KEBÖ-Vorsitzender Primas: Es braucht Planungssicherheit und Wertsicherung
Der Ring hat den KEBÖ-Vorsitz vom BFI übernommen. Was werden Sie in dieser Rolle als Erstes tun?
Aktuell gilt es zwei Hauptaufgaben zu erfüllen: Die KEBÖ-Einrichtungen sind immer noch ein Stück von Normalität im Arbeitsalltag entfernt. Die Kommunikation und bestmögliche Umsetzung der gesetzlichen Verordnungen und Maßnahmen im Umgang mit der Corona-Pandemie zu unterstützen ist die eine Aufgabe. Es geht um handhabbare Rahmenbedingungen. Je nachdem, wie sich die Situation in der Erwachsenenbildung mittelfristig entwickelt, kann es auch erforderlich sein, dass die KEBÖ sich für weitere Ansprüche auf Kostenersatz oder Unterstützungsleistungen einsetzt.
Die zweite wichtige Aufgabe ist die gemeinsame Verhandlung und zügige Umsetzung der Leistungsvereinbarungen 2022-24 mit dem Bildungsministerium. Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung können viel zur Lösung der aktuellen Herausforderungen beitragen. Dazu benötigen sie aber Planungssicherheit durch zuverlässige öffentliche Mittel. Eine Valorisierung der bestehenden Leistungsvereinbarungen der KEBÖ-Verbände mit dem Bildungsministerium, in einem ersten Schritt um zumindest 10 %, ist nach 10 Jahren gleichbleibender Subventionsmittel dringend notwendig.
Bei der heurigen Jahrestagung der KEBÖ hat Sektionschefin Doris Wagner ihre Wertschätzung für die Leistungen der Erwachsenenbildung ausgedrückt und um Vertrauen für gute gemeinsame Lösungen im Sinne der Erwachsenenbildung ersucht. Wir freuen uns auf die bevorstehenden Gespräche und die Kooperation und werden uns kompetent, sachlich und konstruktiv einbringen. Eine Aufgabe dabei wird es auch sein, den Stellenwert der Erwachsenenbildung im Bildungssystem und ihre gesellschaftliche Wichtigkeit deutlicher zu machen. Hier brauchen wir auch die Unterstützung des Bildungsministeriums.
Ihr Vorgänger, Michael Sturm vom BFI Österreich, identifizierte in unserem Interview für das Jahr 2021 die Themen Integration, Digitalisierung, arbeitsmarktbezogene Bildungsmaßnahmen sowie verbandsinterne Qualitätssicherung und Professionalisierung als Schwerpunkte der KEBÖ. Was konnte die KEBÖ in diesen Belangen heuer schon erreichen?
Die vom Kollegen Sturm genannten Themen haben natürlich weiterhin größte Relevanz, auch über das Jahr 2021 hinaus. Insbesondere bei der Digitalisierung gab es, auch bedingt durch die anhaltenden Herausforderungen durch die Covid-Krise, weitere Entwicklungsschübe. So konnten die didaktischen Fähigkeiten des Lehrpersonals durch gezielte Weiterbildungen ausgebaut werden.
Wo muss die KEBÖ dabei noch dranbleiben?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass durch das digitale Angebot zum einen neue TeilnehmerInnen-Gruppen erreicht werden konnten. Zum anderen sind uns Zielgruppen "abhanden" gekommen, vor allem jene, die das gemeinsame Lernen und Arbeiten in Gruppen schätzen und brauchen. Auf diese Tatsache müssen die Einrichtungen speziell hinsehen und Lösungen finden.
Die Corona-Pandemie hat starke Auswirkungen auf die Weiterbildungsbranche, die Weiterbildungsteilnahmen allein bei den KEBÖ-Verbänden hatten sich 2020 mehr als halbiert. Inwieweit wird sich Ihrer Einschätzung nach die Branche erholen können?
Das Jahr 2020 hat viele gesellschaftliche Bereiche in massive Schwierigkeiten gestürzt. Das in den Covid-Verordnungen festgelegte Veranstaltungsverbot über viele Monate hat auch in der Weiterbildung Spuren hinterlassen.
Der Blick in die Zukunft muss hoffnungsvoll sein, bleibt aber freilich spekulativ. Jedenfalls gilt noch immer die alte Weisheit: Krisenzeiten sind Bildungszeiten. Die größte Herausforderung für die Anbieter von Bildungsveranstaltungen war zweifelsohne die fehlende Planungssicherheit. Sobald diese zurückgewonnen ist und Bildungsveranstaltungen wieder ohne größere Einschränkungen umgesetzt werden können, wird die Erwachsenenbildung rasch an den Vor-Corona-Leistungen anknüpfen.
Wann wird das der Fall sein können?
Ein Ziel ist, dass die KEBÖ-Einrichtungen bestmöglich durch die weiteren Herausforderungen der Pandemie kommen. Im besten Fall haben wir 2023 gemeinsam die Krise gemeistert und sind durch koordinierte Anstrengungen in einer neuen Selbstverständlichkeit angekommen.
Sie sind seit Anfang des Jahres Generalsekretär des Ringes Österreichischer Bildungswerke. Im Antrittsinterview hatten Sie sich für eine Stärkung der hauptamtlichen Strukturen der Erwachsenenbildung ausgesprochen. Ein Anliegen, dass Sie als KEBÖ-Vorsitzender mitnehmen?
In mehreren KEBÖ-Verbänden wird die Bildungsarbeit vor Ort durch insgesamt rund 23.000 ehrenamtliche MitarbeiterInnen getragen. Ohne deren Engagement wäre ein bürgerInnennahes Bildungsangebot in vielen Orten und Gemeinden nur sehr eingeschränkt möglich.
Aber es braucht auch den Ausbau der hauptamtlichen Strukturen, um die gesellschaftlichen Herausforderungen an die Weiterbildung annehmen zu können, sich an EU-Projekten zu beteiligen und verstärkt die Zielsetzungen des Bildungsressorts umzusetzen. Die diesbezüglichen Initiativen von Minister Zilk (1984 Aktion "Stellenlose Lehrer für die EB") und Minister Scholten (1991 Aktion "Pädagogische MitarbeiterInnen für die EB") gingen beide mit einer umfangreichen Aufstockung der Bundesmittel einher. Das liegt schon einige Jahre zurück, seither gab es diesbezüglich keine weitere Unterstützung seitens des Bildungsministeriums.
Zwei Jahre lang hat der Ring Österreichischer Bildungswerke den Vorsitz inne. Wenn Sie an den September 2023 denken - was wollen Sie bis dahin erreicht haben?
In einigen Bundesverbänden und damit auch im Leitungsausschuss der KEBÖ findet derzeit ein Generationenwechsel statt. Dieser Übergang muss gut gestaltet werden: Aufbauend auf den Erfahrungen und Leistungen unserer Vorgänger müssen wir nun "unseren" Arbeitsstil finden und gemeinsam im Sinne einer guten Kooperation weiterarbeiten.
Die KEBÖ auch zukünftig als wichtige Partnerin für das Bildungsministerium zu positionieren, ist ein weiteres Ziel. Um dieses Erfolgsmodell fortzusetzen, muss es uns auch gelingen, die Stärken und die Vielfalt der berufsorientierten und allgemeinen Erwachsenenbildung prägnant darzustellen und verständlich zu machen.
Die Pandemie hat uns auch deutlich vor Augen geführt, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist. Der Diskurs zu Fragen der demokratischen Werte und dem "Wahrheitsgehalt" von wissenschaftlichen Aussagen wurde oft sehr spaltend geführt. Erwachsenenbildung ist immer auch "Aufklärung", wir brauchen mehr demokratiepolitische Bildung, die EB-Einrichtungen müssen mehr Angebote zu wissenschaftlichen Fragen und zur verantwortungsvollen Nutzung der digitalen Medien bereitstellen. Erwachsenenbildung heißt auch, den Menschen Begegnungsräume zu eröffnen, in denen sie Informationen erhalten, ihre Ängste formulieren dürfen und gemeinsam nach Lösungen und Möglichkeiten der Beteiligung suchen zu können.
Die KEBÖ hat den Bereich "Politische Bildung" erst in die zu verhandelnden Leistungsvereinbarungen mit dem Bildungsministerium hinein reklamieren müssen! Wir hoffen, mit diesem Schwerpunkt nun auch das Ministerium überzeugt zu haben.
Demokratiepolitische Bildung ist also auch einer der laufenden KEBÖ-Schwerpunkte?
Genau. Und wie in vielen gesellschaftlichen Bereichen, so werden auch in der Erwachsenenbildung Themen stärker präsent, welche die Klimakrise und ihre Auswirkungen auf uns alle betreffen. Wir wollen Fortschritte beim Aufbau von Kompetenzen für den ökologischen und digitalen Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung machen und diese auch verstärkt in die Bildungsangebote einbringen.
Während Ihrer Amtszeit gibt es auch ein Jubiläum?
Auch das - im Jahr 2022 feiert die KEBÖ ihr 50-jähriges Gründungsjubiläum, ein Anlass, zurück zu blicken, aber auch in die Zukunft zu schauen. Es soll ein Fest für alle KEBÖ-Einrichtungen werden, ein Zusammenkommen, das Kraft für die Zukunft gibt!
Was ist die KEBÖ?
Die Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) vertritt die Interessen der gemeinnützigen österreichischen Erwachsenenbildung. Sie setzt sich aus den zehn Dachverbänden der in Österreich tätigen EB-Einrichtungen zusammen. Ein Leitungsausschuss dient als ständige Arbeitsplattform, er ist Handlungsorgan und ExpertInnengremium. Zusätzlich findet einmal jährlich eine Fachtagung statt.
Die KEBÖ in Zahlen für das Jahr 2020:
- 4,5 Mio. Unterrichtseinheiten/Jahr
- 2,1 Mio. Teilnahmen/Jahr
- 764.594 BenutzerInnen öffentlicher Bibliotheken
- 153.890 Veranstaltungen/Jahr
- 47.902 nebenberuflich Lehrende
- 23.121 ehrenamtliche MitarbeiterInnen
- 6.325 hauptberuflich Angestellte
Das Interview wurde im September geführt.
- Beitrag auf EPALE
- Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs
- Ring Österreichischer Bildungswerke
- Antrittsinterview von Georg Primas als Generalsekretär des Rings
Nachricht vom 5. Mai 2021 - Das plant die Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs für 2021
Nachricht vom 11. Jänner 2021 - KEBÖ 2020: Anzahl der Weiterbildungsteilnahmen mehr als halbiert
Nachricht vom 5. August 2021
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