Brückenbauerinnen für die Erwachsenenbildung

10.09.2019, Text: Christine Bärnthaler, Erwachsenenbildnerin und Regionalentwicklerin, Redaktion: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
Interkulturelle Bildungskoordinatorinnen sind Vermittlerinnen zwischen MigrantInnen und Erwachsenenbildungsorganisationen.
Brücken bauen zwischen MigrantInnen und Erwachsenenbildungsorganisationen ist Aufgabe von Bildungskoordinatorinnen.
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Bildung erweitert den persönlichen und beruflichen Handlungsspielraum und ermöglicht dadurch mehr Selbständigkeit. Eine gute Qualifizierung ist der Schlüssel für soziale und wirtschaftliche Integration von MigrantInnen. Um die Beteiligung von MigrantInnen an Aus- und Weiterbildung zu erhöhen, gilt es, Barrieren wie Schwellenängste, falsche Nutzenerwartungen in persönlicher und beruflicher Hinsicht, geringe Bildungsaffinität im sozialen Umfeld oder einfach Informationsdefizite abzubauen.

Frauen aus migrantischen Communities eine Stimme geben

Um migrantische Gruppen zu erreichen, braucht es Schlüsselpersonen, denen es gelingt, eine Vertrauensbasis zu diesen aufzubauen. Im Projekt I-Connect wurden Frauen aus verschiedenen migrantischen Communities in Graz ausgebildet, um Ihnen eine Stimme zu geben. Sie verstehen sich als Ansprechpersonen für bildungsrelevante Fragestellungen in der jeweiligen Community. Ihre Aufgabe ist es, erste Informationen zu geben, ihr Wissen zur Verfügung zu stellen, Bildungsbedarfe zu erfragen. Sie koordinieren und organisieren interne Bildungsangebote. Bildungskoordinatorinnen verstehen sich als Drehscheibe für Bildungsthemen zwischen den Mitgliedern von selbstorganisierten migrantischen Vereinen und Erwachsenenbildungsorganisationen. Damit werden sie zu Brückenbauerinnen zwischen den Communities und der Erwachsenenbildung.

Ausbildung zur Bildungskoordinatorin im Zuge eines ESF Projektes

Zwölf Frauen, zwischen 24 und 51 Jahre alt, aus acht verschiedenen Ländern, davon 75% mit akademischer Ausbildung haben die umfassende Ausbildung zur Bildungskoordinatorin abgeschlossen. Teilnahmekriterien für die Ausbildung waren ihre Sprachkompetenz in Deutsch und der Herkunftssprache. Zudem war es wichtig, dass sie bildungsaffin sind. Der acht-monatige berufsbegleitende Ausbildungslehrgang wurde vom Verein nowa Graz durchgeführt. Die Entwicklung des Curriculums erfolgte in einer Projektpartnerschaft der Stadt Graz - Referat für Integration und Menschenrechte sowie der Forschungsinstitute IFA Steiermark und GEFAS Steiermark im Rahmen des ESF Projektes I-Connect - gefördert aus Mitteln des europäischen Sozialfonds und des Ministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur.

Bildungskoordinatorinnen leisten wichtige Dienste für die Wirtschaft

Ein arbeitsmarktpolitisches Ziel dieser Initiative ist es auch, dass sich die Koordinatorinnen durch ihre Arbeit ein Netzwerk aufbauen und eine Fixanstellung bekommen. Da einige Frauen inzwischen Jobs bekommen haben, ist die Gruppe der KoordinatorInnen auf derzeit sechs bis sieben Personen geschrumpft. Sie arbeiten nebenberuflich auf selbständiger Basis zum Beispiel für das Integrationsreferat der Stadt Graz. Sie unterstützen Kindergärten und Schulen bei Anmeldungen von Kindern mit migrantischer Herkunft. Die Bildungskoordinatorinnen leisten auch wesentliche Dienste in der Wirtschaft. So organisieren sie Informationsveranstaltungen für migrantische Lehrlinge von größeren Unternehmen wie der Andritz AG, stellen Eltern - im Auftrag des Landesschulrates - das österreichische Schulsystem vor oder evaluieren für die Wirtschaftskammer Bedürfnisse von migrantischen KleinstunternehmerInnen. Derzeit sprechen die Bildungskoordinatorinnen folgende Sprachen: Arabisch, Türkisch, Kurdisch, Bosnisch, Farsi/Dari, Kinyarwanda, Französisch, Englisch und Indonesisch.

Das Potenzial der MigrantInnen in unserer Gesellschaft nutzen

Ziel von Bildungskoordinatorin Tuba Ceran ist es, Kooperationen mit der Wirtschaft aufzubauen, da die Frauen auch hier wertvolle Leistungen übernehmen können. Tuba Ceran: "Wir wollen Wegweiserinnen und Vorbilder in der eigenen Community sein und verstehen uns auch als Kulturbotschafterinnen." Ceran zählt im Interview die Potenziale der interkulturellen Bildungskoordinatorinnen auf: "Wir erreichen schnell die Zielgruppen der MigrantInnen, da wir selber Teil der Community sind. Daher gelingt es uns meistens gut, zu motivieren, zu informieren, zu begleiten, zu unterstützen und Berührungsängste sowie Barrieren unter den MigrantInnen abzubauen. Migrantische Lehrlinge und qualifizierte MitarbeiterInnen sind ein großes Potenzial für die Wirtschaft, wir können unterstützen, dieses zu nutzen." Laut Ceran ist ein wesentliches Ziel für die Zukunft, dass die Arbeit der Koordinatorinnen auch entsprechend bezahlt wird und die Frauen davon leben können. Dazu soll eine Anlaufstelle geschaffen werden, bei der die Frauen angestellt sind. "Die Arbeit, die die Frauen leisten, sollte zu einem Selbstverständnis in der Mehrheitsgesellschaft werden - das ist sie jedoch noch lange nicht!"

 

Interviewpartnerin Tuba Ceran ist interkulturelle Bildungskoordinatorin und ausgebildete Sozialarbeiterin. Sie arbeitet seit Mai 2019 ehrenamtlich als Koordinatorin der Bildungskoordinatorinnen für die Stadt Graz. Davor war sie bei NOWA angestellt. Tuba Ceran ist türkischer Herkunft und bereits als Kind nach Österreich gekommen.

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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