Ergebnisse der Forschungskonferenz zu Schlüsselkompetenzen Erwachsener

14.10.2014, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Ein Jahr nach dem Vorliegen erster PIAAC-Ergebnisse wurde Anfang Oktober in Wien ein Bündel detaillierter Befunde präsentiert.
Foto: (C) iStockphoto.com/Andresr
Detailauswertungen zu PIAAC präsentiert
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Gespannt und gleichermaßen konzentriert lauschten die rund 130 TeilnehmerInnen der PIAAC-Forschungskonferenz am 6. Oktober 2014 den eng getakteten Vorträgen. Sämtliche in einem Sammelband erschienenen österreichischen Detailauswertungen zu PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) sollten an diesem Tag präsentiert werden. Ein Setting, das nur wenig Raum für Fragen und Diskussion ließ. Dafür entstand aber ein buntes Bild von Fragestellungen an den Datensatz, von Auswertungen und Ergebnissen - ausgehend von der Vielfältigkeit der Einrichtungen, die mit Detailauswertungen betraut worden waren. Ein Bild, das sich so wahrscheinlich nur in Österreich zeigt, so Veranstaltungskoordinator Eduard Stöger von Statistik Austria, da hier von Anfang an verschiedene Einrichtungen mit den Spezialauswertungen betraut wurden und deren Hintergründe, Zugänge und Erfahrungen in die Forschungsfragen und Analysen einflossen.

Detailauswertungen in Sammelband erschienen
Einige ausgewählte Ergebnisse der Forschungskonferenz wie auch sich durch verschiedene Beiträge ziehende Fragestellungen und Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt. Die gesamten Detailauswertungen sind im von Statistik Austria koordinierten und herausgegebenen Sammelband "Schlüsselkompetenzen von Erwachsenen. Vertiefende Analysen der PIAAC-Erhebung 2011/12" nachzulesen. Die Publikation steht kostenlos zum Download bereit oder kann als Druckexemplar käuflich erworben werden.

Tenor: "Kompetenz ist nicht das einzige Kriterium für den Arbeitsmarkt"
Markus Bönisch von Statistik Austria zeigte in seinem Vortrag auf, dass viele Personen, die bei der Lesekompetenz nur Stufe 1 (die zweite von insgesamt 6) erreichten, in mittleren und höheren beruflichen Tätigkeiten beschäftigt sind. "Lesekompetenz sagt also nicht alles über die Jobbewältigung aus", so die Conclusio von Bönisch.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Peter Schlögl, öibf, der gemeinsam mit Monika Kastner, Universität Klagenfurt, jene Zielgruppe näher untersuchte, die in allen drei Kompetenzbereichen (Lesen, Alltagsmathematik und Problemlösen im Kontext neuer Technologien) schlechte Ergebnisse erzielten. 57% dieser "Risikogruppe" sei beschäftigt, zeigten die Auswertungen. Und noch überraschender: Die meisten davon arbeiten auf ISCO-Level2, d.h. auf FacharbeiterInnen-Niveau. Aber auch auf hohen Anforderungslevels finden sich Schlögl und Kastner zufolge Personen aus dieser Gruppe.

Bildung oder Kompetenz: was zuerst da war, ist unklar
Mehrere ForscherInnen haben unterschiedliche Variablen auf einen statistischen Zusammenhang mit niedrigen Kompetenzniveaus untersucht und diesen auch festgestellt. So kamen sie ausgehend von unterschiedlichen Forschungsfragen und Zugängen auf folgende Variablen: der eigene Bildungsstand (höchster Bildungsabschluss), der Bildungsstand der Eltern, das Ausmaß ehrenamtlicher Tätigkeiten, der subjektiv empfundene Weiterbildungsbedarf sowie das Ausmaß der Anwendung der Kompetenzen im Alltag und im Beruf hängen direkt mit dem Kompetenzniveau der Befragten zusammen. Dieser direkte Zusammenhang bedeutet: je mehr/höher einer dieser Faktoren, desto höher die Schlüsselkompetenzen - oder umgekehrt. Denn Aussagen über Ursachen für geringe Kompetenzen wären statistisch angesichts der vorhandenen Daten nicht zulässig. Es können lediglich Zusammenhänge aufgezeigt werden. Ein Henne-Ei-Problem, das im Rahmen der Veranstaltung mehrfach diskutiert wurde.

Bildungspolitische Fragen werden vor allem bei wenig Kompetenten aufgeworfen
Die Schlussfolgerungen mehrerer Vortragender waren als Fragen formuliert. Etwa: Wo sind die Personen auf den unteren Kompetenzniveaus - eine den PIAAC-Daten zufolge tendenziell weiterbildungsferne Gruppe - für Bildungsanbieter anzutreffen? Wie kann Prävention im Erstausbildungssystem gelingen? Wie lernförderlich sind unsere Arbeitsstrukturen? Und auch: Wie können niederschwellige Lernräume für das Lernen bzw. die Anwendung von Kompetenzen im Alltag geschaffen werden?

Wirkung von Zertifikaten im Kompetenzdiskurs unterschätzt?
Zwei Vortragende fielen nicht nur ob ihrer humorvollen Präsentation, sondern auch mit ihren grundlegend kritischen Beiträgen aus der Reihe: August Gächter vom ZSI und Manfred Krenn von FORBA untersuchten die Folgen hoher bzw. geringer Kompetenzen in Lesen und Alltagsmathematik am Arbeitsmarkt. Anders als bei vielen Korrelationsuntersuchungen fragten sie nicht, wie Kompetenz entsteht (und welche Faktoren die Entstehung möglicherweise beeinflussen), sondern, was sie in Hinblick auf Beschäftigung und beruflichen Erfolg bewirkt.

Beschäftigungserfolg könne ihrer Einschätzung nach nur unzureichend mit Kompetenz erklärt werden. Von Bedeutung seien vielmehr Bildungszertifikate, aber auch Alter, Geschlecht und die häusliche Arbeitsteilung. Das Konzept der Wissensgesellschaft und Gemeinplätze wie "der Arbeitsmarkt braucht mehr und mehr (hoch-)qualifizierte Menschen" wurden von Gächter und Krenn durch Verweise auf die Arbeitskräfteerhebung widerlegt: Nach wie vor existieren dieser zufolge substanzielle Bereiche des Arbeitsmarktes, in denen die Anforderungen auch von Personen mit geringen schulischen Kompetenzen bewältigt werden können.

Kritische Zugänge zu PIAAC nehmen übrigens auch mehrere AutorInnen des in 10 Tagen erscheinenden "Magazin erwachsenenbildung.at" ein. Auch darin wird deutlich: Erste Befunde zu den Zusammenhängen zwischen dem Kompetenzstand und der Ausübung von Erwerbsarbeit oder dem Kompetenzstand und den Bildungsabschlüssen bedürfen eines weiteren, genaueren Blickes und sind letztlich nicht so deutlich erkennbar, wie es zunächst scheint.

Forderung nach Längsschnittstudien
PIAAC ist eine Querschnittstudie. D.h. die Ergebnisse beziehen sich auf einen Erhebungszeitpunkt. Die PIAAC-Daten lassen daher lediglich Beschreibungen einzelner Gruppen zu und bilden Zusammenhänge verschiedener Faktoren ab. Rückschlüsse von Kompetenz auf eine Reihe anderer Faktoren und umgekehrt scheinen schwierig. Wenn beispielsweise Ältere schlechtere Ergebnisse erzielt haben als Jüngere, so wären etwa Schlüsse auf Kompetenzverläufe bzw. -verluste unzulässig. Dazu bräuchte es Längsschnittstudien - Studien, die über einen bestimmten Zeitraum immer wieder Messungen durchführen um so Veränderungs- und Wandlungsprozesse abzubilden.

Derartige Studien soll es in Deutschland künftig geben, berichtete Beatrice Rammstedt von der deutschen Forschungseinrichtung GESIS im Eröffnungsreferat. In Kooperation mit dem deutschen "Bildungspanel" und dem "sozioökonomische Panel" soll zunächst der Kompetenzbegriff abgeglichen werden. 2014 wurden alle Personen im Haushalt einer Zielperson befragt. Im nächsten Schritt (2015) sollen die Kompetenzen der Zielpersonen und ihrer PartnerInnen erhoben werden, gefolgt von der Erhebung der Grundkompetenzen aller Haushaltsmitglieder (geplant für 2016). Für Österreich sind solche Vorhaben derzeit nicht geplant.

Wunsch nach Forschungsnetzwerk für Auseinandersetzung mit PIAAC-Daten
Eduard Stöger resümiert die Forschungskonferenz als sehr gelungen. "Eine wichtige Konsequenz aus dieser Veranstaltung wäre wohl eine Art Netzwerk einzurichten, damit die Auseinandersetzung mit den PIAAC-Daten in Österreich jetzt nicht beendet ist, sondern eigentlich erst beginnen kann", so Stöger. Er verweist auf Deutschland, wo ein Forschungsprojekt genehmigt wurde, das den Austausch und Netzwerkaktivitäten von ForscherInnen, PraktikerInnen und politischen Institutionen fördern soll.
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