Blick ins Buch: Soziale Gerechtigkeit und Diversität

06.01.2020, Text: Melanie Niedermayr, Online-Redaktion
Im Praxishandbuch "Social Justice und Diversity" vermitteln vier AutorInnen Grundlagen des gleichnamigen Trainingskonzeptes für TrainerInnen und MultiplikatorInnen.
Die AutorInnen fordern Verteilungs-, Anerkennungs-, Befähigungs- und Verwirklichungsgerechtigkeit.
Foto: Pixabay Lizenz, Jessica45, https://pixabay.com
Die AutorInnen des Buches "Social justice und diversity" widmen sich in acht Kapiteln der Frage, was TrainerInnen gegen strukturelle Diskriminierung tun können. Der Begriff "Strukturelle Diskriminierung" beschreibt eine Form der Diskriminierung, bei der Personen aufgrund spezifischer Merkmale keinen Zugang zu bestimmten gesellschaftlichen Ressourcen haben. Den AutorInnen zufolge lässt sich Diskriminierung auf individueller, kultureller und institutionalisierter Ebene beobachten.

 

Den Kern des Praxishandbuches bildet das gleichnamige Trainingsprogramm. Nach einer theoretischen und begrifflichen Einführung in die Thematik stellen die AutorInnen Methoden und Zugänge vor, die TrainerInnen für Workshops einsetzen können und führen durch unterschiedliche Trainingsmodule und Beispielübungen. Der Rolle als TrainerIn sowie mögliche Anwendungsbereiche in der Praxis widmen sie je ein Kapitel, darauf folgen Theoriebezüge des Konzeptes und die Darstellung von Diskriminierungsrealitäten.
Mit dem Trainingskonzept möchten die AutorInnen ErwachsenenbildnerInnen ansprechen, die Trainings und Workshops gegen Diskriminierung anbieten, wie auch Personen und MultiplikatorInnen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen wollen.

Social Justice ist mehr als Soziale Gerechtigkeit

Der englische Begriff Social Justice kennzeichnet ein erweitertes Verständnis sozialer Gerechtigkeit. Er meint die gleichzeitige Umsetzung von Verteilungs-, Anerkennungs-, Befähigungs- und Verwirklichungsgerechtigkeit, so die AutorInnen. Anerkennungsgerechtigkeit bedeutet beispielsweise, dass allen Menschen die Teilhabe und Partizipation an der Gesellschaft ermöglicht wird und jede/r gleichermaßen Entscheidungen treffen darf, wie etwa über die Aufgabenverteilung in Gruppen.

 

Wie die AutorInnen schreiben, kennzeichnet Diversität üblicherweise die Unterschiedlichkeit der Menschen. Im Trainingskonzept steht Diversity für eine Verschiedenheit, auf dessen Basis bestimmte Menschen Diskriminierung erfahren, andere hingegen Privilegien haben. Im Konzept wird dieser damit begegnet, dass immer wieder Handlungsoptionen gesucht werden, welche die strukturelle Diskriminierung durchbrechen.

Durch Fragen und Zuhören andere Perspektiven verstehen

Eine der im dritten Kapitel vorgestellten Methoden, die dem Trainingskonzept zugrunde liegt, ist "Mahloquet". Diese eigens entwickelte dialogische Gesprächsform verlangsamt das Gespräch und ermöglicht die Wahrnehmung unterschiedlicher Perspektiven, so die AutorInnen. Dabei geht es nicht darum, sich auf eine richtige Auffassung zu einigen, sondern verschiedene Perspektiven nebeneinander bestehen zu lassen. Dies könne verfestigte Denkstrukturen erschüttern und vermeintliche Selbstverständlichkeiten aufdecken. Mahloquet zeichnet sich den AutorInnen zufolge unter anderem dadurch aus, dass die Gespräche themenbezogen sind, jede/r Sprechende gleich gehört wird und keine Fremdzuschreibungen vorgenommen werden.

Themenspezifische Module und Übungen für Trainings

Im vierten Kapitel wird das Trainingskonzept "Social justice und diversity" behandelt, das dem Buch auch seinen Namen gibt. Es gibt ein Grundmodul, das Themen wie Diskriminierungsformen, soziale Gruppenzugehörigkeit, Ressourcenverteilung in der Gesellschaft und individuellen Lernerfahrungen behandelt sowie themenspezifische Module beispielsweise zu Formen der Diskriminierung wie Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus. Jedes Modul beinhaltet verschiedene Übungen, die TrainerInnen in der Arbeit mit Gruppen einsetzen können. Ein Beispiel dafür ist die Erstellung von Ressourcenprofilen, die zeigen, welche Ressourcen für welche Menschen verfügbar sind. Die TeilnehmerInnen reflektieren diese in Kleingruppen und diskutieren Ähnlichkeiten sowie Unterschiede. Diese Übung macht die unterschiedliche Verteilung von Ressourcen sichtbar, wie auch ihre Komplexität und Kontextabhängigkeit, so die AutorInnen.

Es geht um das Aushalten unterschiedlicher Perspektiven und neuer Erfahrungen

Ein eigenes Kapitel widmet sich der Haltung, mit der TrainerInnen ein Social Justice Training durchführen. Dabei ist es etwa wichtig, dass es keine ‚erwünschten' Antworten von TeilnehmerInnen und keine Norm gibt, wie Beteiligung aussehen muss, empfehlen die AutorInnen. Außerdem sollen TrainerInnen keine (Vor)Annahmen über mögliche psychologische oder biographische Hintergründe von Beteiligung, Sprechen oder Nicht- Sprechen bilden.

 

Czollek, Leah Carola/ Perko, Gudrun/ Kaszner, Corinne/ Czollek, Max (2019): Praxishandbuch. Social Justice und Diversity. Theorien, Training, Methoden, Übungen. Weinheim/Basel: Beltz Juventa. Seiten: 263. Preis: 24,95 €. ISBN: 978-3-7799-3845-3.

Weitere Informationen:
Creative Commons License Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

Verwandte Artikel