5 Tipps zur barrierefreien Kommunikation im Bildungsbereich

14.07.2021, Text: Birgit Masopust, Projekt "BhW barrierefrei" des BhW Niederösterreich, Redaktion: Barbara Gruber-Rotheneder, BhW Niederösterreich/Ring ÖBW
Kommunikationsbarrieren sind vielfältig. Fünf Tipps fassen zusammen, wie eine barrierefreie Kommunikation im Bildungsbereich umgesetzt werden kann.
Tipp: Lassen Sie Ihre nächste Bildungsveranstaltung mittels Österreichischer Gebärdensprache dolmetschen.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, © BhW / Josef Herfert, Barrierefreie Kommunikation, http://www.bhw-n.eu
Kommunikation und Informationsaustausch passieren auf verschiedenen Ebenen und sind ein wichtiger Baustein des menschlichen Zusammenlebens und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Insbesondere Menschen mit Seh- und Hörbeeinträchtigungen, Menschen mit Lernschwierigkeiten und auch Menschen mit Defiziten im Bereich des Lesens und Schreibens sind in der Kommunikation oft mit Barrieren konfrontiert. Zu kleine Schriftgrößen, fehlende Untertitel und eine zu komplizierte Fachsprache sind einige Beispiele, die die Aufnahme von Informationen (be)hindern. Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz bilden die gesetzliche Grundlage, auf eine barrierearme Kommunikation zu achten, um eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Für Organisationen im Bildungsbereich ist dies ein wichtiger Auftrag, mittels barrierefreier Kommunikation auch bislang ausgeschlossene Zielgruppen anzusprechen.

Kommunikationsbarrieren sind vielfältig

In der Fachliteratur (vgl. Schubert 2016:15 zit. nach Maaß/Rink 2020: Handbuch Barrierefreie Kommunikation) werden verschiedene Typen von Kommunikationsbarrieren definiert.
Ist ein Sinneskanal zur Aufnahme diverser Informationen beeinträchtigt, so spricht man von einer Sinnesbarriere. Das heißt, sind Augen, Ohren oder der Tastsinn beeinträchtigt, so kann eine Information, die über einen dieser Kanäle aufgenommen wird, nicht wahrgenommen werden. Von einer Fachbarriere spricht man, wenn fachliches oder inhaltliches Wissen fehlt und der Textgegenstand nicht verstanden wird. Eine Form der Barriere, die in der Literatur als eine der größten Herausforderungen angesehen wird, ist die Fachsprachenbarriere. Die Fachsprache, die den Inhalt der Aussage stützt, wird in diesem Fall nicht verstanden. Fach- und Fachsprachenbarriere können oft gekoppelt auftreten.

 

Oft kommt es auch vor, dass das kulturelle Wissen für das Verständnis eines Textes nicht vorhanden ist. Dabei handelt es sich um die Kulturbarriere. Sind die Informationen sprachlich und inhaltlich zu komplex, sodass sie die Verarbeitungsmöglichkeit der EmpfängerInnen übersteigt, so liegt eine Kognitionsbarriere vor. Gerade für Menschen, die eine andere Muttersprache als die im Text benutzte Sprache sprechen, liegt eine Sprachbarriere vor. Problematisch ist auch die Medienbarriere, da diese Auswirkungen im Bereich der Codalität und der Modalität haben kann. Sprachliche Informationen, die via Code (Zeichen oder Symbole) kommuniziert werden, können von den NutzerInnen nicht wahrgenommen werden (Codalität). Barrieren im Mode liegt dann vor, wenn das Sinnesorgan, das die Information aufnimmt, nicht mehr funktionsfähig ist (Modalität). Auch das (Träger-)Medium selbst kann zur Barriere werden, wenn Menschen zu dessen Nutzung keinen Zugang haben.

 

Wie können wir in unseren Bildungsorganisationen nun dieser Vielfalt an Barrieren in der Kommunikation begegnen? Um eine barrierefreie Kommunikation zu erreichen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten und Werkzeuge, die nachfolgend aufgelistet werden. Manche der Tipps lassen sich mit geringen Ressourcenaufwendungen umsetzen, manche erfordern mehr Einarbeitungszeit und Investition. Dieser Aufwand ist aber durchaus lohnenswert, wenn es darum geht, weitere Zielgruppen zu erschließen.

Tipp 1: Barrierefreie Dokumente

Digitale Barrierefreiheit ist wesentlich für die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Daher ist es für Bildungsorganisationen wichtig, digitale Dokumente möglichst barrierefrei zu gestalten. Word-Dokumente lassen sich etwa durch bestimmte Formatierungsschritte (Definition von Überschriften und Fließtext, Vermeiden unnötiger Absätze, Einfügen von Alternativtexten für visuelle Inhalte) barrierefreier gestalten. Die automatische Barrierefreiheitsprüfung unterstützt dabei und gibt inklusive Empfehlungen zur Verbesserung des Dokuments. Wird ein Dokument auf diese Weise erstellt, unterstützt dies die Sprachausgabe, die blinden und sehbeeinträchtigten Menschen das Dokument vorliest. Das Projekt BhW barrierefrei des BhW Niederösterreich bietet eine einfache Anleitung, wie Dokumente barrierefrei gemacht werden können und bietet auf Wunsch auch Beratung an.

Tipp 2: Untertitelung

Eine Untertitelung hilft hörbeeinträchtigten und gehörlosen Personen, Informationen aufzunehmen. Durch den Einsatz von Untertiteln können daher Sinnesbarrieren abgebaut werden. Diese Möglichkeit kann von Bildungsorganisationen beispielsweise bei Videos von Präsenz- oder Online-Veranstaltungen sowie bei Lernvideos, Screencasts und dergleichen angewandt werden. Meistens wird die Untertitelung am unteren Rand eines Videos eingeblendet. Sie gibt schriftlich wieder, was auf der Tonspur zu hören ist. Auf YouTube oder Facebook können diese einfach und automatisch generiert werden.

Tipp 3: Leichte Sprache

Das Netzwerk Leichte Sprache hat ein Regelwerk erstellt, um die Ausdrucksweise der deutschen Sprache zu vereinfachen. Hier spielen neben der visuellen Gestaltung (größere Schriftart, jeder Satz in einer neuen Zeile, linksbündig etc.), die Morphologie (kurze Wörter, Trennung langer Wörter durch Bindestriche, Vermeidung von Abkürzungen etc.), die Lexik (keine Fremdwörter etc.), der Aufbau des Textes und noch einige andere Regeln eine wichtige Rolle. Die Verwendung der Leichten Sprache hilft unter anderem dabei, der Sinnesbarriere, der Fach- und Fachsprachenbarriere, aber auch der Sprachbarriere entgegenzuwirken. Werden Drucksorten (Informationsbroschüren, pädagogische Handreichungen) in Bildungsorganisationen unter diesem Blickwinkel gestaltet, nutzt dies vielen Zielgruppen: Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen, die nicht gut lesen und schreiben können, Menschen, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, Demenzerkrankte und vielen mehr. Generell sorgen Erklärungen der verwendeten Fachsprache und medialen und kulturellen Codes für ein höheres Verständnis bei den RezipientInnen.

Tipp 4: Schriftdolmetschen

Das Dolmetschen in andere Sprachen kennen wir bereits von Interviews oder Ähnlichem. Genauso funktioniert das Dolmetschen auch in eine schriftliche Form, denn auch hier wird das Gesprochene in Echtzeit in Schriftform simultan übersetzt und Sprache dadurch sichtbar gemacht. Äußerungen und Geräusche werden ebenfalls gedolmetscht, diese werden dann in Klammern geschrieben: (Handy klingelt) (Musik). Schriftdolmetschen hilft hörbeeinträchtigten und gehörlosen Personen und sorgt daher dafür, Sinnesbarrieren in der Kommunikation abzubauen. Bei Vor-Ort-Veranstaltungen – etwa bei einer Tagung mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen – können SchriftdolmetscherInnen die Lautsprache simultan in Schriftsprache umsetzen. Das gesprochene Wort kann dann auf einem zusätzlichen Screen im Raum (oder über ein Tablet oder Smartphone) mitgelesen werden.

Tipp 5: Gebärdensprachdolmetschen

In Österreich ist die Gebärdensprache in der Verfassung als eigenständige Sprache verankert. Sie hat eine eigene Grammatik und ist innerhalb und außerhalb des Landes mit Dialekten geprägt. Man spricht also nicht von einer Gebärdensprache, sondern von vielen verschiedenen. Gebärdet wird sowohl mit den Händen als auch mit der Mimik und Bewegungen des Oberkörpers und des Kopfes. Die Gebärdensprache verwenden gehörlose Personen. Bei Bildungsveranstaltungen können daher GebärdensprachdolmetscherInnen das gesprochene Wort für gehörlose Personen dolmetschen, um auch dieser Zielgruppe eine Möglichkeit zu bieten, diese Sinnesbarriere zu überwinden und die gesprochenen Informationen aufzunehmen. Dies ist auch möglich, wenn die Veranstaltung online umgesetzt wird. Wird die Veranstaltung zudem aufgezeichnet, stehen die Informationen auch danach noch einer breiten Zielgruppe zur Verfügung.

 

Wenn einige dieser Möglichkeiten und Werkzeuge in der Arbeit mit verschiedenen Zielgruppen aufgegriffen werden, ist dies ein wichtiger Schritt in Richtung Barrierefreiheit und in Richtung einer inklusiven Gesellschaft.

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