"Wir sind Lehrer_innen, keine Werte- und Sprachpolizist_innen"
Das Netzwerk MIKA verfolgt diesen Prozess mit großem Interesse, zudem sind einige Mitarbeiter_innen des Netzwerks aktiv im Prozess beteiligt. Das Netzwerk MIKA beschäftigt sich mit Alphabetisierung erwachsener Migrant_innen im Rahmen von Basisbildungsarbeit. Im Gegensatz zu geltendem Integrationsgesetz, das von einem Verständnis von Bildung eher als Erziehung und Disziplinierung ausgeht und (Sprach-)Bildungsarbeit im Sinne restriktiver Integrationspolitik instrumentalisiert, verstehen wir Basisbildung als eine Möglichkeit der Förderung kritischer gesellschaftlicher Mitwirkung: „Sie [Basisbildung] ermutigt die Einzelnen, die Welt mitzugestalten und zu verändern, anstatt ‚nur' in der Welt zu leben." (FAB 2014). Wir betrachten daher die derzeit stattfindende Organisierung und Positionierung Lehrender im Feld der Erwachsenenbildung mit Migrant_innen als sehr wichtig und dringend.
Angesichts der Feststellung, dass vor allem Deutsch als Zweitsprache- und Alphabetisierungskurse immer mehr Materie der Sicherheit und weniger der Bildung werden, vermittelte die Gruppe ihre zentralen Positionen und Forderungen in einer ihrer ersten Aussendungen als Reaktion auf das neue Integrationsgesetz und gleichzeitig als Einladung an andere Lehrende zur Beteiligung am Organisierungsprozess:
„Wir sind Lehrer_innen, keine Werte- oder Sprachpolizist_innen!
Und wir wollen nicht verlängerter Arm dieser Politik sein!
Wir wehren uns gegen Versuche der Instrumentalisierung von Lehrenden im Sinne einer selektiven und ausgrenzenden Migrations- bzw. Integrationspolitik!
Wir positionieren uns für die Entkoppelung von Sprachstandserhebung & Werteprüfung und aufenthaltsrechtlichen Regelungen!
Wir positionieren uns für eine Bildungsarbeit, die sich mit Wertekodierungen anlegt, und bestehen darauf, demokratische Bildungsarbeit mit Refugees und Migrant_innen zu realisieren, in der Werte und Haltungen reflektiert und ausverhandelt und nicht vorgeschrieben werden!
Wir sind nicht bereit, (Um)Erziehungsarbeit zu realisieren!
Und anstatt Wertekurse und Prüfungen für Migrant_innen fordern wir politische Bildung für alle!"
(IG Arbeitsbedingungen Basisbildung, DaZ, DaF, DaE 2017: o.S.)
Das Netzwerk MIKA unterstützt diese Forderungen und die widerständige Organisierung der Lehrenden. Jedoch wissen wir, dass Lehrende im Feld der Sprach-, der Erwachsenenbildung bzw. der Basisbildung mit erwachsenen Migrant_innen und Refugees einer Berufsgruppe angehören, die oft unter prekären Bedingungen arbeitet. Lehrende sind den Entscheidungen von Leitenden in den Bildungseinrichtungen meistens ausgeliefert und haben kaum Verhandlungsspielraum - dem gegenüber positionieren sich ebenfalls die am Organisierungsprozess beteiligten Lehrenden. Eine Strategie zur Veränderung der Leitungspraxis in vieler Erwachsenenbildungseinrichtungen, die sich auffallend als vollziehende Instanzen der gesetzlichen Regelungen entfalten, ist im Zusammenhang mit den Forderungen der Lehrenden ebenso dringend notwendig. Ein langer und holpriger Weg steht noch vor uns.
„MIKA" steht für Migration - Kompetenz - Alphabetisierung und ist eine nationale Netzwerkpartnerschaft, gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung. MIKA verfolgt das Ziel, die Ausbildung von Unterrichtenden im Bereich Basisbildung/Alphabetisierung mit Erwachsenen in der Migrationsgesellschaft österreichweit zu professionalisieren.
- Fachgruppe Basisbildung (2017): Prinzipien und Richtlinien für Basisbildungsangebote.
- IG Arbeitsbedingungen Basisbildung, DaZ, DaF, DaE (2017): „Lehrende in DaZ- und Integrationskurse fordern: Hände weg von der Bildung!"
- Beiträge zu Arbeitsbedingungen im Feld
- Text der Arbeitsgruppe "Basisbildung als Beruf"
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