oder auch Methoden wichtig, um ein Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit herzustellen. Dies gilt nicht nur für analoge, sondern auch für virtuelle Lernumgebungen. 

Geschlechtersensible Kompetenzen stärken 

Für eine gendersensible Erwachsenenbildung sind auch didaktisch-methodische und geschlechterspezifische Kompetenzen der Lehrpersonen gefragt: Einer der wichtigsten Aspekte, wenn es um das Sicherheitsgefühl von Teilnehmer*innen geht, ist die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. Didaktisch-methodisch können Lehrende dies etwa durch das Prinzip der vier Wände umsetzen: Lehrende und Teilnehmer*innen wahren über den gesamten Lernprozess das Prinzip der Vertraulichkeit. Alle sollen sicherstellen, dass persönliche Erfahrungen oder Aussagen im Raum bleiben und nicht nach außen getragen werden.

Regelmäßige Weiterbildungen, in welchen Lehrende und administratives Personal sich mit geschlechterspezifischen Barrieren oder unbewussten Vorurteilen auseinandersetzen, fördern ihre Genderkompetenz und können sich damit positiv auf die Lernumgebung und das Wohlbefinden der Teilnehmer*innen auswirken.

Strukturelle Barrieren abbauen

Wenn es um mehr Geschlechtergerechtigkeit geht, reichen allerdings alleinige Maßnahmen einzelner Einrichtungen der Erwachsenenbildung nicht aus, so die EAEA: Zeitliche und logistische Faktoren, wie zum Beispiel familiäre Verpflichtungen, hindern insbesondere Frauen an der Teilnahme an Angeboten der Erwachsenenbildung, so auch die aktuelle OECD Studie „Bildung auf einen Blick“

Um solche Barrieren abzubauen und die ökonomische Zugänglichkeit zu verbessern, sollten Organisationen der Erwachsenenbildung engere Bündnisse mit lokalen NGOs, Gemeinden und Regierungen eingehen, empfiehlt die EAEA. Diese Kooperationen könnten dazu beitragen, finanzielle Unterstützung bereitzustellen und niederschwellige Bildungsangebote zu schaffen. So könnten in weiterer Folge Barrieren wie etwa familiäre Verpflichtungen reduziert werden – z.B. durch den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten.

Über die EAEA

Die "European Association for the Education of Adults" ist eine Nichtregierungsorganisation, die die Interessen der nicht-formalen Erwachsenenbildung in Europa vertritt. Sie hat 120 Mitgliedsorganisationen in 43 Ländern und vertritt mehr als 60 Millionen Lernende in ganz Europa.

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