Interview mit Historiker Rathkolb über Erwachsenenbildung

08.09.2022, Text: Mario Friedwagner, bifeb, Redaktion: Verena Springer, Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb)
Unter dem Titel "Status Quo Vadis " sprach Mario Friedwagner vom Bundesinstitut für Erwachsenenbildung mit dem Historiker Oliver Rathkolb über Ausblicke und Perspektiven in der Erwachsenenbildung. Ein Einblick in das Interview.

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Video: Interview mit Historiker Rathkolb über Erwachsenenbildung
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Am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) findet alljährlich von Mitte Juli bis Mitte August die Sommerhochschule der Universität Wien statt. Einer der Vortragenden an der Sommerhochschule ist der Historiker Oliver Rathkolb, der den internationalen Studierenden Prozesse der europäischen Integration vermittelt. Mario Friedwagner vom bifeb hat die Gelegenheit genutzt, um mit dem Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Uni Wien einen Blick zurück auf die Gründung des Sommerhochschule zu werfen, den Prozess der KEBÖ-Gründung vor 50 Jahren zu streifen und den gesellschaftlichen Auftrag der Erwachsenenbildung nach dem zweiten Weltkrieg anzusprechen.

 

Ein Einblick in das Interview:

Neuregelung der Erwachsenenbildung in den 1970er Jahren

Rathkolb erinnert an den politischen Anspruch am Beginn der 1970er Jahre, "möglichst viele Menschen nicht nur im klassischen Bildungs- und Universitätssystem […] zu versorgen", sondern auch zu versuchen, Bildungswege nach dem Schul- und Universitätsabschluss weiterzuführen. Es habe bis Mitte der 1980er Jahre das ganz klare politische Anliegen gegeben, gesamtösterreichisch möglichst viele Schichten der österreichischen Gesellschaft mit einem möglichst breiten Bildungsbegriff zu erfassen und auf diesem Weg die Entwicklung einer "funktionierenden parlamentarischen Gesellschaft und Zivilgesellschaft" zu fördern. Rathkolb spricht aber auch mit einem Blick auf die Gegenwart von einer wichtigen Funktion der Erwachsenenbildung, denn "Ökonomie, Gesellschaft und Wirtschaft findet in einem breiteren gesellschaftlichen Rahmen statt" und kann nicht nur "im engeren, eigenen Berufsfeld", im Rahmen von Fachausbildungen, verhandelt werden.

Gegenwärtige Chancen und Herausforderungen

Auch im Zusammenhang mit den "demographischen Änderungen der österreichischen Gesellschaft" und den sich ändernden kulturellen Herkunftsorten der Menschen, komme der Erwachsenenbildung eine "wichtige integrative Funktion" zu. Ganz im Sinne seines curricularen Schwerpunktes im Rahmen der Sommerhochschule (europäische Integration) plädiert der Historiker aber auch für einen europäischen Bildungsraum, der nicht nur die Universitäten umfasst, sondern auch die Erwachsenenbildung stärker miteinbezieht. Dadurch würde in Europa ein homogener, breiter Bildungsraum entstehen, über den etwa die USA, trotz ihrer vielen exzellenten Einrichtungen im Universitäts- und Forschungsbereich, nicht verfügen.

Eine europäische Bildungsstrategie für die Zukunft

Für die Zukunft sieht Rathkolb zentrale Herausforderungen im Bereich der politischen Bildung, der Civic Education und der Vermittlung kritischer Medienkompetenz. Die digitale Revolution und ihre gesellschaftlichen Begleiterscheinungen, wie etwa Hass im Netz, seien europaweit auch für die Erwachsenenbildung von großer Bedeutung. Der Historiker spricht sich daher für gemeinsame Initiativen im Bereich der europäischen politischen Bildung, auch der politischen Erwachsenenbildung aus: "Ich glaube, dass der mögliche Gestaltungsraum für eine moderne Erwachsenenbildung in der Zukunft noch größer werden sollte!"

 

Rathkolb fordert daher "eine gemeinsame europäische Bildungsstrategie", die, über Nationalstaaten und Bildungssektoren hinweg, gesamtgesellschaftlich angepackt wird: "Das europäische Parlament muss erkennen, dass es für Bildung keine Grenzen mehr gibt." Die Erwachsenenbildung in Österreich und Deutschland bringe hierfür "die besten Voraussetzungen" mit, allerdings müsse Bildung wieder ein politisches Anliegen werden: "Jeder Euro, der in Bildungsmaßnahmen investiert wird, hat eine höhere Rentabilität als jeder Euro, der in ein klassisches Infrastrukturprojekt gegeben wird."

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