Basisbildung ganzheitlich umsetzen

30.03.2020, Text: Lina Zierlinger, ABZ* AUSTRIA
ABZ*AUSTRIA bietet Basisbildungskurse für Frauen. Viele sind danach für weitere Bildungsangebote bereit. Wie das gelingt, erzählen die Basisbildungstrainerinnen Ingrid und Silvija.
ABZ*AUSTRIA setzt das Projekt "ABZ*Basisbildung wirkt!" um, in dem Frauen an einem mehrwöchigen Kurs teilnehmen können. Dieser bereitet sie auf anschließende Bildungsangebote vor.
Foto: CC0 Public Domain, Louis Bauer, Basisbildung wirkt!, https://www.pexels.com/de-de/foto/ausbildung-bildung-hand-lernen-249360/
15 Wochen haben Silvija und Ingrid ihre beiden Basisbildungsgruppen begleitet und unterstützt. Nun ist der Tag der Abschlusspräsentation für die Teilnehmerinnen gekommen. Umweltverschmutzung, Klima im Iran, Verkehrsmittel in den Niederlanden oder die Geschichte des Handys – die selbstgewählten Themen für die 10-minütigen Abschlusspräsentationen sind so vielfältig wie die Teilnehmerinnen. Auf die Frage, wer in einen weiterführenden Kurs möchte, heben alle freudig die Hand und unterschreiben auf der Anmeldeliste. Was passierte in den letzten Wochen? Wie schafften es die Trainerinnen diese Neugier und dieses Selbstbewusstsein bei den Teilnehmerinnen zu wecken?

 

Ein Gespräch mit den Basisbildungstrainerinnen Silvija und Ingrid gibt Aufschluss.

Was bedeutet Basisbildung für euch?

Silvija: Basisbildung heißt für mich, dass sich die Teilnehmerinnen Grundkompetenzen aneignen können, die ihnen den Alltag erleichtern. Dabei passen wir uns den Wünschen und Bedürfnissen der Teilnehmerinnen an. Das heißt, wir fragen zuerst, was sie mit ihrem Kursabschluss später machen wollen: Wollen sie zum Beispiel die Pflichtschulprüfung bestehen, bereiten sie sich auf einen Aufnahmetest vor oder möchten sie bestimmte Kompetenzen für ihren Alltag? Je nachdem bereiten wir die kommenden Wochen vor.

 

Ingrid: Die Ziele der Teilnehmerinnen sind uns wirklich ganz wichtig. Auf deren Basis versuchen wir dann immer eine gute Balance zu finden zwischen Alltagswissen, Berufswissen und Qualifikationswissen.
Die Zugänge zum Lernen sowie Vorerfahrungen sind sehr heterogen, weshalb es uns ein großes Anliegen ist, eine angenehme Lernatmosphäre zu schaffen, die das Erkennen der eigenen Fähigkeiten fördert und neugierig macht auf mehr.

Wie bereitet ihr anschließend die einzelnen Einheiten vor?

Silvija: Die Themen ergeben sich meistens beim Lesen von Texten oder beim Filmschauen. Wir diskutieren darüber und die Teilnehmerinnen können ihre Meinungen und Erfahrungen einbringen. Mir ist das ganz wichtig, dass alle Raum haben, um zu sprechen und Fragen zu stellen.

 

Ingrid: Ja, die Teilnehmerinnen gestalten den Unterricht aktiv mit. Gerade das Thema Ausbildung ist immer sehr gefragt. Ich erstelle am Anfang einen groben Kursplan auf Basis der gewünschten Themen, der sich dann immer weiterentwickelt. Dann überlege ich mir, wie ich die einzelnen Themen erarbeiten möchte, ob in Gruppen- oder Einzelarbeit, in Lese-, Schreib- oder Hörform, und wie ich sie inhaltlich, aber auch grammatikalisch aufbereiten kann. Eine gute Mischung ist wichtig, auch damit es nicht langweilig wird.

Welche Rahmenbedingungen empfindet ihr bei ABZ*AUSTRIA als besonders unterstützend für Basisbildungskurse/eure Arbeit?

Ingrid: Die Länge von 15 Wochen finde ich sehr gut. Es braucht einfach ein wenig Zeit, sich kennenzulernen, zusammenzuwachsen und die eigenen Lernmethoden zu finden. Auch ist die Gruppengröße von sechs Personen sehr sinnvoll, einerseits für das Gruppenklima und andererseits ist so eine gute Einzelbetreuung möglich. Die reinen Frauengruppen erleichtern das Lernen und bieten einen geschützten Raum, um Neues auszuprobieren. Das bekommen wir auch immer als Feedback von den Teilnehmerinnen. Und natürlich die Exkursionen. Da finden sehr viel informelles Lernen, sowie kulturelle Alltagsbeobachtung und -erfahrung statt. Dieses Mal waren wir zum Beispiel in der Hofburg, in Schönbrunn, in der Bibliothek und im Technischen Museum. Eine Teilnehmerin meinte, dass sie nun auch mit ihren Geschwistern zum Schloss gehen wird und ihnen weitergibt, was sie gelernt hat. Das ist schön, wenn der Transfer in den Alltag auf diese Weise funktioniert.

 

Silvija: Die Teilnehmerinnen machen in den 15 Wochen wirklich eine wahnsinnige Entwicklung. Das sehen wir auch immer bei den Abschlusspräsentationen. Sie suchen sich die Themen selber aus, machen die Recherche, das Handout und ein Plakat oder eine PowerPoint Präsentation. Am Ende sind sie immer so stolz auf sich, wenn der Applaus der ganzen Gruppe kommt. Auch finde ich die Möglichkeit der externen Beratung für Teilnehmerinnen und den individuellen Lerneinstieg bei ABZ*AUSTRIA sehr sinnvoll. Einmal pro Woche können die Frauen zu einem persönlichen Beratungsgespräch gehen, um private Angelegenheiten zu besprechen. Das entlastet uns als Trainerinnen sehr. Durch den individuellen Lerneinstieg können wir Interessen, Ziele und Kenntnisse schon vor dem ersten Kurstag festhalten. In einem ersten persönlichen Gespräch lernen wir die Teilnehmerinnen kennen und bauen Vertrauen auf. Diese Gespräche sind sehr hilfreich, um festzustellen, welcher Bedarf im Kurs gegeben ist und wohin es in den kommenden Wochen geht.

Welche Kompetenzen brauchen BasisbildungstrainerInnen und was gefällt euch an eurer Arbeit am meisten?

Ingrid: Ich denke soziale Kompetenzen sind genauso wichtig wie fachliche. Als Basisbildnerin sollte ich Interesse an meinen Teilnehmerinnen und ihren Lebenssituationen haben, ich sollte ihnen zuhören können und Einfühlungsvermögen haben, aber auch die Fähigkeiten zur Reflexion, Motivation und zur genauen Beobachtung. Nur dann kann ich wirklich die Bedürfnisse rausfinden und einen lernerinnenkonzentrierten, kreativen Unterricht vorbereiten.

 

Silvija: Die Kompetenzen von BasisbildungstrainerInnen sind wirklich umfangreich. Aber das Lernen hört auch für uns nie auf. (lacht) Was mir am besten an meiner Arbeit gefällt, sind die Momente, in denen die Teilnehmerinnen selber erkennen, was sie alles gelernt und geschafft haben. Ich erinnere mich an eine Frau, die beim Erstgespräch meinte, dass sie noch nie einen Computer eingeschaltet hätte. Am Ende des Kurses habe ich sie gefragt, ob sie sich noch an ihre Aussage erinnern könnte, woraufhin sie lachte und meinte: „Und jetzt kann ich schon einen Text aufschreiben." Solche Momente machen mich glücklich.

 

Ingrid: Ja, das ist sehr schön. Der Kurs gibt ihnen die Möglichkeit Seiten an sich zu entdecken, die sie vorher noch nicht gekannt haben.

 

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

 

Ingrid und Silvija arbeiten seit 2018 bei ABZ*AUSTRIA als Basisbildungstrainerinnen im Projekt „ABZ*Basisbildung wirkt!".

 
 
 
Creative Commons License Dieser Text ist unter CC BY 4.0 International lizenziert.

Verwandte Artikel