Basisbildung wirkt anders

05.12.2015, Text: Wilfried Hackl (seit 2016: Wilfried Frei), Redaktion/CONEDU
Eine jetzt erschienene Übersicht internationaler Forschungen zeigt die atypische Wirkung der Basisbildung auf. Sie wirkt länger und breiter, als oft vermutet.
Foto: (C) Birgit Aschemann
Basisbildung wirkt länger und breiter, als oft erwartet
Foto: CONEDU/Aschemann
Basisbildung ist in aller Munde. Anfang Dezember erhielt mit Sonja Muckenhuber eine BasisbildnerIn der ersten Stunde den Staatspreis für Erwachsenenbildung in der Kategorie "ErwachsenenbildnerIn 2015". Unter dem Dach der Initiative Erwachsenenbildung wurden erst heuer durch eine Co-Finanzierung des ESF die Mittel für Maßnahmen in etwa verdoppelt.  Aber was wissen wir eigentlich darüber, wie TeilnehmerInnen von Basisbildung profitieren?

 

Der Nutzen des Lernens

 

Von vielen Bildungsangeboten wird erwartet, dass sie die Kompetenzen der Lernenden anheben helfen und einen Lernertrag bewirken, der unmittelbar nach Kursende nachweisbar ist. Diese Art von Output ist es, der von SchülerInnen erwartet wird oder von den TeilnehmerInnen einer betrieblichen Weiterbildung. Jedenfalls ist dies ein typischer Messzeitpunkt.

 

Wenn es um die Verteilung von Geldmitteln geht, müssen auch Programme und Angebote selbst diese Art von Nachweisen liefern und so ihren Nutzen belegen. Aktuelle EU-Empfehlungen fordern derartige Leistungskontrollen zunehmend auch von Basisbildungsprogrammen. Eine frühe Leistungs-Überprüfung kann jedoch nicht nur für lernungewohnte KursteilnehmerInnen demotivierend wirkt. Sie widerspricht auch dem Charakter der Basisbildung.

 

Warum das so ist, zeigt eine neue Forschungsübersicht auf, die die Bildungsforscherin Birgit Aschemann im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) erstellt hat. Der Bericht ist jetzt in den „Materialien für Erwachsenenbildung“ des BMBF erschienen.

 

Basisbildung wirkt länger

 

Der Lese- und Rechenunterricht in Grundschulen ist nicht unbegründet über mehrere Jahre hinweg angesetzt. Auch Basisbildung mit Erwachsenen ist ein Langzeitprojekt, und das vermehrte Lesen, Schreiben und Rechnen im Alltag spielt dabei eine wichtige Rolle.

 

Methodisch hochwertige Langzeitstudien belegen diesen so genannten “practice engagement effect”: Wer einen Basisbildungskurs besucht, hat manchmal zu Kursende noch keinen überwältigenden Lernertrag. Wurde der Kurs motivierend gestaltet, so werden die Lernenden jedoch im Alltag mehr lesen, rechnen und elektronische Geräte bedienen. Der messbare Lernertrag stellt sich dann erst nach Monaten oder Jahren eine.

 

Basisbildung wirkt breiter

 

Die Effekte von Basisbildungsangeboten sind erwiesenermaßen umfassender als die angepeilten  Lernergebnisse: Basisbildung stärkt die ganze Person. Selbstvertrauen, Zusammenhalt und eine verbesserte Gesundheit sind als Ergebnisse von Basisbildungskursen erwiesen. Diese Effekte zeigen sich auch in Kursen, in denen sich an der Lese- oder Rechenleistung nicht unmittelbar etwas ändert.

 

Die Wirkung der Basisbildung auf das Selbstvertrauen und proaktive Verhalten ist noch eindeutiger als der ökonomische Wirkungsnachweis. In Summe betrifft das die soziale Sicherheit, das Sozialkapital und das mentale Kapital einer Gemeinschaft.

 

Auf die Methode kommt es an

 

Für die Forschungsübersicht wurden über 100 Reviews und Einzelstudien verarbeitet. Was diese jeweils aufzeigen können, hängt stark davon ab, wie sie methodisch aufgesetzt sind. Von Output-Evaluationen sind keine Erkenntnisse über Langzeiteffekte zu erwarten und von Studien zu ökonomischen Parametern keine Erkenntnisse über „wider benefits“. Aussagen über Ursachen und Wirkungen sind ohne Längsschnitterhebungen nicht zu gewinnen.

 

Das macht die verarbeiteten Studien in ihrem Wert so unterschiedlich: jede Forschung ist nur so gut wie ihre Fragestellung und ihre Instrumente. Daran ändern auch umfangreiche Stichproben nichts.

 

Konsequenzen für die Politik

 

Die Forschungsübersicht macht klar, dass Simple Output-Erhebungen in der Basisbildung nicht angebracht sind, wenn man über den unmittelbaren Lernerfolg hinausreichende Wirkungen beurteilen will. Sie würden die lang­fristigen Auswirkungen von Basisbildungs­programmen systematisch unterschätzen und greifen auch in der Breite oft zu kurz.

 

Die Konsequenzen der Studie für die Politik sind noch wesentlicher: Basisbildung wirkt über Politikzyklen und über Politikfelder hinaus, ihre Effekte sind vielleicht erst in der nächsten Regierungsperiode messbar oder betreffen die Domäne eines anderen Ministeriums. Das macht ihre finanzielle Sicherung nicht einfacher.

 

„Auf europäischer Ebene wird die Basisbildung überfordert, wenn man noch stärkere ökonomische Effekte von ihr verlangt“ meint Autorin Birgit Aschemann. „Aber sie würde in ihrem Potenzial auch unterfordert, würde man alle Angebote einsparen, die – unter Anführungszeichen – nur soziale Effekte haben“.

 

Die Studie

 

Die Forschungsübersicht mit dem Titel „Basisbildung wirkt. Wie wirkt Basisbildung?“ wurde vom österreichischen Bundesministerium für Bildung und Frauen beauftragt und aus EU-Mitteln im Rahmen von Erasmus+ gefördert, um Effekte und Wirkungsweisen von Basisbildungsprogrammen über Länder und Angebotsformen hinweg zusammenfassend auszuwerten. Die Leitfrage lautete: Wie wirken Basisbildungsangebote für Erwachsene – wann, auf welche Parameter, und unter welchen Bedingungen? Internationale Erkenntnisse sollten so nutzbar gemacht werden.

 

Die hier dargestellte Untersuchung wurde Anfang Dezember in der Reihe „Materialien zur Erwachsenenbildung“ veröffentlicht. Sie ist unter dem Link weiter unten elektronisch verfügbar und demnächst auch als Printausgabe im Publikationen-Shop des BMBF zu bestellen

 

Aschemann, Birgit (2015): Basisbildung wirkt. Wie wirkt Basisbildung? Materialien zur Erwachsenenbildung 1/2015. Hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Frauen.

Weitere Informationen:

 

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