Arbeiten in der Erwachsenenbildung hat auch Schattenseiten
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Um die Situation zu verbessern sind vor allem Politik und Institutionen zum Handeln aufgefordert. Die Arbeitsrealität in der Erwachsenenbildung und die blinden Flecken im Professionalisierungsdiskurs sind daher Thema der aktuellen Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at. Zu Wort kommen unter anderem Betroffene, die ihren Beschäftigungsalltag kritisch hinterfragen und wertschätzende Bedingungen einfordern. Das Magazin steht ab sofort unter www.erwachsenenbildung.at/magazin kostenlos zum Download bereit.
Beschäftigungsstatus: unsicher
"Wenn ich krank bin, dann zahle ich meine Kollegin, ich drücke ihr das Geld in die Hand, das ich sonst für diese Stunden bekommen hätte", schildert eine Erwachsenenbildnerin im Interview mit Bildungsforscherin und Magazinherausgeberin Birgit Aschemann eine erschreckende Arbeitspraxis. Einen Arbeitsplatz in der Erwachsenen- und Weiterbildung zu haben, heißt mitunter: ein äußerst geringes Einkommen trotz guter Ausbildung, eine unsichere Beschäftigung mit befristeten Verträgen und wechselnden ArbeitgeberInnen, oder auch mangelnde soziale Absicherung bei Kranken-, Arbeitslosen- oder Pensionsversicherung.
Für zuverlässige arbeitsrechtliche Vereinbarungen, die für viele ArbeitnehmerInnen in Österreich selbstverständlich sind, scheint im Berufsfeld der Erwachsenenbildung kaum jemand einzutreten. Mit dem BABE Kollektivvertrag wurde zwar ein erster Schritt getan, zumindest für ErwachsenenbildnerInnen mit Angestelltenverhältnis. Freie DienstnehmerInnen hingegen zeigen sich oft unzufrieden mit den Regelungen.
Qualität braucht mehr als Profis
Obwohl seit Jahren viel über Qualität in der Weiterbildung diskutiert wird, wurde die kollektive Professionalitätsentwicklung des Berufsfeldes bislang weitgehend außen vorgelassen. Trotz zunehmender gesellschaftspolitischer Anforderungen hat die Erwachsenen- und Weiterbildung nach wie vor kaum eine Lobby - schon gar nicht das Personal. Stattdessen geht alle Energie in dessen Ausbildung und Weiterqualifizierung. Professionalisierung bei gleichzeitiger Deprofessionalisierung, sagt man dazu in Fachkreisen.
Die Bildungsforscher Peter Schlögl und Arnfried Gläser fordern unter dem Stichwort Verberuflichung dazu auf, über einen Berufsverband, Qualitätsstandards oder das Festlegen von Rechten und Pflichten im Beruf zu diskutieren. Denn mit den vorhandenen prekären Verhältnissen sind auch alle Qualitätsbemühungen der Einzelnen radikal begrenzt, bringen es die MagazinherausgeberInnen Birgit Aschemann und Kurt Schmid im Editorial auf den Punkt.
AMS-Budgetkürzung erschwert die Situation
Das Arbeitsmarktsservice (AMS) ist in Österreich einer der größten Auftraggeber der Erwachsenen- und Weiterbildung. Obwohl selbst keine Bildungseinrichtung, beschäftigt es indirekt über eine heterogene Trägerlandschaft, geschätzte 10.000 Trainerinnen und Trainer. Mit 2015 hat das AMS sein Budget für die qualifizierende Arbeitsmarktpolitik drastisch gekürzt. "Der Einbruch erfolgte nicht aus Budgetmangel, sondern wurde verursacht durch strategische Veränderungen in der Qualifizierungspolitik des AMS, die als Paradigmenwechsel verkauft werden", erläutert Helfried Faschingbauer, der seit Jahrzehnten in der Arbeitsmarktpolitik tätig ist. In seinem Beitrag zum Magazin beschreibt er die Konsequenzen für beschäftigte TrainerInnen hinsichtlich Kündigungen und sich verschlechternden Arbeitsbedingungen. Mit seiner starken Position in der Beschäftigungslandschaft für TrainerInnen setzt das AMS aber auch über seine Institutionsgrenzen hinaus ein Zeichen, das keine Verbesserung der Arbeitssituation für ErwachsenenbildnerInnen verspricht, so der Autor.
Eine gemeinsame Plattform für wertschätzende Arbeitsbedingungen
Seit vielen Jahren sind Sabine Schröder und Julia Stranner in der Basisbildung mit Erwachsenen tätig und versuchen nun einen gemeinsamen Ausweg aus dem Dilemma ihrer aktuellen Beschäftigungsrealität zu finden. Dafür haben sie sich einer Interessensgemeinschaft von Kursleitenden im Bereich Basisbildung und Deutsch als Zweitsprache angeschlossen, die unter verschiedensten Bedingungen arbeiten. Aber: "Was uns über alle Differenzen hinweg vereint, ist unsere Überzeugung, dass Lehr- und Lernbedingungen fair- und wertschätzend sein sollten - und zwar für alle", schreiben die Basisbildnerinnen in ihrem Artikel.
Die Forderungen der Interessensgemeinschaft sind unter anderem bezahlte Vor- und Nachbereitungszeit, angemessener und einheitlicher Stundenlohn, finanzielle Gleichstellung von Angestellten und freien DienstnehmerInnen sowie bezahlte Urlaubs-, Krankenstands- und Feiertage.
Fachmedium und aktuelle Online-Information
Magazin erwachsenenbildung.at (Meb) ist das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs der österreichischen Erwachsenenbildung. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb) und dem Verein CONEDU dreimal jährlich herausgegeben. Alle eingereichten Artikel durchlaufen ein Review von ExpertInnen. Das aktuelle Magazin erscheint parallel zur kostenlosen Online-Ausgabe auf www.erwachsenenbildung.at/magazin auch im BoD-Verlag und ist als Druckausgabe zum Selbstkostenpreis von EUR 9,50 oder als E-Book für weniger als 1 Euro erhältlich.
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