Der Ökologische Fußabdruck ist für die Klimabildung nicht immer hilfreich

08.07.2024, Text: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Klimaschutz ist wichtig, aber der eigene Ökologische Fußabdruck ist viel zu groß? Frustrierend! So geht es vielen. Klimabildung braucht daher Raum für Widerspruch und Reflexion und ein Denken weg von Defiziten hin zu Potenzialen.
Person geht auf einer Düne und hinterlässt Fußspuren.
Der Ökologische Fußabdruck stößt schnell an seine Grenzen, sagt Brigitte Grahsl, Expertin für Klimakommunikation bei klimaaktiv.
Foto: Unsplash Lizenz, Nathan McBride, https://unsplash.com

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Büro, für Familienbesuche oder Reisen ist es dann doch manchmal das Auto. Mit Wohnen und Essen komme ich auf einen Verbrauch von etwa neun Tonnen Co2 pro Jahr. Das ist weit weg von einem „nachhaltigen Budget“, das bei etwa eineinhalb Tonnen CO2 pro Jahr liegt. Hätte jeder Mensch den gleichen Fußabdruck wie ich, bräuchten wir mehr als zwei Planeten, sagt mir der Fußabdruck-Rechner. Dabei sehe ich mich durchaus als Person, der Klimaschutz und Nachhaltigkeit wichtig sind. Das Ergebnis ist somit schon frustrierend. So wie mir geht es vielen. Was bedeutet das nun für die Klimabildung? Neben Wissen und Information braucht es Reflexionsräume, die Möglichkeit, mit Widersprüchen umgehen zu lernen und ein Denken weg von den Defiziten hin zu den Potenzialen. 

Das Thema Ökologischer Fußabdruck passt nicht für jede Lerngruppe 

Den eigenen Ökologischen Fußabdruck verkleinern: In der Diskussion um die Klimakrise, geht es oft um das Ziel, wie jede*r Einzelne von uns den Ressourcenverbrauch und den CO2-Ausstoß reduzieren kann. In Bildungssettings mit engagierten Teilnehmenden werden gemeinsam Handlungsmöglichkeiten zur Verbrauchsreduktion gesucht, die sich in den eigenen Alltag integrieren lassen. Klingt einfach, oder? Das dachte sich damals wohl auch der Ölkonzern BP. Denn er hat den CO2-Fußabdruck erfunden. Im Jahr 2004 veröffentlichte der Konzern einen „Carbon Footprint“-Rechner und rief dazu auf, CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Es liegt der Vorwurf nahe, dass der Konzern das Problem damit auf die Einzelnen abwälzen wollte. Trotzdem: in Bildungssettings zeigt sich, dass der Ökologische Fußabdruck dabei helfen kann, Bewusstsein für Klimaschutz zu schaffen und Menschen zu motivieren – aber das erreicht nicht alle. Denn der Fußabdruck stößt schnell an seine Grenzen, sagt Brigitte Grahsl, Expertin für Klimakommunikation bei klimaaktiv. Klimafreundliche Optionen seien oft umständlich, teuer oder gar nicht verfügbar. Grahsl: „Selbst wenn man sich radikal einschränkt, ist es bei uns in Österreich unmöglich, den Fußabdruck auf Null oder Paris-konforme 1,5 Tonnen CO2-Äquivalente zu verkleinern.“ Die Strukturen lassen das einfach nicht zu. Das birgt Frustrationspotenzial, mit dem Erwachsenenbildner*innen auch im Lehr-/Lernsetting umgehen müssen.

Mit dem Ökologischen Handabdruck weg vom Defizit-Denken hin zu den Potenzialen

Als Ergänzung zum Ökologischen Fußabdruck gibt es den Ökologischen Handabdruck, der auch die weiterreichenden Auswirkungen von Handlungen berücksichtigt. Wenn ich mich zum Beispiel dafür einsetze, dass es in der Kantine nur noch saisonale Gerichte gibt, dann hat das einen weitreichenden Einfluss. Denn es ist eine Handlung, die nicht nur mich selbst betrifft, sondern auch auf andere wirkt.

Das Konzept kann also dabei helfen, Möglichkeiten für ökologisches Engagement zu erkennen und den Blick auf Potenziale statt auf Defizite zu richten. Denn im Gegensatz zum Fußabdruck, der auf Reduktion und Verzicht fokussiert, stellt der Handabdruck die positiven Auswirkungen unseres Handelns in den Mittelpunkt.

Das Gleiche gilt auch für die eigene berufliche Rolle als Erwachsenenbildner*in: Wenn ich als Trainer*in oder Bildungsberater*in gemeinsam mit Lernenden und Ratsuchenden nachhaltige Themen bearbeite, vergrößert das auch meinen eigenen Ökologischen Handabdruck. Erwachsenenbildner*innen kann das Konzept also auch dabei helfen, die eigene Rolle beim Klimaschutz zu reflektieren. 

Gefühls- und Reflexionsräume zu öffnen, ist ein Muss

Klimathemen sind oft emotional besetzt und eng mit unserer Identität verbunden. Wir haben gern ein positives Selbstbild. „Klimasünder*in“ zu sein, passt da nicht dazu. Wenn zum Beispiel Helmut (eine fiktive Person) viele Jahre für ein renommiertes Automobilunternehmen gearbeitet hat und sich stark mit seiner Arbeit identifiziert, kann die Klimakrise zu einer ganz persönlichen Identitätskrise werden. Denn er muss sich zunehmend für seine Arbeit rechtfertigen. Der Job wandelt sich vom angesehenen Arbeitsplatz zum Treiber der Klimakrise. 

Der Soziologe und Erwachsenenbildner Oskar Negt hat sich bereits in den 1980er Jahren damit beschäftigt und nennt Identitätskompetenz als notwendige Fähigkeit, um solchen Identitätsbrüchen entgegenzuwirken (siehe „6 Kompetenzen, die dabei helfen, gesellschaftliche Krisen zu überwinden“). Damit ist die Fähigkeit gemeint, sich reflektiert mit den Veränderungen der Gesellschaft und der eigenen Position darin auseinandersetzen zu können. Es ist notwendig, auch im Bildungssetting offene Räume für Reflexion, Austausch und (negative) Gefühle zur Verfügung zu stellen und diese gemeinsam zu bearbeiten, um nicht nur jene Lernenden abzuholen, die ein Engagement für den Klimaschutz bereits in ihr Selbstbild integriert haben.

Mit Widersprüchen umgehen und Ambiguitätstoleranz stärken

Wie bei vielen komplexen Herausforderungen unserer Gesellschaft gilt auch für die Klimakrise: Es gibt keine einfachen Lösungen. Und oft müssen wir mit Widersprüchen umgehen. Etwa, wenn wir Bio-Gemüse kaufen, das in Plastik verpackt ist, oder wenn wir in den Nachrichten lesen, dass Politker*innen mit dem Flugzeug zum Klima-Gipfel reisen. Die Klimakrise erfordert es, Widersprüche auszuhalten. Diese Ambivalenz- oder Ambiguitätstoleranz (siehe auch „Kompetenzen für eine demokratische Gesellschaft“) beinhaltet, trotz nicht auflösbarer Widersprüche weiter denken und handeln zu können. 

Eine Möglichkeit, diese Fähigkeit zu fördern, kann die Beschäftigung mit Kunst sein, so Michael Topp in „weiter.bilden“. Er berichtet von dem Bonner Künstler und Kunstpädagogen Juan Pablo Gómez Alvarez. Die erwachsenen Teilnehmer*innen seiner Mal- und Zeichenkurse stellen sich dem Feedback der Gruppe bzw. des Publikums bei Ausstellungen. Dabei entstehen vielfältige Sichtweisen und Interpretationen. Durch Beobachten, Nachahmen und Ausprobieren lernen die Teilnehmer*innen, eingefahrene Verhaltensweisen mit neuen Lösungsmöglichkeiten zu durchbrechen. Mit der Zeit gehen die Teilnehmer*innen gelassener mit Unsicherheiten und Frustrationen um, können Uneindeutigkeit eher akzeptieren und sogar bewusst einsetzen.

Gleichzeitig gilt es, Ambiguitätstoleranz klar von Resignation abzugrenzen, wie der Erwachsenenbildner Klaus-Peter Hufer in einem Beitrag von „weiter.bilden“ zeigt. „Soll, darf man diejenigen tolerieren, die die Demokratie abschaffen wollen?“, fragt er beispielhaft. Im Kontext der Klimakrise könnte man also fragen, ob man es einfach ertragen lernen muss, wenn politische Entscheidungsträger*innen Klimaschutz propagieren, aber den Klimawandel im großen Stil vorantreiben. Wohl eher nicht. Hier sei politisches Engagement gefragt, so Hufer. Klimabildung ist also auch politische Bildung. Denn wenn Menschen wissen, welche Möglichkeiten sie haben, sich auch politisch zu engagieren, können sie sich auch auf dieser Ebene für den Klimaschutz einsetzen.

Gemeinsam mit anderen zu lernen, Widersprüche auszuhalten und trotzdem handlungsfähig und engagiert zu bleiben, das ist also die Herausforderung. 

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

Verwandte Artikel