Ein langer Weg: kleine Geschichte der Erwachsenenbildung in Österreich
Von A wie Agrikultursozietäten bis V wie Volksbibliotheken
1773 wurden die Jesuitenorden in Österreich aufgelöst; im Jahr darauf erließ Maria Theresia die "Allgemeine Schulordnung" und fixierte eine sechsjährige Schulpflicht. Aber nicht nur Kinder profitierten von der neuen Wichtigkeit der Bildung. Für Jugendliche und Erwachsene entstanden in der Folge eine Fülle von Weiterbildungsmöglichkeiten: Agrikultursozietäten, Sonntagsschulen, Lesekabinette und -gesellschaften, Volksbibliotheken u.v.m. Für die Steiermark beispielsweise war besonders das Jahr 1811 bedeutend, denn Erzherzog Johann gründete das "Joanneum" als Stätte für Forschung, Lehre und Weiterbildung.
Im 19. Jahrhundert entstanden die Volkshochschulen
Mit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts bekam das Thema Volksbildung politische Sprengkraft. Kaiser Franz-Josef befürchtete Revolutionen, so wie sie europaweit um das Jahr 1848 ausbrachen. Daher dauerte es in Österreich bis 1867, dass die Bildung von Vereinen erlaubt wurde. Vereinigungen zur körperlichen und/oder geistigen Erziehung schossen daraufhin wie Pilze aus dem Boden. Zum Ende des Jahrhunderts entstanden mit der Wiener Urania, dem Volksheim Ottakring und dem Volksheim Margareten die Vorläufer der heutigen Volkshochschulen.
Neustart der Erwachsenenbildung im 20. Jahrhundert
Der durch zwei Kriege überschattete Beginn des 20. Jahrhunderts brachte erhebliche Rückschritte in der österreichischen Bildungslandschaft mit sich. Aber schon 1950 wurde der "Verband Österreichischer Volkshochschulen" gegründet und bald darauf erkannte auch der Gesetzgeber die Notwendigkeit, Erwachsenenbildung zu fördern und zu reglementieren. Den wichtigsten Einschnitt markierte das Gesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens von 1973, denn dieses gab Ausschlag für die Gründung der KEBÖ.
Die Geburt der KEBÖ...
"Bereits in den 1960er Jahren gab es politisches Interesse an der Erwachsenenbildung. Das damalige Bildungsministerium bemühte sich um eine stärkere Integration der Erwachsenenbildung in das Bildungswesen und eine intensivere Kooperation der Bundesverbände. Allerdings gab es sehr unterschiedliche Positionen, Weltanschauungen und nicht zuletzt viele Vorurteile. Bis zur Gründung der KEBÖ hatte es daher noch einiger Abstimmungsprozesse bedurft. Letztlich hat aber die Aufbruchstimmung gesiegt", berichtet Angela Bergauer, bis vor wenigen Tagen KEBÖ-Vorsitzende, in ihrem historischen Rückblick bei der KEBÖ-Jubiläumstagung Anfang Oktober 2012. So schlossen sich im Mai 1972 zehn große Verbände zur "Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs" zusammen. Form des Zusammenschlusses war und ist bis heute eine freie Arbeitsgemeinschaft mit rotierendem Vorsitz. Eine Vereinsgründung wurde laut Bergauer immer wieder diskutiert, aber nur die freie AG ermögliche es, die Vielfalt der KEBÖ-Verbände voll anzuerkennen.
...und ihre Ziele bis heute
Als Ziele wurden 1972 Weiterbildung und darüber hinaus die Beratung des Bildungsministeriums formuliert. Letztere wurde in den 40 Bestandsjahren erweitert - von der Beratung zur Partnerschaft, welche sich um die Umsetzung bildungspolitischer Schwerpunkte bemüht. Zur besseren Absprache über diese Schwerpunkte wurde das sg. "Kooperative System der Österreichischen Erwachsenenbildung" eingerichtet, in dem KEBÖ, BMUKK und bifeb gemeinsame Initiativen wie die WBA hervorgebracht haben. Bei der erwähnten Tagung formulierte Vorsitzende Angela Bergauer aber auch ein weiteres Ziel: "Anliegen der KEBÖ war und ist es auch, der Erwachsenenbildung innerhalb des Bildungswesens mehr Ansehen zu verschaffen". Ein Blick auf die Teilnahmestatistiken zeige, dass dies statistisch auch erreicht worden sei, real jedoch noch nicht adäquat, so Bergauer.
Erwachsenenbildung seit dem EU-Beitritt
In der jüngeren Geschichte der heimischen Erwachsenenbildung ist vor allem Österreichs Beitritt zur EU im Jahr 1995 von Bedeutung. Damit verpflichtete sich Österreich auch zur Teilnahme an der Koordination der Bildungssysteme innerhalb der Union sowie zur Unterstützung von Bildungsaktivitäten, die die EU zum größten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt machen sollen.
KEBÖ als Akteurin zur Umsetzung von LLL:2020
Besonders das Lebenslange Lernen (LLL) ist dadurch längst zum Schlagwort in öffentlichen Bildungsdebatten avanciert. Seit Juli 2011 ist mit "LLL:2020" eine Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich in Kraft, die Lernen als ganzheitlichen Prozess auffasst. AkteurInnen in der österreichischen Bildungslandschaft sind dazu aufgefordert, sich den Lernanforderungen des 21. Jahrhunderts stetig anzupassen. Die KEBÖ zeigt in ihrer Stellungnahme zum LLL:2020-Positionspapier, dass sie sich der Herausforderungen bewusst ist und sich selbst als wichtige Akteurin in der Umsetzung von LLL:2020 versteht. Konkrete Pläne umfassen unter anderem Elternbildung, Basisbildung, das Nachholen von Abschlüssen, den Ausbau von alternativen Übergangssystemen ins Berufsleben für Jugendliche sowie Orientierungs- und Beratungsmaßnahmen, kooperative Gemeinschaftsbildung, und das Anerkennen von non-formal und informell erworbenen Kenntnissen und Kompetenzen.
- Bergauer Angela, Filla Wilhelm & Schmidbauer Herwig (Hrsg.), 2002: Kooperation & Konkurrenz, 30 Jahre Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs. Wien: Ring Österr. Bildungswerke. ISBN 3-9501532-3-3.
- Lenz Werner, 2005: Porträt Weiterbildung Österreich. Bielefeld: Bertelsmann. ISBN 978-3-7639-1913-0.
- Gründung der KEBÖ
- Ganglbauer: Geschichte der KEBÖ
- Strategie LLL:2020
Serie: 40 Jahre KEBÖ
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