Kritische Medienkompetenz für alle! Perspektiven für die Erwachsenenbildung

09.09.2022, Text: Andrea Sedlaczek, COMMIT
Ansätze zur Vermittlung kritischer Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung zu entwickeln, war Ziel eines Seminars im Mai. Im Oktober geht es mit einer Tagung am bifeb weiter.
Beim Seminar Kritische Medienkompetenz für alle! wurden die Teilnehmenden didaktisch angeleitet, ihre eigenen MIL-Projekte und Workshops zu entwickeln.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Helmut Peissl/COMMIT, MIL-Seminar Lisa David, auf erwachsenenbildung.at
Digitale Kompetenzen sind in der Erwachsenenbildung in aller Munde. Gängige Referenzrahmen wie das DigComp-Framework stellen zumeist aber nur technische Mediennutzungs- und -gestaltungskompetenzen ins Zentrum. Dass es im Umgang mit digitalen Medien insbesondere auch kritischer Reflexionsfähigkeiten bedarf, zeigt sich nicht zuletzt in den vermehrten Diskussionen um Desinformation, Verschwörungserzählungen oder Hass im Netz, welche durch die Corona-Pandemie zusätzlich befeuert wurden. Die Erwachsenenbildung muss sich somit der Herausforderung stellen, niederschwellige und attraktive Angebote zu gestalten, mit denen kritische Medienkompetenz vermittelt werden kann.

 

Das neue UNESCO-Rahmencurriculum "Think critically, click wisely!", das 2021 veröffentlicht wurde, verbindet digitale Kompetenzen mit kritischen Medien- und Informationskompetenzen. Es eignet sich daher als hilfreiche Grundlage, um für eigene Bedürfnisse in der Erwachsenenbildung Angebote zu entwickeln. Wie eine solche Didaktisierung Kritischer Medienkompetenz anhand des MIL-Curriculums ("MIL" steht dabei für "Media and Information Literacy") der UNESCO gelingen kann, stand im Fokus eines Seminars, das von COMMIT in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) am 5. und 6. Mai 2022 abgehalten wurde.

Rahmencurriculum zu Medien- und Informationskompetenz

Zum Einstieg gab Stephanie Godec von der österreichischen UNESCO-Kommission einen Überblick über die Hintergründe und den Aufbau des Curriculums. Die UNESCO setzt mit ihrem MIL-Curriculum auf ein globales, interkulturelles und multidisziplinäres Verständnis von Medien- und Informationskompetenz, das in Einklang mit den grundlegenden Menschenrechten sowie den Zielen für Nachhaltige Entwicklung steht. Es will somit zentral das Recht auf Information, gesellschaftliche Partizipation und inklusive, chancengerechte Bildung fördern.

 

Als umfassendes Rahmencurriculum ist es darauf ausgelegt, von Institutionen oder einzelnen Lehrpersonen als Ausgangspunkt zur Entwicklung eigener pädagogisch-didaktischer Angebote herangezogen zu werden. Aufgebaut in 14 Modulen, bietet das Curriculum eine große Bandbreite an Themen, mit denen die Kompetenzen abgedeckt werden, die heute erforderlich sind, um sich mit jenen Inhalten auseinanderzusetzen, die uns über zahlreiche Medienanbieter und Plattformen zur Verfügung gestellt werden.

Kritische Medienkompetenz in der Praxis

Nachdem sich die Teilnehmenden im Seminar mit dem Aufbau und den Inhalten des MIL-Curriculums vertraut machen konnten, wurden mehrere Praxisbeispiele einer erfolgreichen Vermittlung von kritischer Medienkompetenz vorgestellt:

  • Carla Stenitzer, Ausbildungsleiterin beim Freien Radio Radiofabrik und dem Community TV FS1 in Salzburg, zeigte auf, wie in den Grundkursen und bei der Medienproduktion in freien Medien sowohl explizit als auch implizit Medien- und Informationskompetenzen vermittelt werden. Der Zugang der freien Medien, marginalisierte Gruppen zu empowern, deckt sich hierbei mit dem Anspruch des MIL-Curriculums.
  • Gerhard Bisovsky, vor seiner Pensionierung für viele Jahre Generalsekretär des Verbands Österreichischer Volkshochschulen, warf einen Blick auf die Medienkompetenzvermittlung in Volkshochschulen. Er sieht die Volkshochschulen als offenen Raum zum Probehandeln und strich insbesondere die Förderung von kritischem Denken und den Zusammenhang von Medien- und Demokratiebildung (z.B. im Rahmen des Demokratie MOOC) hervor.
  • Einen Blick über den Tellerrand der österreichischen Bildungs- und Medienlandschaft hinweg bot Manon Bissen, Sozialpädagogin beim Community Radio ARA in Luxemburg: Am Beispiel der non-formellen Jugendbildung im Radio ARA gab sie Einblicke in die Vermittlung kritischer Medienkompetenz in einem Kontext, der viele Gemeinsamkeiten mit den Anliegen der Erwachsenenbildung in Österreich aufweist.
  • Konkrete Anwendungen des MIL-Curriculums der UNESCO präsentierte Stephanie Godec mit einigen Beispielen aus dem Globalen Süden, in denen insbesondere der Kampf gegen Desinformation in lokalen Bevölkerungsgruppen im Zentrum stand.

Pädagogisch-didaktischer Transfer

Der zweite Teil des Seminars war dem Transfer in die Praxis der Teilnehmenden gewidmet. Pädagogisch und didaktisch angeleitet von der Bildungswissenschaftlerin Lisa David wurden in Kleingruppen Umsetzungsmöglichkeiten in den eigenen Kontext erarbeitet. Die entwickelten Projektentwürfe reichten von Train-the-Trainer-Ansätzen und der Ausbildung von Multiplikator*innen bis zu Workshops für Zielgruppen in der Basisbildung. Nach der intensiven Beschäftigung mit Vermittlungsansätzen von kritischer Medienkompetenz wurde am Ende des Seminars insbesondere der Wunsch nach einem vertieften Austausch von Methoden und Gelegenheiten zum Ausprobieren geäußert. Ein Ergebnis des Seminars ist eine offene Sammlung von hilfreichen Ressourcen und Materialien zu Medien- und Informationskompetenz, die in Zukunft laufend erweitert werden soll.

3./4. Oktober 2022: Tagung Bildung – Medien – Demokratie am bifeb

Dass die Förderung von kritischer Medienkompetenz Teil von Demokratiebildung ist, wie Gerhard Bisovsky in seinem Seminarbeitrag betont hat, wird auch in der kommenden Tagung Kritische Medienkompetenz 2022 am bifeb Anfang Oktober aufgegriffen. In der Tagung nehmen COMMIT und bifeb eine Bestandsaufnahme der Mediennutzung in Österreich vor und diskutieren mit Expert*innen Handlungsansätze für die Erwachsenenbildung. Mit Plenarvorträgen, einer Paneldiskussion und einer Reihe vertiefender Workshops bietet die Tagung eine Plattform zur Vernetzung unterschiedlicher Akteur*innen im Bereich Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung. Die Tagung baut auf den vergangenen Kooperationsveranstaltungen von COMMIT und bifeb zu Kritischer Medienkompetenz auf: "Medienmündigkeit auf der Höhe der Zeit" (Oktober 2021) und "Alle reden über Medienkompetenz. Wer übernimmt Verantwortung?" (April 2021).

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