Studie zu Auswirkungen von Corona auf Österreichs Erwachsenenbildung

06.04.2021, Text: Karin Gugitscher, öibf, Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
40% der ErwachsenenbildnerInnen mussten (sehr) starke Auftrags- und Einkommensrückgänge bewältigen. Neue Chancen sehen die Befragten besonders bei digitalen Lehr-/Lernformaten.
30% der Befragten geben an, von Mehrkosten, z.B. für technische Ausstattung, sehr stark bzw. stark betroffen zu sein.
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Die Universität Klagenfurt und das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) führten mit finanzieller Unterstützung des BMBWF eine explorative Studie zu Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen auf die Erwachsenenbildung in Österreich durch. Die Befragung fand von Mitte September bis Mitte Oktober 2020 online statt. Befragt wurden LeiterInnen von Organisationen bzw. Organisationseinheiten, PraktikerInnen (KursleiterInnen, TrainerInnen, ProgrammplanerInnen, BeraterInnen u.ä.) sowie ExpertInnen des Feldes (in Dachverbänden, Qualifizierung, Verwaltung, Forschung u.ä.). Für die Auswertung wurden 342 (fast) vollständig ausgefüllte Fragebögen herangezogen. Die Ergebnisse zeigen unmittelbare Effekte der Pandemiemaßnahmen und zukünftige Bedarfe in der Erwachsenenbildung.

Lockdownmaßnahmen brachten tiefe Einschnitte in laufende und geplante Angebote

Nahezu alle an der Umfrage teilnehmenden Organisationsverantwortlichen gaben an, vollständig (44%) bzw. stark (48%) von Umplanungen ihrer laufenden Angebote aufgrund der Covid-19-Verordnungen ab Mitte März 2020 betroffen zu sein. Nur 7% waren kaum oder gar nicht von Umplanungen betroffen. 29% der Organisationsverantwortlichen mussten geplante Angebote vollständig absagen und weitere 53% in starkem Ausmaß. 26% mussten bereits gebuchte und belegte Bildungsmaßnahmen gänzlich stornieren und weitere 44% trafen Stornos stark. 64% verzeichneten einen vollständigen bzw. starken Nachfrageeinbruch.

Zeitliche Mehrbelastung als größte Herausforderung

Die größte persönliche Herausforderung bei der Bewältigung der Covid-19-Maßnahmen war für die meisten Organisationsverantwortlichen und PraktikerInnen die zeitliche Mehrbelastung. Auch Unklarheit der rechtlichen Rahmenbedingungen und ein vermehrter Kommunikationsaufwand finden sich in den Top 5 der genannten Herausforderungen dieser Personengruppen.

 

Auftrags- und Einkommensrückgänge haben 40% der Organisationsverantwortlichen und PraktikerInnen sehr stark bzw. stark betroffen. Mehrkosten, z.B. die technische Ausstattung betreffend, betrafen 30% sehr stark bzw. stark. Fast 40% mussten Kurzarbeit sehr stark bzw. stark zur Krisenbewältigung in Anspruch nehmen. Ob der Bestand der Einrichtung durch die Pandemiemaßnahmen gefährdet ist, beurteilen die RespondentInnen mit Leitungsverantwortung im Herbst 2020 zurückhaltend oder abwartend.

Krisenbewältigung durch hohes persönliches Engagement der Mitarbeitenden

Die Covid-19-Lockdown-Maßnahmen zwischen Mitte März und Juni 2020 konnten insbesondere aufgrund der hohen persönlichen Einsatzbereitschaft sowie der Flexibilität und dem Anpassungsvermögen der Mitarbeitenden bewältigt werden. Verbandsstrukturen und Interessenvertretungen, verfügbare Lehr-/Lernmaterialien und ein in der Erwachsenenbildung vergleichsweise geringer Regelungs- und Verrechtlichungsgrad waren hingegen kaum oder gar nicht förderlich zur Krisenbewältigung. 27% der befragten Organisationsverantwortlichen geben an, in den vermehrten Austausch ihrer MitarbeiterInnen investiert zu haben. 24% griffen auf Rücklagen zurück. Zur Bewältigung der Covid-19-Maßnahmen Mitte März 2020 reduzierten 21% der Organisationsverantwortlichen Honorarkräfte und 6% ehrenamtlich Tätige. 5% der Personen mit Leitungsfunktion mussten Kündigungen vornehmen.

Fast zwei Drittel schätzen gleichberechtigte Teilhabe an Erwachsenenbildung als gefährdet ein

44% der PraktikerInnen stimmen der Aussage gänzlich und 21% sehr zu, dass die gleichberechtigte Teilhabe an Erwachsenenbildung durch die Covid-19-Krise gefährdet ist. Die unmittelbaren Auswirkungen des ersten Lockdowns auf die Teilnahme der KlientInnen zeigt ein zweigeteiltes Bild: 43% der PraktikerInnen geben an, dass es durch die Umstellung des Angebots kaum (11%) bis gar nicht (32%) zum Ausschluss von Personen kam. Dem gegenüber sagten 40% der PraktikerInnen, dass Angebotsumstellungen zu Exklusionen führten. Als Gründe für den Ausschluss werden vor allem eine unzureichende technische Ausstattung und Medienkompetenz von Teilnehmenden angeführt. Personen mit sozialer, kultureller, technologischer oder körperlicher Benachteiligung konnten kaum (21%) oder gar nicht (43%) in entsprechender Weise berücksichtigt werden.

Digitalisierungsschub mit Innovationspotential

Die Corona-Krise erhöhte die "digitale Bereitschaft" von ErwachsenenbildnerInnen massiv: 54% der Organisationsverantwortlichen und PraktikerInnen geben an, diese habe sich beschleunigt und 37%, dass sie durch die Krise erzwungen wurde, und auch zukünftig wichtig sei. Lediglich 3% erachten die Bereitschaft, digitale Instrumente einzusetzen, zukünftig für nicht erforderlich. Auch bei den Teilnehmenden nehmen über 90% der Befragten eine Erhöhung der digitalen Bereitschaft wahr.
Die Pandemie bringt daher auch neue Chancen. Diese werden vor allem im Bereich neuer bzw. veränderter Lehr-/Lern- sowie Beratungsformate bzw. -methoden mit digitalen Medien gesehen, ebenso in Bezug auf neue bzw. veränderte Themen und Inhalte von Bildungsangeboten.
Nahezu 97% der Organisationsverantwortlichen und PraktikerInnen planen, auch zukünftig vermehrt digitale Medien einzusetzen, und zwar insbesondere für die Wissens- und Informationsvermittlung sowie die Kommunikation mit Teilnehmenden.

Verbesserte technische Ausstattung und passende Rahmenbedingungen für digitales Lehren und Lernen erforderlich

Nach Auskunft der Mehrzahl der PraktikerInnen (67%) ist für den vermehrten Einsatz digitaler Medien vor allem eine bessere technische Ausstattung und Unterstützung für die Teilnehmenden erforderlich. Auch die Verbesserung der eigenen Ausstattung bzw. Infrastruktur sowie Regelungen bezüglich zeitlicher und örtlicher Ressourcen und Rahmenbedingungen, etwa Homeoffice-Regelungen erachten 56% als notwendig.

Hoher Bedarf an didaktischer Weiterentwicklung für Erwachsenenbildung

Die überwiegende Mehrzahl der RespondentInnen schätzt den Bedarf an didaktischer Weiterentwicklung und Professionalisierung im Kontext des digitalen Lehrens und Lernens als (sehr) hoch ein. 90% der Befragten sehen etwa einen (sehr) hohen Entwicklungsbedarf beim professionellen Umgang mit Online-Plattformen und der Entwicklung von Qualitätskriterien für Online-Angebote. Auch in Bezug auf die Gestaltung bzw. (Weiter-)Entwicklung von Lernmaterialien und digital gestützten Lehr-/Lernmethoden sowie beim Einsatz digitaler Medien zur Lernbegleitung wird der Bedarf als (sehr) hoch eingeschätzt. Für die weitere Professionalisierung unter den neuen Bedingungen wird auch die Weiterentwicklung der Kompetenzen für das Design didaktisch und wissenschaftlich fundierter Konzepte des Blended Learning und Blended Counselling als notwendig erachtet, ebenso die Reflexion von Vor- und Nachteilen sowie sozialen Implikationen eines erhöhten Einsatzes digitaler Medien.

Zur Zukunft der Erwachsenenbildung

Die digitale Transformation wird nach den Einschätzungen aller Befragten die Erwachsenenbildung auch nach der Pandemie weiterhin prägen. Die Befragten stimmen hier insbesondere den Aussagen zu, dass es mehr eLearning-Angebote geben wird, vermehrt digital gearbeitet wird und Standards für digitale Erwachsenenbildungsangebote entwickelt werden. Damit werden vor allem strukturelle Aspekte von Organisationen als treibende Entwicklungsfaktoren des Feldes eingeschätzt, weniger strategische, kulturelle oder ressourcenbezogene Aspekte.

Über die Befragung

Die Datenerhebung der Studie fand von 11. September bis 10. Oktober 2020 per Online-Umfrage-Applikation LimeSurvey statt. Die Verbreitung der Umfrage erfolgte über Plattformen und Verbände der Erwachsenenbildung mit der Bitte um Weiterleitung im eigenen Wirkungsbereich. Die Ergebnisse sind daher ohne Anspruch auf Repräsentativität.

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