Landesgeschäftsführerin des Steirischen Volksbildungswerks im Interview

10.12.2020, Text: Kathrin Rosenberger und Isolde Seirer-Melinz, Redaktion: Isolde Seirer-Melinz, Steirisches Volksbildungswerk/Ring ÖBW
Seit dem Vorjahr hat Isolde Seirer-Melinz die Funktion der Landesgeschäftsführerin im Steirischen Volksbildungswerk inne. Sie folgte Gerald Gölles, der seit 2011 als Landesgeschäftsführer tätig war. Ein Gespräch über ihre Zugänge zur Volksbildung.
Isolde Seirer-Melinz ist Landesgeschäftsführerin im Steirischen Volksbildungswerk.
Foto: Alle Rechte vorbehalten, Doris Sporer, Isolde Seirer-Melinz, auf erwachsenenbildung.at

Kathrin Rosenberger: Gleich vorweg - wie zeitgemäß ist Volksbildung?

Isolde Seirer-Melinz: Der Begriff der Volksbildung scheint im 21. Jahrhundert wie aus der Zeit gefallen. Es lohnt sich daher gerade in Momenten, die Geschichte schreiben, ein wenig genauer hinzusehen und zu reflektieren: An welchen historischen Wendepunkten war die Volksbildung gefragt und wie wurde ihre Aufgabe definiert? Und – was wahrscheinlich der wesentlichere Punkt ist – was kann Volksbildung heute bewirken?

 

Wer heute über die sogenannte Volksbildung beziehungsweise die allgemeine Erwachsenenbildung diskutiert, der merkt rasch, wie weit dessen thematisches Feld ist. Unser Auftrag lautet, die regionale Kultur in ihren vielen Facetten mit Bildungsangeboten zu unterstützen. Was uns in unserer Arbeit stärkt, sind die Menschen im (Bildungs-)Ehrenamt in den Gemeinden.

Das Steirische Volksbildungswerk versteht Volksbildung also als Beitrag zur (kritischen) Zivilgesellschaft?

Ja, genau. Auch wenn Regionalisierung derzeit ein großes und wichtiges Thema ist: Wir ErwachsenenbildnerInnen müssen bei unserer Arbeit immer bedenken, wie das Kleine ins Große wirkt und umgekehrt. Gemeinwesenorientierte Bildungsarbeit versteht sich als ganzheitlicher Ansatz und reicht weit über einen klassischen Seminarbetrieb hinaus. Wir fokussieren mit unseren Initiativen zivilgesellschaftliches Engagement, wie man am Wettbewerb ZUKUNFTsGEMEINDE STEIERMARK exemplarisch sieht. Informelle Lernprozesse werden dabei sichtbar gemacht und regional verankert. Wir lernen miteinander und voneinander, stellen Infrastruktur zur Verfügung, machen Exkursionen und vermitteln praxisorientierte Inhalte zu aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen. Auch die steirischen berichte – als Zeitschrift für Kultur- und Bildungsarbeit – werde sich in Zukunft partizipativer und näher an Zeit und Zeitgeschehen orientieren und unterschiedliche Sichtweisen zur Diskussion stellen.

Wo genau knüpft das Steirische Volksbildungswerk mit seinem Bildungsansatz in der Praxis an? Ein Beispiel?

In den vergangenen Jahren hat etwa traditionelles Handwerk nicht zuletzt mit der Unterstützung namhafter Medien eine Renaissance erfahren, vor allem auch im Privaten. Do it yourself (D.I.Y.) nennt sich der Trend, der Menschen heute – und vor allem im Lockdown 2020 – dazu bringt, Handwerkstechniken wiederzuentdecken. Beispielhaft: selbst Mund-Nasen-Masken anzufertigen und deshalb vor den wenigen noch existierenden Stoffgeschäften Schlange zu stehen. Ende der 1990er Jahre war der Trend gegenläufig: Das Kleidermacherhandwerk war kurz davor, auszusterben. Heute gibt es wieder Initiativen, es aufzuwerten, mit dem Titel Meister (Mst.) etwa als Anerkennung der Exzellenz, die sich durch viele Jahre in der Praxis herausgebildet hat. Mit dem Bewusstsein für nachhaltiges Leben erwacht auch die Lust am Wissen wieder, traditionelle Techniken in der Revitalisierung von historischen Gebäuden kennenzulernen und zu erlernen. Ab Jänner 2021 ist übrigens auch unsere neue Website online, auf der ein umfangreiches Bildungsangebot zu finden ist!


Wir sehen unsere Hauptaufgabe darin, Menschen zu ermutigen, in Themen wieder tiefer einzutauchen, die Freude am Tun wiederzugewinnen und diese auch mit anderen zu teilen. Der Leitgedanke Hanns Korens, wonach Bildung auf Basis demokratischer Modelle einen wesentlichen Beitrag für das Zusammenleben leistet, ist also auch heute noch aktuell.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte Kathrin Rosenberger, BA MFA, die als pädagogische Referentin im Steirischen Volksbildungswerk tätig ist.

 

Die gebürtige Steirerin Mst.in Mag.a Isolde Seirer-Melinz, MSc absolvierte die HBLA für Mode und Bekleidungstechnik in Graz und erweiterte ihr fachspezifisches Wissen an der HBLA Herbststraße (Lehrgang für Bühnenkostüm) in Wien, wo sie auch mehrere Jahre für das Theater in der Josefstadt arbeitete. Nach der Meisterprüfung studierte sie in Graz am zweiten Bildungsweg Volkskunde und Kulturanthropologie und war am Institut als Tutorin für "Historische Methoden" tätig. Sie baute die Kostümabteilung am MUMUTH der Kunstuniversität Graz auf, verantwortete die Kommunikation der Volkskultur Steiermark GmbH und die Chefredaktion des Gwandhaus Journals in Salzburg. Berufsbegleitend studierte sie an der FH Wien "Marketing und Sales" und wird im Februar 2021 die wba-Zertifizierung zur Erwachsenenbildnerin im Bereich Bildungsmanagement abschließen.

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