Flucht, Asyl und Erwachsenenbildung: „All das, und noch viel mehr…“
wEBtalk erwachsenenbildung.at | CC BY 4.0 CONEDU Juni 2017
Ankommen. Weiterkommen?
Julia Schindler ließ in ihrem einleitenden Impulsvortrag die letzten zwei Jahre seit der großen Flüchtlingsbewegung Revue passieren. „Welche Fragen haben sich für die Erwachsenenbildung aufgetan?" fragte sie und spannte den Bogen von den ersten Reaktionen etablierter Einrichtungen über Professionalisierungsdiskurse und Bildungsinhalte bis hin zu Abschlüssen und Anschlüssen. „Mittlerweile scheint alles geregelt", so Schindler, „aber ist es gut geregelt?" Erwachsenenbildung bewege sich in einem Spannungsfeld zwischen eigenen Ansprüchen, gesetzlichen Vorgaben und strukturellen Rahmenbedingungen. Nun sei es an der Zeit, nachzudenken, wo in diesem Spannungsfeld man sich positionieren wolle.
Bildungsinformation als wichtiger erster Schritt
Christine Weiss betonte die wichtige Rolle der Bildungsberatung und –information. Gerade wenn Menschen neu nach Österreich kommen, sei es wichtig, grundsätzlich über Bildung zu sprechen. „Was bedeutet Ausbildung und Beruf in Österreich? Welche Angebote gibt es überhaupt?" seien oft die ersten, brennenden Fragen. Später gehe es dann um Anerkennung, Kompetenzberatung, aber auch um Vernetzung innerhalb der Bildungsberatungsszene sowie zwischen BeraterInnen und BildungsanbieterInnen. Dass es großen Bedarf an Information und Vernetzungsmöglichkeit gebe, bestätigten auch die anderen Diskutantinnen.
Kurzfristige Maßnahmen: „Wo bleibt die Kontinuität?"
Erschwert würde die Arbeit immer wieder durch kurzfristige, wenig übersichtliche Maßnahmen, so Christine Weiss. „Kaum hat man etwas erfahren, ist es schon wieder vorbei." Förderungen seien oft nur für kurze Zeiträume und bestimmte Zielgruppen verfügbar – „eine längerfristige Strategie ist kaum erkennbar". Qualitätsansprüche seien unter diesen Voraussetzungen schwer zu erfüllen. Auch auf die AkteurInnen wirke sich die fehlende Kontinuität negativ aus, so Julia Schindler. Die Arbeitsbedingungen seien oft unsicher, was die Professionalisierung erschwere.
Erwachsenenbildung: Mehr als nur Deutsch- und Wertekurse
Ein Großteil der Förderungen für Erwachsenenbildung im Kontext von Flucht und Asyl entfalle auf Deutsch- und Wertekurse, so Julia Schindler. „Alles, was darüber hinaus geht, wird oft nicht finanziert." Zwar seien Deutschkurse ein wichtiges Angebot, allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass Erwachsenenbildung noch mehr könne. Katja Kloimstein schlug praktische Angebote wie Werkstätten, in denen Menschen selbst aktiv werden können, als Ergänzung zu klassischen Kursformaten vor. „Es gäbe sicher Unmengen an großartigen Ideen von engagierten Menschen, aber es fehlt oft die Finanzierung oder der Wille, das zu finanzieren."
Rollentausch: Von Lernenden zu Lehrenden
Einen alternativen Ansatz der Bildung verfolgt der Verein KAMA. Anita Pichler: „Bei uns halten die MigrantInnen die Workshops." Oft würde das nicht verstanden – „viele denken, KAMA bietet Deutschkurse an." Diese seien zwar als Basis wichtig, damit Empowerment stattfinden könne. Dann aber sei das Ziel, selbst ins Tun zu kommen. „Es ist spannend zu sehen, wie sich die Menschen entwickeln und eine aktive Rolle wahrnehmen."
Kontinuität und Vernetzung: Utopisch oder machbar?
In der Schlussrunde äußerten die Diskutantinnen ihre Wünsche und Utopien, wie die Erwachsenenbildung im Kontext von Flucht und Asyl agieren solle. Gemeinsamer Nenner: Der Wunsch nach längerfristiger Finanzierung und besserer Vernetzung innerhalb der Community. Sei dies gesichert, könne es gelingen, ein kontinuierliches, teilnehmerInnenzentriertes Angebot aufrecht zu erhalten, was sowohl TeilnehmerInnen als auch ErwachsenenbildnerInnen entgegen käme.
- Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft. Ankommen. Weiterkommen? Flucht, Asyl und Erwachsenenbildung.
Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 31 - Wie Erwachsenenbildung mit Flucht und Asyl umgeht
Nachrichtenbeitrag von 26.06.2017 - Verein KAMA - Asylsuchende als KursleiterInnen
Nachrichtenbeitrag von 21.03.2017 - Serie: Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft
Verwandte Artikel
Streitfragen unserer Gegenwart
Die Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung setzt im Mai und Juni die Dienstagsvorlesungen zu polarisierenden politischen Themen fort.Call for Papers: Perspektiven auf Migration und Erwachsenenbildung
Die Zeitschrift für Weiterbildungsforschung (ZfW) sucht u.a. Beiträge zu zivilgesellschaftlichen Lern- und Bildungsprozessen im Kontext von Migration. Interessierte können bis zum 20. Juli Skizzen einreichen.Webinar-Angebote von „Level Up“ im fünften Jahr
Das Programm der Level-Up-Webinar-Reihe für in der Basisbildung und im Bereich Pflichtschulabschluss (PSA) Tätige für 2025 ist online. Es reicht von mathematischen Kompetenzen bis zu Holocaust Education.Information zählt, Medienkompetenz umso mehr
Das Projekt „information matters“ möchte die digitalen Kompetenzen Erwachsener fördern. Ein Kurs für Trainer*innen soll helfen, entsprechende Fähigkeiten zu stärken und an Nutzer*innen zu vermitteln.„Grüne“ Transformation: Erwachsenenbildung hat noch Luft nach oben
Politische Bildung fördern, Raum für Kontroversen schaffen, weitere Zielgruppen erreichen: Das nannten die Diskutant*innen des wEBtalks als wichtige Hebel für einen „grünen“ Wandel, an denen die Bildung ansetzen kann.Humor: das trojanische Pferd, in dem man die Wissenschaft verstecken kann
Neben Humor braucht gelingende Wissenschaftskommunikation auch Dialog, Resilienz und kreative Ideen. Das war ein Ergebnis aus dem wEBtalk anlässlich der Ausgabe 52 des Magazin erwachsenenbildung.at.