Doing und Gaming Gender: Das Projekt GIG Gender-Integration-Gamification

29.10.2021, Text: Ulli Röhsner, Christopher Schlembach, Holger Bienzle, GIG-ProjektpartnerInnen, Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Das Projekt erprobt, ob eine spielerische Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen eine kritische Reflexion fördern kann – im Kontext interkultureller Begegnung und Migration.
Logo: Projekt GIG
Das Projekt GIG fragt danach, inwieweit mit Gamification eine kritischen Auseinandersetzung mit Gender gefördert werden kann.
Grafik: Alle Rechte vorbehalten,  MAKAM Research GmbH , https://makam.at/
Ist Gamification eine geeignete Methode, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und dem Irak zur kritischen Auseinandersetzung mit Gender-Inhalten zu motivieren? Dieser Forschungsfrage widmet sich das Projekt GIG - Gender - Integration – Gamification, das im Rahmen des Programms "Talente" vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert wird.

 

Das Projekt liegt an der Schnittstelle der soziologischen Analyse von Integrationsprozessen mit Blick auf Vorstellungen von Geschlechtlichkeit und die Konstruktion der eigenen geschlechtlichen Identität und der erwachsenenbildnerischen Begleitung dieser Prozesse über den Einsatz mediatisierter Lerntools, die auch spielerische Elemente enthalten.

Von Doing zu Gaming Gender: das GIG-Game

Die Reflexion von Geschlechterbildern und geschlechtlicher Identität ist wichtig, damit Integration gelingt. Hierzu wurde im Projekt ein Spielsetting entwickelt, um Lernprozesse im Sinne des reflexiven Umgangs mit geschlechtlicher Identität und Geschlecht als Interaktionskategorie anzuregen.

 

In einem Spielsetting wird die Herstellung von Geschlecht im Alltag (Doing Gender) für einen Moment unterbrochen. Eine Lernplattform, die Filmsequenzen und spielerische Elemente enthält, macht Geschlechterkonstruktionen und -konstellationen auf zwei Weisen sichtbar: Erstens durch Fragen, Bewertungen und Wahlmöglichkeiten eigener Reaktionen. Zweitens werden sie sichtbar durch die Zuspitzung geschlechtlicher Aspekte der sozialen Interaktion in einem anderen Medium – Die Spielwelt ist, anders ausgedrückt, eine von vielen Realitäten und die Lernprozesse bestehen darin, die Geschlechterkonstruktionen im Spiel mit jenen des Alltags in Beziehung zu setzen und diese damit aufzubrechen und reflexiv verfügbar zu machen.

GIG-Game-Website

Szenenübersicht des GIG-Game (Alle Rechte vorbehalten, die Berater Unternehmensberatungs Gmbh)

 

In drei Szenen werden die Spielenden angeregt, sich mit Genderaspekten in den Lebensbereichen "Beruf", "Haushalt und Kindererziehung" sowie "Freizeit" auseinanderzusetzen. Jede Szene besteht aus Videosequenzen, die alltagsnahe Situationen nachbilden. Während dieser Szenen werden Reflexionsfragen zur eigenen Haltung und Bewertung gestellt. Die Spielenden werden zu Handlungsentscheidungen aufgefordert. Je nachdem, wie sich die Person entscheidet, werden unterschiedliche Lerninputs zum Thema Gender gegeben. Am Ende jeder Szene steht ein Wissensquiz zur Überprüfung dieser Lerninhalte.

Testphase und qualitative Evaluierung: ErwachsenenbildnerInnen können sich beteiligen

Im Zeitraum Oktober 2021 bis Jänner 2022 wird das GIG Game in einer Testphase von MigrantInnen erprobt und evaluiert. Hierbei steht neben der Erhebung der NutzerInnenzufriedenheit bezüglich Usability, Funktionalität, Design und Informationswert eine qualitative Einschätzung im Vordergrund, inwieweit die gamifizierte Lernumgebung zu Lern- und Reflexionsprozessen anregt. Diese erfolgt in Form von persönlichen Tiefeninterviews und Fokusgruppen. Im Zentrum steht die Frage, ob Gamification eine geeignete Methode ist, um neue Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zu entwickeln bzw. verinnerlichte Vorstellungen zu verändern. Der in der Testphase identifizierte Adaptierungsbedarf dient als Basis für eine Weiterentwicklung des Spiels.

 

Das Spiel ist so konzipiert, dass es sich in erster Linie für den Einsatz in Integrationsmaßnahmen eignet, die dann Möglichkeiten zur vertieften Auseinandersetzung und Reflexion mit den Themen bieten. ErwachsenenbildnerInnen, die sich mit ihren Integrationsgruppen an der Testphase des Games beteiligen möchten, sind eingeladen, sich an das GIG-Projektteam zu wenden.

Wissenschaftliche Grundlagen

Geschlechtliche Identität und Geschlechterverhältnisse sind in allen komplexen Gesellschaften ein zentrales Element der Sozialstruktur, das vielfältig gestaltet ist und sich nicht auf einfache Stereotype reduzieren lässt. Mannsein und Frausein in einer modernen Gesellschaft reflektieren keine Gruppenzugehörigkeiten, die über Statusrollen im Rahmen einer Geschlechterordnung vermittelt sind. Vielmehr spiegeln sie Erfahrungen von Individualität im sozialen Beziehungsraum wider, die sich in den verschiedenen Zusammenhängen des sozialen Lebens, wie Familie, Arbeit, Schule, Freunde, bilden. Das trifft auch auf die Zielgruppe von GIG zu, auf Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und dem Irak.

 

Zugleich ist Geschlecht eine Strukturkategorie. Soziodemographische Einflussfaktoren lassen sich erkennen, die für die Entwicklung von geschlechtsspezifischen Werten und Normen und den darauf basierenden Geschlechterrollen von Bedeutung sind. Regionale Unterschiede der Herkunftsländer sowie jene zwischen dem städtischen Leben und jenem in ländlichen Regionen haben Einfluss auf unterschiedliche Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. Genauso spielen dabei Alter, der Bildungsstand, der Erwerbsstatus und die erfahrene Sozialisierung aufgrund der Herkunftsfamilie sowie die (praktizierende) Religionszugehörigkeit eine Rolle. Vor allem Bildung und soziale Schicht sind wesentliche Einflussfaktoren für die Wahrnehmung und Bewertung von Geschlechterrollen: So ist die Vermittlung von Informationen prinzipiell leichter, wenn die Person bestimmten Themen offener gegenübersteht, was vor allem bei MigrantInnen mit höherem Bildungsstand zu beobachten ist. Das Milieu des Heimatlandes gibt besonders im Kindesalter wiederum eine Grundhaltung gegenüber Geschlechterverhältnissen vor.

 

 

Über die AutorInnen: Ulli Roehsner ist Geschäftsführerin bei MAKAM Research GmbH und Leiterin des Projekts GIG, Christopher Schlembach (Uni Wien) und Holger Bienzle (die Berater Unternehmensberatungs Gmbh) sind Projektpartner bei GIG.

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