Alle reden über Medienkompetenz. Wer übernimmt Verantwortung?

Das MIL-Konzept der UNESCO
Dieser Ansatz beschäftigt sich mit der zentralen Rolle von Informationen und Medien in demokratischen Gesellschaften: Als Produzent*innen und Nutzer*innen von Informationen und Medieninhalten sollen Bürger*innen dazu befähigt werden, die Funktion von Informationen und Medien zu verstehen, deren Inhalte kritisch zu bewerten und entsprechend informierte Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus hielt der UNESCO-Experte Alton Grizzle in seiner Präsentation fest, dass das MIL-Konzept gegenwärtig mehr denn je gebraucht wird, da laufend neue Änderungen in Bereichen der digitalisierten Medien und Informationssphäre aufkämen, zu denen Akteur*innen ungleiche Zugänge hätten.
Medienkompetenz als Schlüsselherausforderung für die Bildungs- und Medienpolitik
Ergänzend dazu gab Martin Ritter von der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) Einblicke in die MIL-Praxis in Deutschland. Er verwies darauf, dass es seit der Einführung des Medienstaatsvertrags (früher Rundfunkstaatsvertrag) 2021 keine harte Trennung mehr zwischen den Bereichen Bildung und Medien in Deutschland gäbe. Dadurch sind u.a. wichtige Initiativen zusammengebracht worden. In Thüringen erteilt die TLM Auskunft und gibt einen Überblick zu den verschiedenen Akteur*innen im Bereich Medienkompetenz. Laut Ritter brauche es für diese Informationsbeschaffungen nur Zeit: "Es ist nichts, das von heute auf morgen passiert. Für Bürger*innenmedien wäre Ressourcen-Unterstützung durch ausgeschriebene Förderungen vorteilhaft."
Weiters unterstrich Ritter, dass es für ein gelungenes MIL-Mapping (eine virtuelle Karte von MIL-Initiativen) jemanden bedarf, die/der dafür verantwortlich sei: "Es ist wichtig, dass es jemanden gibt, der/die in den etwaigen Arbeitsgruppen sitzt, die Richtlinien kennt und mitdiskutiert." Durch diese Verantwortung findet die TLM mittlerweile bei allen Stakeholdern in Thüringen breite Akzeptanz. Die aktuellen Herausforderungen sind die Projektfördermittel, die nicht wirklich nachhaltig sind. Institutionelle Förderungen für vier bis fünf Jahre wären das Ziel, um den prekären jährlichen Projektförderungen bei vielen Medienorganisationen entgegenzusteuern. Grundsätzlich ermöglicht wurde das MIL-Mapping in Thüringen durch die zweigliedrige Förderarchitektur: Eine Grundförderung für die Etablierung einer Geschäftsstelle, welche Arbeits- und Förderfähigkeit ermöglicht. Andererseits gibt es gezielte Projektförderungen - analog zur Bundesförderung, womit Sonderprojekte und kleine Initiativen gefördert werden können.
Bedarf für Bündelung von MIL-Initiativen und -Aktivitäten in Österreich
Im Anschluss an die Vorstellung der vielfältigen Konzepte und Strategien, die im In- und Ausland zu MIL beitragen, wurde in Kleingruppen über das Potential eines MIL-Netzwerkes für Österreich diskutiert. Als Ergebnis dieser Diskussionen kann festgehalten werden, dass die Etablierung eines MIL-Netzwerkes in Österreich sinnvoll und dringend erscheint, dass dazu aber auch schon auf bestehende Teilnetzwerke aufgebaut werden kann. Nach der weiteren Feststellung der Expert*innen, dass die gesamten MIL-Informationen noch übersichtlich und transparent in Österreich gesammelt und strukturiert werden müssen, wurden gemeinsam Grundlagen zur Etablierung eines MIL-Netzwerkes in Österreich erarbeitet: Bei der Umsetzung von MIL-Konzepten und Strategien sind Akteur*innen der Medien- und Bildungspolitik angesprochen, insbesondere aber auch jene der Erwachsenenbildung.
Nächste Schritte
Für die Seminarteilnehmenden und weiteren Interessierten am Thema soll es eine Kommunikationsplattform geben. Zudem hat das Modell des irischen MIL-Netzwerkes den teilnehmenden Expert*innen zufolge auch für Österreich großes Potential. Zur tiefergehenden Auseinandersetzung mit den Erfahrungen und dem Aufbau des MIL-Netzwerkes in Österreich soll ein eigener Onlinetermin mit der Initiatorin in Irland Martina Chapman organisiert werden.
Weiters geplant ist die Konzeption und Umsetzung eines MIL-Mappings, um alle aktiven und potenziellen Organisationen und Partner*innen für ein MIL-Netzwerk zu erfassen. Dazu kann auf die aktuelle Arbeit der Plattform mediamanual aufgebaut werden.
Als nächste Präsenzveranstaltung soll die Tagung "Medienmündigkeit in der Erwachsenenbildung" am 4. und 5. Oktober 2021 am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) zum Austausch und zur Weiterarbeit genutzt werden. In diesem Rahmen ist auch das nächste Treffen des Think Tanks "Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung" vorgesehen.
Darüber hinaus sollen für u.a. gemeinsame Aktivitäten Thementage und -wochen genutzt werden – darunter z.B. die Woche der Medienkompetenz von 18. bis 25. Oktober 2021, der jährlich stattfindende Safer Internet Day sowie die Woche der Politischen Bildung.
Die wichtigsten Eckpunkte der vergangenen Tagung
Die Tagung fand von 19. bis 21. April unter dem Titel "Alle reden über Medienkompetenz. Wer übernimmt Verantwortung?" statt. Das Online-Seminar wurde konzipiert und geleitet von Gerhild Schutti (bifeb) und Helmut Peissl (COMMIT) und moderiert von Jeffrey Wimmer (Universität Augsburg). Als Expert*innen waren eingeladen:
Alton Grizzle (UNESCO, Paris), Maria Donde (OFCOM/EPRA, London), Martin Ritter (Thüringer Landesmedienanstalt, TLM), Martina Chapman (Media Literacy Ireland, Dublin), Isabelle Courtney (Training and development subgroup of MLI), Elaine King (near tv, Dublin).

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