Kritisch Denken und logisch Argumentieren

Alltägliche Begriffe gemeinsam hinterfragen
In einem Sokratischen Gespräch bearbeiten sechs bis zehn Personen eine ausgewählte Fragestellung. Das braucht Zeit, viel Zeit. Deshalb erstreckt sich ein Sokratisches Gespräch in der Regel über mehrere Tage.
Ein/e Gesprächs-LeiterIn moderiert die Gruppe, dokumentiert das Gespräch und achtet auf die Einhaltung der Regeln. Er/sie führt die TeilnehmerInnen Schritt für Schritt zu einem gemeinsamen Ergebnis. Es sind das folgende Schritte:
...Thema bzw. Fragestellung wählen
Die TeilnehmerInnen wählen ein Thema in Form einer Frage. Das Thema kann aber auch der/die LeiterIn vorgeben. Geeignet sind erfahrungsrelevante Fragen des politischen und gesellschaftlichen Lebens, wie z.B: Was ist Glück? Weitere Beispiele finden sich im Archiv der Philosophisch-Politischen Akademie.
...Erfahrungen zum Thema suchen
Die TeilnehmerInnen suchen persönliche Erlebnisse und Erfahrungen zum Thema und tauschen sie miteinander aus.
...eine Erfahrung zum Bearbeiten auswählen
Die Gruppe einigt sich auf eine dieser Erfahrungen, die der weiteren Erörterung dienen soll. Je alltäglicher und einfacher das Beispiel, desto besser kann man damit weiter verfahren.
...Eigenschaften der Erfahrung diskutieren und zusammenfassen
Die TeilnehmerInnen versuchen nun Strukturen und Eigenschaften der Beispiel-Situation zu finden. Sie fassen ihre Aussagen zusammen und versuchen sie zu strukturieren. Das Zusammenfassen oder Streichen von Meldungen muss aber immer begründet sein. Die Gruppe ist gefordert, einen Konsens zu finden.
...Allgemeingültigkeit der Eigenschaften prüfen
Nun beziehen die TeilnehmerInnen weitere Beispiele mit ein, um zu sehen, ob die Eigenschaften auch auf andere Situationen zutreffen. Leitfragen können sein: Welche Eigenschaften findet man bei allen Beispielen/Erfahrungen wieder? Welche sind nur zufällig? Welche sind notwendig, damit sich das Wesen der Situation nicht verändert?
...Konsens in der Ausgangsfrage finden
Die TeilnehmerInnen erarbeiten nun die wesentlichen Kriterien zur Bestimmung des Sachverhalts. Mögliche Leitfrage: Wodurch kann ich den Sachverhalt von anderen abgrenzen? Ziel ist es, gemeinsame Antworten auf die Ausgangsfrage zu finden. Achtung: Das Resultat des Gesprächs ist nicht die letztmögliche Wahrheit, sondern immer nur Ergebnis der jeweiligen Gruppe.
Regeln und Voraussetzungen für das Gespräch
- Jede/r äußert nur die eigenen Gedanken, die Aussagen von Autoritäten gelten nicht als Argument.
- Ausgangspunkt ist die konkrete Erfahrung. Diese sollten die TeilnehmerInnen im Laufe des Gesprächs immer vor Augen haben.
- Die TeilnehmerInnen sind gleichberechtigt. Gegenseitige Wertschätzung ist Voraussetzung, es gibt weder Belehrung noch Autoritäten.
- Die TeilnehmerInnen müssen bereit sein, sich Kritik zu stellen.
- Es gilt die Aufrichtigkeits-Verpflichtung. Ziel ist ein Konsens aus innerer Überzeugung.
Option: Meta-Gespräch zur Reflexion
Damit man sich im Sokratischen Gespräch voll und ganz auf das Thema konzentrieren kann, gibt es die Möglichkeit zusätzlich ein Meta-Gespräch einzuführen. In diesem kann die Gruppe etwaige Unklarheiten über das Vorgehen, Ärger oder sonstige Irritationen besprechen und klären. Die Leitung des Gesprächs übernimmt eine andere Person als im Sachgespräch. Entscheidet man sich für diese Variante, sollte das Meta-Gespräch regelmäßig und vom Sachgespräch getrennt stattfinden.
Hintergrund der Methode
Der Ursprung des Begriffs "Sokratisches Gespräch" liegt in den Sokratischen Dialogen (Sokratikoi logoi). Dabei handelt es sich um argumentative Zwiegespräche von Sokrates mit den Bürgern Athens in der zweiten Hälfte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts.
Auf diesem Hintergrund entwickelte der Philosoph Leonard Nelson (1882-1927) das Sokratische Gespräch als Methode. Gustav Heckmann (1989-1996), Physiker und Philosoph, entwickelte es weiter und bereicherte die Methode um das Meta-Gespräch.
Serie "Methoden der Erwachsenenbildung"
Die Serie "Methoden der Erwachsenenbildung" ist ein Service von und für Studierende und EinsteigerInnen in das Berufsfeld der Erwachsenenbildung. Im Rahmen der Serie stellen wir einzelne Lehr-Lernmethoden sowie deren Varianten und Einsatzmöglichkeiten vor. Wir unterscheiden dabei, welche Funktion die jeweilige Methode im Lehr-Lernprozess hat, zum Beispiel Informieren, Motivieren usw. Alle Beiträge zur Serie finden Sie hier.
Verwandte Artikel
Klima- und Umweltbildung für vulnerable Erwachsene inklusiv gestalten
Am 26. März und am 2. April können Trainer*innen lernen, wie sie die Kompetenzen ihrer Teilnehmenden in Bildungssettings nutzen und mit Emotionen umgehen können. Anmeldeschluss für die kostenfreie Weiterbildung ist der 23. März.„Grüne“ Transformation: Erwachsenenbildung hat noch Luft nach oben
Politische Bildung fördern, Raum für Kontroversen schaffen, weitere Zielgruppen erreichen: Das nannten die Diskutant*innen des wEBtalks als wichtige Hebel für einen „grünen“ Wandel, an denen die Bildung ansetzen kann.Drei Methoden zur Demokratiebildung
Geschlechterrollen hinterfragen, Aufgaben in einer Gesellschaft begreifen und Selbstwirksamkeit erfahren: Eine Methodensammlung gibt Impulse für die politische Bildung.50 Jahre Elternbriefe: Ein Erfolgsmodell der Elternbildung
Mit den Briefen des fiktiven Kindes „Anna“ begleitet das Salzburger Bildungswerk seit 1974 jährlich über 28.600 Familien. Ein multiprofessionelles Expert*innenteam gibt darin Informationen zum ersten Mal Wickeln bis hin zur Medienerziehung.Klimabildung für Erwachsene: Drei kreative Tipps für Bildungsanbieter
Wie kann man Menschen für Klimabildung motivieren? Tipps von Sabrina Riedl vom Fachbereich „Klima & Nachhaltigkeit“ im Salzburger Bildungswerk sind kreative Mitmach-Formate, Klima als Querschnittsthema und die Arbeit mit Vorbildern.Einmal mitmischen bitte! – So erreicht man Erwachsene mit Demokratiebildung
Das Projekt „Mitmischen und Einmischen im Dorf“ der Gemeindeentwicklung im Salzburger Bildungswerk ist gestartet. Warum das Projekt Vorbildwirkung hat und wie es Gemeinden helfen kann, den Dialog mit Bürger*innen zu stärken.