Mehrsprachige Bildungsinformationen anbieten: ein Vorhaben mit Tücken

09.09.2019, Text: Bianca Friesenbichler, Redaktion/CONEDU
Bildungsinformationen für Zugewanderte in ihrer Erstsprache anzubieten, kann helfen, sie besser zu erreichen. Bei der Sprachauswahl gibt es aber einiges zu beachten.
Die Redaktion von erwachsenenbildung.at hat sich mit der Entwicklung einer mehrsprachigen Bildungsinformation auseinandergesetzt.
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Die großen Migrations- und Fluchtbewegungen der letzten Jahre stellen die Erwachsenenbildung vor die Herausforderung, wie sie zur Integration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft beitragen kann. Sprachlern-Angebote sind eine vielgehörte Antwort auf diese Frage, aber bestimmt nicht die einzige. Ist dieser Beitrag nicht vielmehr (auch) andersherum zu denken: Können Zugewanderte nicht rascher und leichter auf Bildungsthemen aufmerksam werden, wenn sie in ihrer Erstsprache angesprochen werden? Sind sie dann nicht motivierter, sich mit Aus- und Weiterbildung, der Nostrifikation ihrer bereits erworbenen Qualifikationen und dem Zugang zum Arbeitsmarkt auseinanderzusetzen und erhalten sie so nicht wichtige Grundinformationen, die sie sonst nicht erreichen würden?

 

Die Redaktion von erwachsenenbildung.at hat sich mit der Entwicklung einer mehrsprachigen Bildungsinformation auseinandergesetzt. Dabei hat sie die Stimmen von ExpertInnen ebenso einbezogen wie empirische Daten über relevante Zielgruppen, soweit diese vorliegen. Derzeit prüft das Projektteam, wie die im Rahmen eines ESF-Projekts erarbeiteten Vorschläge umgesetzt werden können.

Die Vielfalt der Erstsprachen macht eine gut durchdachte Auswahl nötig

In welchen Sprachen sollten die mehrsprachigen Bildungsinformationen verfügbar sein? Ein Blick auf die Daten der Migrations- und Integrationsstatistik zeigt schon, dass allein in einem kleinen Land wie Österreich Menschen aus so vielen Herkunftsländern mit unterschiedlichen Herkunftssprachen leben, dass selbst bei umfassenden Ressourcen eine Auswahl an Sprachen nötig ist. Wie aber können einzelne Sprachen ausgewählt werden, zumal die Entscheidung für eine Sprache ja immer eine politische ist und damit automatisch die Absicht unterstellt werden kann, nur eine bestimmte Gruppe gezielt unterstützen zu wollen?

 

Folgende Möglichkeiten könnten für die Auswahl der Sprachen in Frage kommen -aber allesamt mit zumindest einer Unzulänglichkeit:

Angebot nur in den bedeutendsten Fremd- und Zweitsprachen

Eine Möglichkeit ist, nur Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch als die bedeutendsten "Weltsprachen", aber auch Fremd- und Zweitsprachen auszuwählen. Damit lassen sich vermutlich viele höher Gebildete erreichen, jedoch werden gering gebildete Zugewanderte aus den Fluchtbewegungen der letzten Jahre vermutlich tendenziell nicht erreicht. Gerade geringer Qualifizierte benötigen aber zusätzliche Unterstützung, um eine Fremdsprache zu lernen bzw. um sich in die Gesellschaft und auch in den Arbeitsmarkt gut integrieren zu können.

Angebote für große vermeintliche SprecherInnen-Gruppen

Eine weitere Möglichkeit wäre, Informationsangebote für die Sprachen-Angehörigen großer Gruppen, die im Zielland leben, zu schaffen. Statistiken wie etwa die Migrations- und Integrationsstatistik in Österreich oder der Mikrozensus zeigen, wie viele in Österreich lebende Menschen aus welchem Herkunftsland kommen. Für alle Gruppen ab einer bestimmten Anzahl könnten Informationsangebote in der Sprache ihres Herkunftslandes geschaffen werden. Problem dabei ist aber, dass sich aus den Statistiken nicht ablesen lässt, welche tatsächlich die Erstsprache ist (z.B. gibt es in einem kleinen Land wie Ghana über 40 Amtssprachen). Auch, wie gut diese Menschen bereits Deutsch sprechen bzw. lesen und verstehen können, geht aus den verfügbaren Daten nicht hervor.

Angebote für spezifische, ausgewählte Gruppen

Darüber hinaus können bestimmte Gruppen durch die Auswahl der Sprache (bzw. auch der Inhalte) gezielt gefördert werden. Beispielsweise würde ein Angebot in Dari/Farsi die nach Österreich zugewanderten Menschen aus Afghanistan, von denen viele schlecht ausgebildet sind und kaum Fremdsprachen sprechen, gut unterstützen. Inhaltlich müsste dieses Angebot dann jene Themen beinhalten, die für diese Zielgruppe aktuell relevant sind. Einen Haken gibt es aber auch bei dieser Variante: Erstens besteht die Gefahr, dass aufgrund einer engen Zielgruppendefinition bei diesem Ansatz die Menschen weiter schubladisiert bis hin zu diskriminiert werden. Zweitens läuft ein solches Angebot Gefahr, rasch veraltet zu sein und drittens ist unklar, inwieweit Dari überhaupt eine Schriftsprache ist, die von der Zielgruppe auch tatsächlich gelesen bzw. verstanden werden kann und nicht nur mündliche Sprache mit starker dialektaler bzw. regionaler Prägung ist.

Es anderen gleichtun

Darüber hinaus gibt es noch eine vierte Variante: Einmal sehen, wie das andere lösen! Beispielsweise bietet der Österreichische Integrationsfonds Services in unterschiedlichen Sprachen an: Das Portal zur Berufsanerkennung steht in Türkisch, Arabisch, Persisch, BKS und Englisch zur Verfügung, "Mein Sprachenportal" zusätzlich noch in Französisch, Polnisch, Ungarisch und Rumänisch, allerdings nicht in BKS. Beide Portale sind gut eingeführt und werden genutzt; hinter der Sprachenauswahl stecken sicher zahlreiche Überlegungen und Diskussionen. Könnte man diese Sprachenauswahl also einfach übernehmen?

Arabisch ist nicht gleich Arabisch!

Ist die Entscheidung nun für eine Sprache, die möglichst viele neu nach Österreich Zugewanderte erreichen soll, gefallen - etwa für Arabisch - tut sich bereits die nächste Frage auf: Wo finden sich geeignete ÜbersetzerInnen und wer könnte etwa ein Erklärvideo auf Arabisch einsprechen? Denn die im Zuge der Konzeptentwicklung befragten ExpertInnen waren sich einig: Ein aus einem arabischen Land stammender Sprecher könnte von UserInnen bzw. HörerInnen aus anderen arabischen Ländern möglicherweise nicht ernst genommen werden oder sogar auf Missachtung stoßen. Es braucht ein neutrales Arabisch, so die ExpertInnen. Ob dieses aber beispielsweise das ägyptische Hocharabisch sein kann, oder nicht, darüber waren sie sich uneinig.

Weitere Informationen:
Quelle: EPALE E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

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