Worauf es bei der Bildungsberatung von MigrantInnen ankommt

18.12.2018, Text: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Das skizzieren die Beraterinnen Christine Weiss und Melanie Wiedner anlässlich des internationalen Migrationstages. Sie sind zwei der AutorInnen des neuen Leitfadens von ISOP zur Beratung für Bildungsbenachteiligte.
Bildungsbenachteiligte KundInnen sind so heterogen wie die Gesellschaft - ein paar Tipps können die Beraterinnen von ISOP trotzdem geben.
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Der Leitfaden von ISOP beschreibt, welche Besonderheiten es bei der Beratung von bildungsbenachteiligten Menschen gibt. Bildungsbenachteiligung kann Menschen in unterschiedlicher Art und Weise treffen - so beispielsweise auch MigrantInnen, die kein Deutsch sprechen oder ihre Abschlüsse in Österreich nicht anerkennen lassen können. Anlässlich des Internationalen Migrationstages am 18. Dezember geben Christine Weiss und Melanie Wiedner Einblick in die Beratung von bildungsbenachteiligten Menschen. Die beiden Mit-AutorInnen des Leitfadens gehen dabei auf die Besonderheiten und Herausforderungen ein, auf die BeraterInnen bei ihrer Arbeit stoßen.

 

Geringe Deutschkenntnisse erfordern einfache Sprache

Oft kommt es vor, dass MigrantInnen nicht ausreichend Deutsch sprechen, um die BeraterInnen gut verstehen zu können. Dolmetschen ist daher immer wieder notwendig, ist im Leitfaden von ISOP zu lesen. Häufig gehe es da um Bedeutungen von Begriffen: "Unsere Zielgruppe hat wenig Zugang zu Bildungsinformation, sie fühlt sich von Begriffen wie Bildung oder Beratung auch nicht angesprochen", sagt Christine Weiss, eine der AutorInnen. In einfacher Sprache formulieren zu können, sei daher für BeraterInnen notwendig. Auch andere Medien wie Fotos oder Videos können helfen, zu mehr Verständnis beizutragen.


Die sprachliche Barriere ist auch oftmals der Grund, wieso bildungsbenachteiligte MigrantInnen seltener Telefon- oder Email-Beratung wählen, liest man im Leitfaden. Dies könne aber auch andere Gründe haben: Einige KundInnen haben z.B. oft Wertkarten-Telefone, die sie nur sparsam nutzen, sie können nicht gut mit dem PC umgehen oder haben keine Email-Adresse, erklärt Weiss.

 

Bildungsberatung ist nur sinnvoll, wenn es passende Angebote gibt

Bildungsberatung braucht auch Bildungsangebote, zu denen man beraten kann. Dies sei bei der Beratung von MigrantInnen eine Herausforderung: "Es gibt einfach weniger passende Bildungsangebote für die Zielgruppe als für bildungsgewohnte Menschen", sagt Melanie Wiedner – ebenfalls Mit-Autorin des Beratungsleitfadens. Dass es weniger Angebote für die Zielgruppe gibt, habe verschiedene Gründe. Oft müssen die BeraterInnen nach Bildungsangeboten suchen, die es erlauben, an die Qualifikationen aus dem Herkunftsland anzuknüpfen. Für Personen, die keine Schule besucht haben, kommen nur sehr niederschwellige Angebote wie Deutschkurse, Alphabetisierungskurse oder Basisbildung in Frage. Außerdem haben viele KundInnen Kinder, die sie betreuen müssen. Das grenze das Bildungsangebot zusätzlich ein, erzählt Wiedner.


Noch schwieriger sei es, passende Angebote für AsylwerberInnen zu finden. "Die Praxis zeigt, dass Angebote für diese Zielgruppe bedenklich weniger werden. Aufgrund dieser Sparpolitik wird eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt zunehmend erschwert oder unmöglich" sagen Weiss und Wiedner. Sie beziehen sich damit unter anderem auf die Kürzungen der Regierung bei Deutschkursen für Flüchtlinge im AMS und darauf, dass Asylsuchende keine Lehre in Mangelberufen mehr beginnen dürfen. Die Autorinnen befürchten, dass es noch zu mehr Kürzungen kommen wird und appellieren gegen weitere Einsparungen: "Bildungsberatung ist nur möglich und sinnvoll, wenn es entsprechende Bildungsangebote gibt. Diese Angebote sind notwendig, um Integration zu fördern und Armut und Ausgrenzung zu verhindern."

 

Gespräche über Unsicherheiten und Zukunftsängste sind Teil der Beratung

Oft sei es für MigrantInnen schwierig, Qualifikationen anerkennen zu lassen, zusätzlich gebe es Druck, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, sagen Weiss und Wiedner. Das führe dazu, dass viele MigrantInnen Jobs unter ihrem Qualifikationsniveau annehmen und das Niveau dann oftmals nicht mehr verlassen können. "Daraus resultieren Frustration und Unzufriedenheit", sagt Christine Weiss. Auch das müssen BeraterInnen als Thema in die Beratung aufnehmen.


"Die größte Herausforderung bei AsylwerberInnen ist die Unsicherheit über die Zukunft", sagt Wiedner. "Personen, die jahrelang im Asylverfahren sind, haben extreme Zukunftsängste und Sorgen." Die Lebensbedingungen von AsylwerberInnen, wie die oft prekäre Wohnsituation oder die Traumatisierung aufgrund der Flucht, wirken zusätzlich in den Beratungsprozess ein und dürfen nicht ausgespart werden, erzählt Wiedner.

 

Beratung ist wichtiges Bindeglied in die Gesellschaft

Bildungsberatung ist für Menschen, die keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, ein wichtiges Bindeglied für den Übergang in Weiterbildung und Beschäftigung, liest man im Leitfaden. Information bei einer Beratung zu erhalten, sei für bildungsbenachteiligte Menschen besonders wichtig: "Oft ist das die einzige Möglichkeit für sie, an Informationen zu kommen", sagt Weiss. Eine Internetrecherche scheitere zum Beispiel oft an sprachlichen Hürden oder fehlender Suchkompetenz.


Dass BildungsberaterInnen ihre KundInnen gut beraten können, ist daher Anliegen der Autorinnen. Der Leitfaden zur Bildungs- und Berufsberatung für Bildungsbenachteiligte soll hier unterstützen. Er versteht sich als Leitfaden von PraktikerInnen für PraktikerInnen, die ihre Erfahrung mit anderen teilen möchten, um eine gute Beratung zu stützen.

 
Weitere Informationen:
 
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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