Studie: Bildungswünsche und -bedarfe von Frauen der Zweiten Generation

30.07.2014, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Migrantinnen der Zweiten Generation brauchen Mentoring, offene, niederschwellige und integrative Angebote.
Foto: (C) iStockphoto.com/mrloz
Netzwerk learn forever veröffentlichte neue Studie
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Etwa fünf Prozent der erwachsenen Frauen in Österreich sind Migrantinnen der Zweiten Generation. Darüber hinaus zählen beinahe jedes sechste Mädchen und jede sechste weibliche Jugendliche bis vierzehn Jahren zu Migrantinnen der Zweiten Generation. Diese sind potentiell künftige Kundinnen von Weiterbildungseinrichtungen. Doris Kapeller und Anna Stiftinger vom Expertinnennetzwerk learn forever haben sich im Rahmen der Studie "Standpunkt.Bildung" dieser Zielgruppe gewidmet und deren Bildungswünsche und -bedarfe erhoben.


Mentoring, Professionalisierung und E-Learning als Ansatzpunkte
Um die Weiterbildungsbeteiligung von bildungsbenachteiligten Frauen der Zweiten Generation zu erhöhen, bedarf es besonderer Maßnahmen seitens der Weiterbildungsanbieter, so das Ergebnis der Studie. Bildungseinrichtungen sollten etwa Strategien entwickeln und umsetzen, um die Zielgruppe besser zu erreichen. Mit Hilfe von MentorInnen können sie Berufsausbildungen bzw. Umbruchsituationen besser begleiten und die Zielgruppe durch den Einsatz von Role Models unterstützen. Wenn Bildungsanbieter proaktiv MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund suchen und aufnehmen, zeigen sie Offenheit hinsichtlich Interkulturalität und Diversität und werden so von der Zielgruppe besser akzeptiert. 


Weiters bedarf es der Professionalisierung von MitarbeiterInnen in Bildungseinrichtungen: Neben der Aneignung von Wissen zu Diversität und Interkulturalität geht es dabei um die Sensibilisierung der MitarbeiterInnen auf die Lebenswelten der Frauen der Zweiten Generation. Und schließlich sollte der Wert von Mehrsprachigkeit und der Zugehörigkeit zu mehreren Kulturen positiv besetzt werden. Zu erreichen ist dies etwa über spezifische Weiterbildungsangebote für MitarbeiterInnen, so die Autorinnen der Studie.


Ein weiterer Vorschlag für Bildungseinrichtungen, um bildungsbenachteiligte Frauen der Zweiten Generation besser zu erreichen, ist, niederschwellige Blended-Learning- und E-Learning-Modelle auszubauen. Damit können die Lern- und Bildungsmöglichkeiten der Zielgruppe v.a. dort, wo es Mobilitätsprobleme gibt, erhöht werden.


Spezifische Angebote wenig zielführend
Hinsichtlich der Gestaltung und Inhalte von Aus- und Weiterbildung decken sich die Wünsche bildungsbenachteiligter Frauen der Zweiten Generation mit denen anderer vergleichbarer Gruppen aus der Mehrheitsbevölkerung, so ein Ergebnis der Studie. Spezifische Angebote für bildungsbenachteiligte Frauen der Zweiten Generation sind daher wenig zielführend. Bildungseinrichtungen sind vielmehr gefordert, ihre Bildungsangebote so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen von bildungsbenachteiligten Frauen insgesamt entsprechen. 


Viele Benachteiligte mit Eltern aus Türkei und Ex-Jugoslawien
In der Studie standen zwei große Herkunftsgruppen aus der Zweiten Generation im Mittelpunkt. Sie weisen im Vergleich mit anderen Gruppen einen sehr großen Anteil an Frauen mit nur Pflichtschule als höchstem Abschluss auf: Frauen, deren Eltern in der Türkei oder im vormaligen Jugoslawien (abgesehen vom Gebiet des heutigen Slowenien) geboren worden sind. Gleichzeitig richteten die Forscherinnen den Blick auf die Großstadt Wien und eine ländliche Region, nämlich das Pinzgau im Bundesland Salzburg. Dadurch konnten die Autorinnen unterschiedliche regionale Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf die Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten in der Auswertung berücksichtigen.


Forschungsdesign: Interviews mit Migrantinnen der Zweiten Generation
Wie gingen die Autorinnen bei dieser Studie vor? Nach einer Literaturrecherche und einer Auswertung sekundärstatistischer Daten folgten als zentraler Erhebungsschritt Interviews mit Frauen der Zweiten Generation. Die Akquise der Interviewpartnerinnen gestaltete sich aufwändiger als die Forscherinnen es erwartet hatten. In beiden Erhebungsregionen erfolgte sie über Bildungseinrichtungen, die vielfältige Strategien einsetzen und sämtliche Netzwerke nutzen mussten, um den Kontakt herzustellen. Zudem wurden vereinbarte Termine kurzfristig wieder abgesagt oder nicht eingehalten. 


Aus den Ergebnissen all dieser Erhebungsschritte leiteten die Forscherinnen schließlich Empfehlungen ab, die dazu beitragen sollen, die Teilhabe von Frauen der Zweiten Generation am Bildungssystem zu verbessern.


Eine ausführliche Darstellung der Studie ist in der Zeitschrift "Die Österreichische Volkshochschule", Nr. 252 im Juli 2014 erschienen.

 

Über standpunkt.bildung

Die Studie wurde im Rahmen des Netzwerks "learn forever" durchgeführt, das aus Mitteln des BMBF und des ESF gefördert wird. Verfasst wurde sie Doris Kapeller unter Mitarbeit von Alexandra Hofer und Edith Pöhacker (Peripherie - Institut für praxisorientierte Genderforschung) sowie von Anna Stiftinger unter Mitarbeit von Elisabeth Rieser (agenda.Chancengleichheit in Arbeitswelt und Informationsgesellschaft). Die "Handlungsoptionen für die Erwachsenenbildung" wurden von Bettina Sturm unter der Mitarbeit von Elisabeth Nagl-Török (abz* austria - kompetent für frauen und wirtschaft) und Sabine Aschauer-Smolik (Bildungszentrum Saalfelden) verfasst. Die Gesamtkorrdination lag beim abz*austria, Bettina Sturm.


Quelle: Text von Sabine Aschauer-Smolik, Doris Kapeller und Anna Stiftinger

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