Think-Tank: Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung

20.11.2020, Text: Tania Napravnik, COMMIT, Redaktion: Helmut Peissl, COMMIT
Welche Herausforderungen es für die Erwachsenenbildung gibt und wie sie diesen begegnen kann, war Thema eines Expert_innen-Treffens am bifeb.
Think-Tank zur kritischen Medienkompetenz im September.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Helmut Peissl/COMMIT, https://www.commit.at
Das Expert_innen-Treffen fand am 10. und 11. September 2020 am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) statt. Aus interdisziplinärer Perspektive wurde bei diesem Gründungstreffen darüber reflektiert, welche aktuellen Herausforderungen im Bereich der Vermittlung bzw. Verankerung kritischer Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung bestehen und wie diese durch geeignete Konzepte, Materialien oder Aktivitäten gemeistert werden könnten.

Ausgangslage: Steigender Bedarf für kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung

Im Zeitalter der Digitalisierung wird kompetentes und kritisches Medienhandeln zu einer zentralen gesellschaftlichen Herausforderung: Was können unterschiedliche Akteur_innen aus den Bereichen Journalismus, Mediengestaltung, der Sozial-, Geistes-, oder Kommunikationswissenschaft und der Erwachsenenbildung zur Stärkung kritischer Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung beitragen?

 

Denn obwohl die Folgen des digitalen Medienwandels alle Generationen betreffen, gibt es in der Erwachsenenbildung bis dato nur wenige Bildungsangebote zur kritischen Medienkompetenz. Es gilt Erwachsenenbildner_innen (Trainer_innen und Entscheidungsträger_innen) mit diesbezüglichem grundlegendem Wissen auszustatten.

 

Denn gegenwärtig kennzeichnen Umbrüche die Medienlandschaft: Medien werden zunehmend von verschiedensten Akteur_innen und unterschiedlichen Disziplinen gestaltet. Dabei äußern sich so manche zu bestimmten Themen unreflektiert, ohne dies jemals formal gelernt zu haben. Gleichzeitig verliert der klassische Journalismus an Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs. Auch haben Medienkonsument_innen zunehmend Schwierigkeiten, Informationen in Hinblick auf deren Zuverlässigkeit voneinander zu unterscheiden (Fake vs. Real News). Insbesondere Fake News oder aber verzerrte Deutungsrahmen (Framing) können bei Rezipient_innen weitgehende Desorientierung auslösen. Durch die massive Verbreitung von Fake News auf Social Media-Plattformen lassen sich "Bumerangeffekte" im Sinne einer dysfunktionalen Gegenöffentlichkeit beobachten, die sich primär gegen etablierte Medien wendet.

 

Zudem sieht sich die Erwachsenenbildung mit starken Veränderungen konfrontiert. Beispielsweise übernehmen mittlerweile auch Vertreter_innen von Internetkonzernen oder Stiftungen die Rolle von Lehrenden. Auch sind viele Menschen auf sich selbst zurückgeworfen: Sie informieren sich alleine via Computer oder Smartphones zu bestimmten Themen, agieren aber dennoch in sozialen Kontexten und somit in Abhängigkeiten, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Kritisch-reflexiven Umgang mit Medien fördern

Kritische Medienkompetenz bedeutet, dass Medienbildung über die bloße Vermittlung von technischen Werkzeugen hinausgeht und betont daher die politische Dimension des Medienhandelns. Die Expert_innen-Gruppe war sich einig, dass es den kritisch-reflexiven Umgang mit Medien zu fördern gilt, sodass die Medien(strukturen) in einen breiteren gesellschaftlichen Kontext gestellt bzw. erklärt werden und (Un-)Gleichheiten sichtbar werden. Dadurch soll ein sensibler und differenzierter Umgang mit Medien in der Erwachsenenbildung erreicht werden.

Verantwortung des Journalismus bei der Wissensvermittlung

Seriöser Journalismus, sei es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in etablierten Printmedien oder in nichtkommerziellen Community Medien, kann als Dienstleistung verstanden werden. Seine Zielsetzung ist es, über Geschehnisse, gesellschaftliche Entwicklungen oder wissenschaftliche Erkenntnisse, die für Bürger_innen von Bedeutung sind sachgemäß zu berichten. Dementsprechend hoch sehen die Expert_innen seine gesellschaftliche Verantwortung in der Wissensvermittlung: Journalist_innen müssen Fakten und unterschiedliche Ideen gut vermitteln können, lautete das Credo im Rahmen des Think-Tanks.

Ungleichheiten bei digitalem Wandel mitdenken

Thema des Think-Tanks war auch Digitalisierung und Ungleichheit. Technik ist nie neutral, so in der Expert_innengruppe zu hören. Ungleichheitskategorien sind in ihr stets eingeschrieben, daher kann Digitalisierung zu zahlreichen neuen Konflikten, Klüften und Ungleichheiten führen. So gibt es einerseits Generationen und Milieus, die mit der Digitalisierung bisher analog gestalteter Prozesse in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen nicht gut zurechtkommen und nicht mit den entsprechenden Zugängen, Geräten bzw. technischen Kompetenzen ausgestattet sind. Andererseits können Menschen, gemäß der Theorie vom Second Level Digital Divide, aus dem Zugang zu digitalen Medien (trotz gleicher technischer Ausstattungen) in Abhängigkeit von ihrem Vorwissen und sozialen Ressourcen nicht denselben Nutzen ziehen.

Vertiefung des Think Tanks und Symposium geplant

Die Expert_innengruppe wird sich von 19. bis 21. April erneut treffen, um das Thema Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung zu vertiefen. Konkret wird es dabei um die Vorstellung von nationalen oder regionalen Media & Information Literacy Netzwerken gehen. Aber auch der Austausch zum Verständnis Kritischer Medienkompetenz in anderen Ländern und die Planung weiterer Workshops bzw. Publikationen stehen im Fokus des nächsten Treffens.

 

Von 4. bis 6. Oktober 2021 ist zudem ein Symposium "Kritische Medienkompetenz" am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung geplant.
Weiters will die Expert_innengruppe ein Modul zur kritischen Medienkompetenz für Trainer_innen bzw. Multiplikator_innen in Kooperation mit unterschiedlichen Organisationen (weiter-)entwickeln.

Weitere Informationen:
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