"Eine Auszeit" im Ring Österreichischer Bildungswerke
Lieber Herr Primas, seit Anfang des Jahres sind Sie der neue Generalsekretär im Ring Österreichischer Bildungswerke. Was verbindet Sie persönlich mit dem Ring als Netzwerk für Einrichtungen der allgemeinen Erwachsenenbildung?
Ich kam bereits vor Jahrzehnten - vorerst unwissentlich - mit dem Ring in Berührung. Ich wuchs auf einem Bauernhof in der Weststeiermark auf, zu dem hin und wieder ein älterer Herr mit Hut und Hubertusmantel zu Besuch kam. Viele Jahre später erfuhr ich, dass es sich um den großen Steirischen Kulturpolitiker und auch den ersten Präsidenten des Rings Österreichischer Bildungswerke (1955-1958) handelte: Hanns Koren.
Viel später kam ich als Freiwilligenkoordinator im beruflichen Kontext in Kontakt mit Bildungs-Angeboten des Rings, als ich einen Lehrgang zur Kompetenzerfassung für Freiwillige absolvierte, einem Bereich, in dem der Ring bereits vor mehr als 20 Jahren ausgezeichnete Pionierarbeit geleistet hat und in dem er auch heute eine wesentliche Kernaufgabe sieht.
Welche Ziele liegen Ihnen in Ihrer Tätigkeit besonders am Herzen?
Ich koordinierte sieben Jahre lang ein Entsende-Programm für berufserfahrene ältere Freiwillige, die sich in Sozialeinrichtungen in Ländern des globalen Südens engagierten. Dabei lernte ich auf beeindruckende Weise schätzen, wie lebensbegleitendes informelles Lernen gelingen kann.
Neben vielen weiteren Anliegen ist es mir daher persönlich besonders wichtig, Strukturen zu fördern, die lebensbegleitendes Lernen ermöglichen. Dazu gehört einerseits, die vielfältige Arbeit der Mitgliedseinrichtungen des Rings deutlich sichtbar zu machen und darüber hinaus zu einer Stärkung der hauptamtlichen Strukturen unserer Einrichtungen in ganz Österreich beizutragen. Denn wer Bildung, die Demokratie und Verantwortung sowie lebensbegleitendes Lernen fördert, braucht öffentliche Unterstützung und darf keinesfalls ausschließlich dem Markt überlassen werden.
Der erste Schritt, um die vielfältige Arbeit der Ring-Mitgliedseinrichtungen sichtbar zu machen, war die Gründung der Plattform "eineauszeit.at". Was steckt genau dahinter?
Diese neue Plattform bietet Bildungshungrigen die Möglichkeit, ortsunabhängig an österreichweiten Bildungsangeboten aus den Kategorien Sprache & Literatur, IT & Digitales, Gesellschaft & Geschichte, Natur & Umwelt sowie Gesundheit & Bewegung teilzunehmen. Die Online-Angebote werden von allen Mitgliedsorganisationen des Rings Österreichischer Bildungswerke regelmäßig eingespielt. Es sind rund 100 Veranstaltungen online.
Entstanden ist "eineauszeit.at" vorwiegend, um auch während der Corona-Pandemie den Lernwilligen aller Altersgruppen weiterhin als zuverlässiger lokaler Partner für Bildung zur Verfügung zu stehen. Denn unter normalen Umständen besuchen etwa 1,1 Millionen Personen Kurse, Workshops und Vorträge, die in rund 75 % der Gemeinden in Österreich von Ring-Mitgliedseinrichtungen in Präsenz angeboten werden. Durch die Pandemie hieß es dann allerdings „online gehen statt absagen". Bestehende Bildungsangebote wurden daher für Online-Formate adaptiert und bis Jahresende sogar 1.240 neue digitale Veranstaltungen initiiert.
Seit Anfang April 2021 werden nun alle Online-Angebote auf der Plattform "eineauszeit.at" gebündelt und bundesweit zugänglich gemacht. Der Launch der Plattform war ein wichtiger Öffnungsschritt in Richtung Digitalisierung.
Sie sprachen von der Stärkung der hauptamtlichen Strukturen. Gibt es bereits konkrete Pläne dazu?
Vor dem Pandemie-Jahr 2020 planten und organisierten in den Ring-Mitgliedseinrichtungen über 2.100 ehrenamtliche und 155 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bildungsveranstaltungen mit rund 1,1 Millionen Teilnahmen. Diese Zahlen konnten 2020 nicht erreicht werden.
Gerade in der nahen Zukunft, wenn nach der Pandemie ein Neustart vieler gesellschaftlicher Bereiche erfolgt, kommen der allgemeinen Erwachsenenbildung wichtige Aufgaben zu. Mehr denn je werden jene Kompetenzen gefragt sein, die den Teilnehmenden unserer Angebote mehr Möglichkeiten in der Gestaltung ihres alltäglichen Lebens und in der Behauptung auf dem Arbeitsmarkt verschaffen. Um diese gesamtgesellschaftlich notwendigen Leistungen weiterhin erbringen und ausbauen zu können, muss die Erwachsenenbildung seitens der öffentlichen Hand auch angemessen finanziert werden. Eine Valorisierung der bestehenden Leistungsvereinbarungen der KEBÖ-Verbände mit dem Bildungsministerium ist nach mehr al 10 Jahren gleichbleibender Subventionsmittel mehr als dringend!
Ökonomisch betrachtet ist die Erwachsenenbildung ein sehr kostengünstiger, effizienter und besonders innovativer Bildungsbereich mit einem hohen Eigenleistungsanteil. Ab Herbst 2021 wird der Ring für zwei Jahre die vorsitzführende Mitgliedseinrichtung der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs sein. In dieser Funktion werden wir uns darauf konzentrieren, gemeinsam, als Partner des Bildungsministeriums, die bildungspolitischen Herausforderungen, die auf uns zukommen, zu meistern. Krisenzeiten brauchen verstärkt Bildung und gesellschaftlichen Diskurs.
Welchen Mehrwert sehen Sie in der "Bildung vor Ort" – in Bezug auf die lokal verankerten Bildungswerke, als auch die digitalisierten Bildungsangebote?
Ich denke, dass zeitlich und örtlich flexible Bildungsangebote einen fixen Bestandteil der Erwachsenenbildung im digitalen Zeitalter bilden sollen. "eineauszeit.at" wird daher auch über die Pandemie hinaus bestehen bleiben. So kann eine unglaubliche Bandbreite von Angeboten Bildungs-Interessierten beispielsweise auch im ländlichen Raum leichter zugänglich gemacht werden.
Darüber hinaus freuen wir alle uns schon sehr darauf, dass, hoffentlich bald, gemeinsames Lernen auch wieder mit persönlicher Begegnung stattfinden kann. Denn eines ist klar: In der Erwachsenenbildung sind physischer Kontakt und Präsenz auf Dauer unverzichtbar.
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