Was die Zuordnung von Qualifikationen zum NQR für Bildungsanbieter bringt
Um die Zuordnung voranzubringen, hat das Österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) im Herbst 2019 sechs NQR-Servicestellen ermächtigt. Die NQR-Servicestellen werden auf Initiative jener Bildungsanbieter tätig, die eine Zuordnung vornehmen möchten. Die Servicestellen sollen die Anbieter beim Zuordnungsersuchen unterstützen und bewerten, inwieweit die zuzuordnenden Qualifikationen mit dem NQR kompatibel und für den Qualifikationsrahmen angemessen sind.
Eine dieser Servicestellen ist beim Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) angesiedelt. Judith Proinger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im öibf und Mitarbeiterin in der öibf - NQR-Servicestelle von AK und ÖGB, erzählt im Interview, was eine Zuordnung für Bildungsanbieter bringt und wie das Verfahren abläuft.
Lucia Paar: Was bringt eine Zuordnung zum NQR für Bildungsanbieter und für Bildungsinteressierte?
Judith Proinger: Der NQR ist in erster Linie ein Transparenzinstrument. Qualifikationen, die dem NQR zugeordnet wurden, sind im NQR-Register veröffentlicht. Dieses ist öffentlich zugänglich unter www.qualifikationsregister.at und ermöglicht Bildungsinteressierten einen Vergleich der Lernergebnisse und weiterer Eckdaten aller zugeordneten Qualifikationen. Und zwar sowohl von formalen als auch - ab heuer - von nicht-formalen Qualifikationen aus dem Erwachsenenbildungs- und Weiterbildungsbereich. Hier kann der NQR auch strukturbildend wirken, indem die sehr diverse österreichische Weiterbildungslandschaft erstmals in einem definierten Rahmen nach vergleichbaren Kriterien abgebildet wird - zumindest jene Teile, die sich dort zuordnen wollen und lassen. Dadurch wird der nicht-formale Bereich insgesamt gegenüber dem formalen System an Anerkennung gewinnen wird können.
Was ändert sich dadurch konkret für Bildungsanbieter?
Nach erfolgter Zuordnung und Veröffentlichung im NQR-Register darf ein Qualifikationsanbieter das Niveau der Qualifikation auf seinen Qualifikationsnachweisen, also Zeugnissen oder Zertifikaten, führen. Gleichzeitig zeigt dies, dass die Qualifikation den Anforderungen der NQR-Zuordnung und damit auch einem gewissen state-of-the-art entspricht, was durchaus als Qualitätsnachweis gesehen werden kann.
Eine NQR-Zuordnung bedeutet darüber hinaus automatisch eine Zuordnung zu dem entsprechenden Niveau des EQR, des Europäischen Qualifikationsrahmens. Damit werden nationale Qualifikationen auch europaweit besser vergleichbar und unterstützen damit die Mobilität der QualifikationsinhaberInnen (Anm. der Redaktion: das sind jene Personen, die eine Qualifikation erworben haben) am europäischen Arbeitsmarkt.
Wann lohnt sich eine Zuordnung für Bildungsanbieter?
Ob sich die Zuordnung für eine Qualifikation lohnt, kann letztlich nur der Qualifikationsanbieter entscheiden. Es ist natürlich ein gewisser Aufwand damit verbunden, so wie auch Kosten. Nachdem einige Abschlüsse formaler beruflicher Erstausbildungen sowie Abschlüsse der hochschulischen Bildungsprogramme bereits zugeordnet sind und damit eine Niveaustufe ausweisen können, wird sich für AbsolventInnen zukünftig sicherlich vermehrt die Frage nach Höherqualifizierung ebenfalls mit entsprechend ausgewiesenem NQR-Niveau stellen. Und zwar auch außerhalb des akademischen Bereichs. Hier sehe ich eine große Chance für die Erwachsenen- und Weiterbildung, sichtbarer zu werden und sich in der Qualifikationslandschaft klarer zu verorten.
Hat die Zuordnung schon jemand gemacht? Welche Erfahrungen gibt es dazu?
Es wurden bisher bereits einige formale Qualifikationen zugeordnet, wie z.B. Lehrabschlüsse und die Abschlüsse berufsbildender mittlerer Schulen auf Niveau 4, berufsbildende höhere Schulen auf Niveau 5, Meisterqualifikation auf Niveau 6, etc. Über bereits zugeordnete Abschlüsse kann man sich im NQR-Register auf der Website www.qualifikationsregister.at informieren.
Im nicht-formalen Bereich werden die ersten Zuordnungen Mitte des Jahres 2020 erfolgen, Ersuchen auf Zuordnung einer Qualifikation von Weiterbildungsanbietern sind erst seit Anfang diesen Jahres möglich. Hier machen wir gerade die ersten Erfahrungen.
Das heißt, dass Erwachsenenbildungsanbieter die jetzt um eine Zuordnung ansuchen, Pionierarbeit leisten?
Sozusagen. Hier kommen dann auch die NQR-Servicestellen ins Spiel. Da die Weiterbildungslandschaft ja sehr divers ist und die Einrichtungen und Angebote sehr unterschiedlich, wurden für den nicht-formalen Bereich sogenannte NQR-Servicestellen eingerichtet. Diese unterstützen Bildungsanbieter bei der Ausarbeitung der für ein Zuordnungsersuchen erforderlichen Informationen und gewährleisten so bestmögliche Vergleichbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Qualität der Ersuchen und letztlich der dem NQR zugeordneten Qualifikationen aus dem nicht-formalen Bereich.
Im Gegensatz zum formalen Bereich haben wir im nicht-formalen Bereich natürlich (auch) Qualifikationen, die weniger bekannt sind und wo vielleicht nicht jede und jeder ein ungefähres Bild davon hat, welche Lernergebnisse damit verbunden sind, wie sie in die Qualifikationslandschaft eingebettet und wie sie organisatorisch aufgestellt sind. Da sind wir als NQR-Servicestelle gefordert, die erforderlichen Informationen in klarer und nachvollziehbarer Form darzustellen und natürlich auch zu überprüfen und schließlich bei der zuständigen Stelle, der Nationalen Koordinierungsstelle für den NQR (NKS), einzureichen. Die Zuordnung selbst erfolgt dann dort im Zuge eines geregelten Prozesses.
Wie lange dauert ein Zuordnungsverfahren?
Vom Start bis zur tatsächlichen Zuordnung mit der Veröffentlichung im NQR-Register ist jedenfalls mit mindestens einem dreiviertel Jahr zu rechnen. Dabei sind auch vorgegebene Fristen für Einreichungen zu beachten.
Wie läuft das Verfahren ab?
Im Grunde gibt es da zwei aufeinander folgende Phasen: Zunächst wird die Zusammenarbeit mit einer NQR-Servicestelle inklusive eines Zeitplans vereinbart, und dann das Zuordnungsersuchen durch den Bildungsanbieter mit Unterstützung der NQR-Servicestelle erarbeitet. Da kann es Rückmeldeschleifen und Überarbeitungen geben. Das abgestimmte Zuordnungsersuchen wird dann von der NQR-Servicestelle bei der Koordinierungsstelle für den NQR (NKS) eingereicht, dies kann aktuell zu drei Terminen im Jahr erfolgen.
Nach erfolgter Einreichung heißt es dann erst mal Warten für den Bildungsanbieter und die NQR-Servicestelle. Das Ersuchen durchläuft dann, zusammen mit allen zu diesem Termin eingereichten Ersuchen, die NQR-Gremien und wird - bei positiver Beurteilung - etwa 5 Monate nach Einreichung im NQR-Register veröffentlicht, was die Zuordnung offiziell macht.
Ein Zertifikat eines Bildungsangebots bestätigt erworbene Lernergebnisse, reicht das für die Zuordnung bzw. den Zuordnungsprozess?
Nein, so einfach ist es nicht, aber das ist eine der Voraussetzungen, also schon mal ein Start. Es gibt einige Anforderungen an Qualifikationen betreffend das Feststellungsverfahren und den Qualifikationsnachweis, damit sie NQR-zuordnungstauglich sind. Im NQR-Handbuch gibt es dazu eine Checkliste zur Feststellung der NQR-Zuordnungstauglichkeit. Wichtig ist, dass die Qualifikation lernergebnisorientiert beschrieben und entwickelt ist. Es müssen Lernergebnisse definiert sein und diese müssen durch ein Feststellungsverfahren verlässlich überprüft werden.
Dies muss einem bestimmten NQR-Niveau zuordenbar sein. Im Zuordnungsersuchen ist dazu eine nachvollziehbare Argumentation gefordert. Weiters ist es notwendig, dass das Feststellungsverfahren transparent und dokumentiert ist sowie Maßnahmen zur Sicherstellung einer qualitätsvollen Umsetzung implementiert sind. Die Feststellung der Lernergebnisse der TeilnehmerInnen bzw. AbsolventInnen ist zentral; Kurse, die nur mit einer Teilnahmebestätigung abschließen, sind nicht als Qualifikation im Sinne des NQR zu werten und daher nicht zuordnungstauglich.
Wie viel kostet die Zuordnung einer Qualifikation zum NQR und für wen?
Die Zuordnung zum NQR selbst ist kostenlos. Mit Kosten verbunden sind allerdings die Leistungen der NQR-Servicestellen. Diese werden je nach Leistungsumfang zwischen NQR-Servicestelle und Bildungsanbieter vereinbart.
Mag.a Judith Proinger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) und Mitarbeiterin in der öibf - NQR-Servicestelle von AK und ÖGB.
- NQR-Servicestellen Österreich
- NQR-Servicestelle von AK und ÖGB
- NQR. Castle in the Cyberspace oder Förderung der Erwachenenbildung?
Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 14, 2011
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