Selfies in der Basisbildung

27.06.2014, Text: Renate Ömer, Erwin Schmitzberger, Christa Sieder, Redaktion: Renate Ömer, BhW Niederösterreich/Ring ÖBW
Die Basisbildung setzt Selfies ein, um das Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit zu erhöhen.
Foto: (C) Anna Rauchenberger
Mobile Geräte eignen sich für weit mehr als Schnappschuss-Selfies
Foto: (C) Anna Rauchenberger
Selfies sind Schnappschüsse von sich selbst, die mit Smartphone oder Tablet gemacht und in soziale Netzwerke hochgeladen werden können. Die Basisbildung nützt die Medienberichte rund um Selfies, um das Interesse von Teilnehmenden zu gewinnen, die sich schwer zum Lernen motivieren können. Ziel ist es, den Selbstwert zu erhöhen, Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit zu gewinnen und niederschwellige Lese- und Schreibanlässe zu entwickeln.


Workshop-Design

Die Basisbildung NÖ sammelt erste Erfahrungen mit einem neuen Workshop-Design: Die Beschäftigung mit Handy- und Tablet-Apps zur Erstellung von Selfies. In Kombination mit Methoden des Digital Storytelling bietet das Selfie-Machen attraktive Ansatzpunkte für die Entwicklung von Selbstwirksamkeit, dem Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit. Die Idee dazu kam Erwin Schmitzberger nach einigen Digital-Storytelling-Workshops mit Trainerinnen der Basisbildung: „[Wir] wollten diese Methode für die Basisbildung adaptieren. Digital Storytelling setzt relativ hohe Hürden: Selbstreflexion, Identität, Wahrnehmung, Emotion, längere Texte schreiben, vorlesen, aufzeichnen, Ton schneiden, Fotos digitalisieren, Filme schneiden, etc.“


Die kulturtechnischen Anforderungen mussten also heruntergeschraubt werden. Anlass für die Umsetzung war schließlich die Anschaffung von Tablets für Lern-Apps in der Basisbildung des BHW NÖ. Schmitzberger wollte „das Massenphänomen der ,Selfies‘ nutzen, um traditionelle Lese- und Schreibübungen mit der Faszination Tablet zu kombinieren.“


Methoden

Die Methoden dazu stammen aus dem Digital Storytelling: Die Teilnehmenden stellen selbst ein kurzes Video her, in dem sie aus der Ich-Perspektive ihre eigene Geschichte erzählen. Zur Produktion des Videos werden Fotos oder Filmausschnitte, Musik und Erinnerungsgegenstände verwendet. Für den Selfie-Workshop wurde der Ablauf auf Story Circles und Selfie-Machen reduziert. Im Story Circle werden Impulse für Erzählungen gegeben. Alle haben zehn Minuten Zeit, eine eigene Geschichte dazu zu erzählen. Die anderen dürfen nachfragen. Wertungen sind nicht erlaubt. So werden prägende Erfahrungen verbalisiert, zu einer Geschichte verdichtet und eine Aussage daraus formuliert. Die Kursleitung erkennt dabei jede Geschichte grundsätzlich als wertvoll und bedeutsam an. Das wirkt sich positiv auf den Selbstwert aus und bildet die Voraussetzung für eine aktive Teilnahme. Gleichzeitig werden Kompetenzen im Umgang mit einem Tablet erworben: genau bedienen, Funktionen überblicken, Über-/Unter-/Nebenordnungen erkennen, das Ursache-Wirkung-Prinzip überprüfen.


Inhalt und Ablauf

Der erste Pilot-Workshop wurde als dreistündiges Lernangebot durchgeführt. In entspannter Atmosphäre regte die Kursleitung zu einer lustvollen Bearbeitung des Selfies auf dem Tablet an. Anschließend setzten sich alle zu einem sogenannten Story Circle – einem Geschichtenkreis – zusammen. Darin wurden Impulse zum Geschichten-Erzählen gegeben: „Wenn ich im Lotto gewonnen habe, …“ oder „Ich erkläre einem Alien die Regeln meines Lebens …“. Ihre Geschichten setzten die Teilnehmenden daraufhin in eine Selfie-Montage um. Dazu wurden kurze Texte geschrieben, überarbeitet und weiter bearbeitet: Dokumente eines Lernprozesses entstanden, bis hin zum individuellen Endprodukt.


Erste Erfahrungen im Pilot-Workshop

Die Kombination Tablet mit Lese-/Schreibübungen funktioniert sehr gut. Das Konzept ging dort am besten auf, wo sich die Teilnehmenden neugierig und intuitiv mit den Tablets beschäftigten. Daher war es den InitiatorInnen wichtig, das Selbstvertrauen in diese Intuition zu stärken: „Uns ging es beim Projekt Selfie um Empowering“, sagt Schmitzberger. Der schwierigste Schritt dabei war, die Teilnehmenden zu schriftlichen Äußerungen zu motivieren. Dabei stellte sich heraus, dass es für die Verschriftlichung einige Zwischenschritte brauchte. Als Empfehlung für zukünftige Workshops gilt: am besten die gesamte Runde mit Diktiergerät aufnehmen, wenn die Teilnehmenden damit einverstanden sind. Das ermöglicht es, die erzählten Geschichten zu hören und dann Teile daraus zu schreiben. Die Texte werden in der Gruppe vorgelesen, und wenn alle den Sinn eines Satzes verstanden haben, wird er auf ein DinA3-Blatt geschrieben. Das Aufschreiben gelang letztlich in vertrauensvoller Atmosphäre, frei von orthografischen Sanktionen.


Fazit von Erwin Schmitzberger: „Es gibt nichts Spannenderes als das Leben. Erfahrungen, Wahrnehmung, Einsichten und Erkenntnisse bilden, gerade beim Erlernen einer neuen Technik, die Grundlage für selbständige Nutzung. Neue Technologien sollen nicht zum Selbstzweck angeschafft werden. Sie sollen das Leben der Teilnehmenden erleichtern und ihnen die Vorteile, aber auch die Risiken von Technologie, Privatsphäre und den Umgang mit eigenen Bildern näher bringen.“

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