„Den Begriff Alphabetisierung würden wir gar nicht mehr brauchen"
Alphabetisierung fokussiert Defizite, Basisbildung stärkt Handlungsfähigkeit
Für viele Menschen geht mit Basisbildung auch der Begriff „Analphabetismus" einher. Dieser zeichne aber ein sehr defizitäres Bild der Teilnehmenden von Basisbildungsprogrammen, betont Muckenhuber. Viele Menschen fühlen sich durch diesen Begriff stark stigmatisiert. Vor allem der Begriff des funktionalen Analphabetismus vermittle, dass jemand nicht über ausreichende Kompetenzen verfüge, um in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt funktionieren zu können.
Auf die Frage aus dem Plenum, ob es einen besseren Begriff als Alphabetisierung gäbe, der nicht diskriminierend sei, betonte Muckenhuber die universelle Verwendbarkeit des Begriffs „Basisbildung". Alphabetisierung gäbe nur eine von außen gedachte Beschränkung vor und richte sich auf Defizite. Der Begriff „Basisbildung" hingegen decke alles ab und fokussiere die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Teilnehmenden.
Dennoch existiert in Österreich aktuell keine allgemeingültige Definition von Basisbildung. Sonja Muckenhuber sieht dies aber auch als Glück, denn eine allgemeine Definition sei ihrer Meinung nach zu einschränkend, da in der Basisbildung viele Unterbereiche mit unterschiedlichen Spezialisierungen existieren.
„Bildung braucht Selbstwert"
Innerhalb von Basisbildungsangeboten, so Muckenhuber, soll ein Rahmen geboten werden, in dem Teilnehmende all jene Kompetenzen erwerben können, die sie sich innerhalb des Regelbildungsangebots der Erwachsenenbildung sonst nicht erwerben können. Weiters müsse Basisbildung aber schon die Möglichkeit bieten, Menschen, die ein weiterführendes Bildungsangebot nutzen möchten, darauf vorzubereiten.
Muckenhuber betonte hier, dass es in der Basisbildung nicht darum gehe, für jemanden oder zum Wohl von anderen zu funktionieren, sondern es gehe um Selbstermächtigung, das zu tun, was man gerne tun möchte: „Bildung muss auch einen Selbstwert haben, nicht nur, aber auch in der Basisbildung".
Recht auf Mitgestaltung der Gesellschaft
Dass die Handlungsfähigkeit im Mittelpunkt jedes Bildungsangebotes stehen sollte, sieht Muckenhuber als Grundvoraussetzung für erfolgreiches Lernen sowie aktives Mitgestalten innerhalb der Gesellschaft. „Bildung sollte immer Handlungsspielräume erweitern, aufmachen. Jede und jeder soll sich als gestaltendes Mitglied der Gesellschaft erfahren". Dieser Gedanke sollte jedem Bildungsangebot innewohnen, führte sie weiter aus.
Wenn es uns allen gelänge, Basisbildungsbedarf nicht als Defizit, sondern als Lernwünsche und -erwartungen geknüpft an vorhandenen (Lern-)Ressourcen zu sehen, „wenn uns das tatsächlich konsequent gelingt, dann sind wir glaub ich wirklich einen Schritt weiter", so Muckenhubers Fazit.
Serie: Basisbildung und Öffentlichkeit
Am Rande der Gesellschaft stehend: so werden Menschen dargestellt von denen wir meinen, dass sie Basisbildung brauchen. Wenn wir über Basisbildungsbedarf diskutieren, stehen uns diese Stigmatisierung und die damit einhergehenden negativen Zuschreibungen oft im Weg. Mit dem Themenschwerpunkt „Basisbildung und Öffentlichkeit" auf erwachsenenbildung.at will die Abteilung Erwachsenenbildung im Bundesministerium für Bildung im Herbst 2017 den Anstoß zur Auseinandersetzung mit diesem Thema geben. In einer Serie von Beiträgen kommen ExpertInnen in Interviews, wEBtalks und Artikeln zu Wort. Alle bisher zur Serie #baböff erschienenen Beiträge sowie Ressourcen zum Thema finden Sie hier.
Die Serie ist Teil eines Projekts des BMB mit Förderung aus Mitteln der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA).
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