Basisbildung wirkt anders
Der Nutzen des Lernens
Von vielen Bildungsangeboten wird erwartet, dass sie die Kompetenzen der Lernenden anheben helfen und einen Lernertrag bewirken, der unmittelbar nach Kursende nachweisbar ist. Diese Art von Output ist es, der von SchülerInnen erwartet wird oder von den TeilnehmerInnen einer betrieblichen Weiterbildung. Jedenfalls ist dies ein typischer Messzeitpunkt.
Wenn es um die Verteilung von Geldmitteln geht, müssen auch Programme und Angebote selbst diese Art von Nachweisen liefern und so ihren Nutzen belegen. Aktuelle EU-Empfehlungen fordern derartige Leistungskontrollen zunehmend auch von Basisbildungsprogrammen. Eine frühe Leistungs-Überprüfung kann jedoch nicht nur für lernungewohnte KursteilnehmerInnen demotivierend wirkt. Sie widerspricht auch dem Charakter der Basisbildung.
Warum das so ist, zeigt eine neue Forschungsübersicht auf, die die Bildungsforscherin Birgit Aschemann im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) erstellt hat. Der Bericht ist jetzt in den „Materialien für Erwachsenenbildung“ des BMBF erschienen.
Basisbildung wirkt länger
Der Lese- und Rechenunterricht in Grundschulen ist nicht unbegründet über mehrere Jahre hinweg angesetzt. Auch Basisbildung mit Erwachsenen ist ein Langzeitprojekt, und das vermehrte Lesen, Schreiben und Rechnen im Alltag spielt dabei eine wichtige Rolle.
Methodisch hochwertige Langzeitstudien belegen diesen so genannten “practice engagement effect”: Wer einen Basisbildungskurs besucht, hat manchmal zu Kursende noch keinen überwältigenden Lernertrag. Wurde der Kurs motivierend gestaltet, so werden die Lernenden jedoch im Alltag mehr lesen, rechnen und elektronische Geräte bedienen. Der messbare Lernertrag stellt sich dann erst nach Monaten oder Jahren eine.
Basisbildung wirkt breiter
Die Effekte von Basisbildungsangeboten sind erwiesenermaßen umfassender als die angepeilten Lernergebnisse: Basisbildung stärkt die ganze Person. Selbstvertrauen, Zusammenhalt und eine verbesserte Gesundheit sind als Ergebnisse von Basisbildungskursen erwiesen. Diese Effekte zeigen sich auch in Kursen, in denen sich an der Lese- oder Rechenleistung nicht unmittelbar etwas ändert.
Die Wirkung der Basisbildung auf das Selbstvertrauen und proaktive Verhalten ist noch eindeutiger als der ökonomische Wirkungsnachweis. In Summe betrifft das die soziale Sicherheit, das Sozialkapital und das mentale Kapital einer Gemeinschaft.
Auf die Methode kommt es an
Für die Forschungsübersicht wurden über 100 Reviews und Einzelstudien verarbeitet. Was diese jeweils aufzeigen können, hängt stark davon ab, wie sie methodisch aufgesetzt sind. Von Output-Evaluationen sind keine Erkenntnisse über Langzeiteffekte zu erwarten und von Studien zu ökonomischen Parametern keine Erkenntnisse über „wider benefits“. Aussagen über Ursachen und Wirkungen sind ohne Längsschnitterhebungen nicht zu gewinnen.
Das macht die verarbeiteten Studien in ihrem Wert so unterschiedlich: jede Forschung ist nur so gut wie ihre Fragestellung und ihre Instrumente. Daran ändern auch umfangreiche Stichproben nichts.
Konsequenzen für die Politik
Die Forschungsübersicht macht klar, dass Simple Output-Erhebungen in der Basisbildung nicht angebracht sind, wenn man über den unmittelbaren Lernerfolg hinausreichende Wirkungen beurteilen will. Sie würden die langfristigen Auswirkungen von Basisbildungsprogrammen systematisch unterschätzen und greifen auch in der Breite oft zu kurz.
Die Konsequenzen der Studie für die Politik sind noch wesentlicher: Basisbildung wirkt über Politikzyklen und über Politikfelder hinaus, ihre Effekte sind vielleicht erst in der nächsten Regierungsperiode messbar oder betreffen die Domäne eines anderen Ministeriums. Das macht ihre finanzielle Sicherung nicht einfacher.
„Auf europäischer Ebene wird die Basisbildung überfordert, wenn man noch stärkere ökonomische Effekte von ihr verlangt“ meint Autorin Birgit Aschemann. „Aber sie würde in ihrem Potenzial auch unterfordert, würde man alle Angebote einsparen, die – unter Anführungszeichen – nur soziale Effekte haben“.
Die Studie
Die Forschungsübersicht mit dem Titel „Basisbildung wirkt. Wie wirkt Basisbildung?“ wurde vom österreichischen Bundesministerium für Bildung und Frauen beauftragt und aus EU-Mitteln im Rahmen von Erasmus+ gefördert, um Effekte und Wirkungsweisen von Basisbildungsprogrammen über Länder und Angebotsformen hinweg zusammenfassend auszuwerten. Die Leitfrage lautete: Wie wirken Basisbildungsangebote für Erwachsene – wann, auf welche Parameter, und unter welchen Bedingungen? Internationale Erkenntnisse sollten so nutzbar gemacht werden.
Die hier dargestellte Untersuchung wurde Anfang Dezember in der Reihe „Materialien zur Erwachsenenbildung“ veröffentlicht. Sie ist unter dem Link weiter unten elektronisch verfügbar und demnächst auch als Printausgabe im Publikationen-Shop des BMBF zu bestellen
Aschemann, Birgit (2015): Basisbildung wirkt. Wie wirkt Basisbildung? Materialien zur Erwachsenenbildung 1/2015. Hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Frauen.
- Download "Basisbildung wirkt. Wie wirkt Basisbildung?"
- Printausgabe bestellen (in Kürze verfügbar)
Verwandte Artikel
Nachlese zum Webinar: Das Beratungsgespräch in der Basisbildung
„Die Kunst, Nackten in die Tasche zu greifen“: Das Zitat des Psychiaters Ben Furmann eignet sich als prickelnde Metapher, die das Geschick der Lernprozessbegleiter/innen bei Beratungen in der Basisbildung am besten abbildet.Basisbildner*innen können jetzt Mitglied im „Alumniclub Babi-Prof" werden
Mitglieder können an kostenfreien Webinaren teilnehmen und sich bei Bildungsreisen mit anderen Fachexpert*innen austauschen. Jetzt kostenlos anmelden!Professionalisierung in der Basisbildung: Webinarreihe ist gestartet
Künstliche Intelligenz für kreatives Lehren und Lernen nutzen oder sich über konkrete Fälle in der Basisbildung austauschen: Für Weiterbildungsangebote dazu sind noch Anmeldungen möglich.Neues Webinar-Angebot zur Basisbildung
Die Initiative Erwachsenenbildung erweitert die seit 2021 angebotene Webinar-Reihe für Basisbildner/innen. Die Themen reichen von politischer Bildung bis hin zu Poesie.„Teilnehmendenorientierung ist eine Haltung.“
Zwei Expert*innen sprachen im wEBtalk am 15.1. darüber, was es braucht, um den Teilnehmer*innen in ihrer Selbstbestimmung gerecht zu werden. Jetzt nachsehen!Poesie in der Basisbildung
Mit kreativen Methoden Lese- und Schreibkompetenzen fördern und dabei Raum für ein "Anders-Denken" öffnen: Wie das geht, zeigt das Projekt POETA.