Strukturen bauen und Entwicklungen ermöglichen

25.08.2014, Text: Christian Ocenasek, bifeb
Bifeb-Direktorin Margarete Wallmann erzählt im Abschiedsinterview, warum ihr auch im Ruhestand die Langeweile fremd sein wird.
Direktorin Margarete Wallmann verlässt das bifeb
foto: (c) bifeb/helmuth ellmauer

Nach einem bewegten Berufsleben als Erwachsenenbildnerin tritt die Leiterin des Bundesinstituts für Erwachsenenbildung, Margarete Wallmann, mit 1.September in den Ruhestand. im Interview mit Anna Head (AH) und Christian Ocenasek (CO) berichtet sie von Aufbruchsstimmung, wichtigen Engagements und anstehenden Aufgaben der Erwachsenenbildung.


CO: Abschied hat ja immer zwei Seiten: Was sagt dein lachendes, was sagt dein weinendes Auge?
Mein lachendes Auge sagt, dass ich das große Glück hatte, in einer ganz wichtigen Aufbruchphase der Erwachsenenbildung tätig gewesen zu sein. Ich habe in den 70er Jahren studiert. In dieser Zeit hat sich wahnsinnig viel im Bereich Pädagogik, Psychologie, Soziologie getan. Wir Studenten haben von einer besseren Gesellschaft geträumt und die Unis in Institutsgruppen herausgefordert, für das wirkliche Leben zu forschen. Das hat mich von meinem ursprünglichen Plan, Lehrerin zu werden abgehalten und ich habe das Doktoratsstudium Pädagogik begonnen und den Schwerpunkt Erwachsenenbildung gewählt. Bewegt vom Gedanken der kompensatorischen Erziehung und Bildung engagierte ich mich in ersten Projekten der Gemeinwesen- und Stadteilarbeit in Wien.

 

  Ich bin bereits während meines Studiums mit der VHS für politische Bildung im Burgenland in Kontakt gekommen und absolvierte eine Ausbildung für Kursleiterinnen von Frauenkursen. "Selbstbewusstsein kann man lernen" war mein Einstieg in die Erwachsenenbildung. Nun bin ich zufrieden mit dem, was ich auf den Weg bringen konnte und auch sehr dankbar.

  Vermissen werde ich die vielen Gespräche mit meinen KollegInnen am bifeb und in der Erwachsenenbildung, die herrliche Landschaft und das bifeb überhaupt, aber ich bin ja nicht aus der Welt. Viele Kontakte werden bleiben.

AH: Was bedeutet Bildung für dich?
Für mich ist Bildung, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und sich mit seiner Umgebung, mit der Welt in Beziehung zu setzen. Dazu ist sehr viel an Reflexion und Wissen notwendig. Ich denke, es ist ein lebenslanger Prozess, hinter die Dinge schauen zu können und Zusammenhänge zu erkennen, das Andere, den Anderen zu verstehen. Bildung hat für mich einen großen Einfluss auf die  persönliche Entwicklung jedes Einzelnen und auf die Gesellschaft.

AH: Wenn du dein Engagement in den Anfängen deiner Karriere mit den letzten Jahren vergleichst - was hat sich verändert? Welche Entwicklung hast du durchgemacht?
Am Anfang war ich mehr an der Basis mit Menschen vor Ort als Kurs- und Projektleiterin tätig, daraus ist nach und nach eine stärkere strategische Ausrichtung meiner Aufgaben geworden. Mit der Anstellung bei der Förderungsstelle des Bundes im Burgenland ist sehr bald diese koordinierende Funktion dazugekommen und ich habe versucht, Strukturen aufzubauen und war immer mehr als Ermöglicherin tätig, das war vielleicht der große Sprung in meiner beruflichen Laufbahn.

CO: Lass uns da auf deine letzten 8 Jahre am bifeb schauen, was hast du da ermöglicht, welche Strukturen hast du aufgebaut? Wie schätzt du die Wirkungen deiner bifeb-Ära ein?
Ich bin mit einer sehr positiven Einstellung nach Strobl gekommen. Das bifeb war für mich schon davor die berufliche Heimat, es zu leiten war für mich die Krönung meines beruflichen Lebens. So habe ich das wirklich immer gesehen und von da habe ich auch die Energie gewonnen achteinhalb Jahre lang zwischen Kittsee und Strobl zu pendeln, den Spagat zwischen meiner Familie und dem Beruf zu machen.


  Ich hatte immer von Zuschreibungen ans bifeb gehört, wie, das bifeb befinde sich im Dornröschenschlaf oder "denen am Wolfgangsee geht es gut" und "die müssen nicht" und so weiter. Ich kannte aber die Kollegen und Kolleginnen hier und wusste, dass das anders ist. Darum war mir ganz wichtig, sichtbar zu machen, was hier an innovativem Potenzial und Engagement vorhanden ist.


  Daher war das Erste, eine gute Öffentlichkeitsarbeit aufzubauen und den verschiedenen Öffentlichkeiten zu zeigen, was da geleistet wird. Die Rückmeldung aus den  KEBÖ-Verbänden und von anderen KooperationspartnerInnen und TeilnehmerInnen bestätigen mir, dass das gelungen ist. Es ist in diesen Jahren gelungen die Erwachsenenbildung noch stärker am bifeb zu verorten und eine kooperative Atmosphäre zu schaffen, den Blick für das Gemeinsame zu schärfen, und tragfähige Strukturen für die Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung aufzubauen.

AH: Unter dem Stichwort Professionalisierung? 
Ja - so würde ich das übertiteln. Professionalisierung und Qualitätsentwicklung waren in den letzten Jahren die großen Themen in der Erwachsenenbildung. Es war eine sehr große Herausforderung für mich, die Vielfalt an Interessen zu bündeln und ein gemeinsames Projekt auf den Weg zu bringen, nämlich die Weiterbildungsakademie. Das ist sicher eine der wichtigsten Projekte der letzten zehn Jahre. Aber das bifeb war auch bei anderen Projekten aktiv mit dabei, bei der Entwicklung von Ö-Cert, bei der Initiative Erwachsenenbildung, beim Magazin erwachsenenbildung.at, bei der Entwicklung von Universitätslehrgängen. Das sind für mich ganz wesentliche Entwicklungsprojekte und es ist schön, dabei gewesen zu sein und auch ein Stück weit mitgestaltet zu haben.

CO: Gibt es etwas, was du im Rückblick anders machen würdest?
Grundsätzlich anders würde ich nichts machen. Mir war es immer wichtig, das zu tun, von dem ich überzeugt bin und das zu mir passt. Vielleicht können da Andere mehr dazu sagen.

CO: Management heißt auch Entscheidungen treffen zu müssen.
Ja, Angst vor Entscheidungen habe ich nicht. Natürlich bin auch eine Zweifelnde im Sinne von Reflexion und kritischem Betrachten und da war für mich immer auch der Dialog mit meinen Kolleginnen und Kollegen ganz wichtig. Die Transparenz von Entscheidungen und dass man als Leiterin nur so gut sein kann wie das Team waren dabei wichtige Grundannahmen.

AH: Was war deine schwierigste Aufgabe als Leiterin des bifeb?
Der Wirtschaftsbetrieb und der pädagogische Betrieb am bifeb sind zwei eigene Universen, die jedes für sich und nach je eigenen Dynamiken gut funktionieren. Das war schon eine große Herausforderung und da bin ich sehr bescheiden was meine Wirkung anbelangt, das bifeb als Gesamtunternehmen zu sehen und nach außen zu vertreten. Durch viele gemeinsame Workshops und Klausuren ist es aber gelungen, mehr gegenseitige Wertschätzung und mehr wechselseitiges Verständnis zu erreichen. Wir können mit den Unterschieden jetzt besser umgehen.  


  Ein Anliegen war es auch, die kreativen Kräfte am bifeb für ein gemeinsames Ganzes zu bündeln und so das Profil des bifeb ein Stück weit zu schärfen. Weg von der Schrebergartenmentalität hin zum bifeb als Plattform für den fachlichen Diskurs, hin zum österreichischen Kompetenzzentrum für Erwachsenenbildung und zu einem kundenorientierten Seminarzentrum. Hier ist uns gemeinsam sehr viel gelungen und das sehe ich auch als großen Erfolg.


  Als am bifeb ausgebildete Supervisorin habe ich gelernt,  über den Tellerrand zu blicken, und auf das Ganze zu schauen. Das hat mir auch als Leiterin des bifeb sehr geholfen.

AH: Wenn wir den Blick über das bifeb hinaus weiten. Was glaubst du, sind die größten Herausforderungen für die Erwachsenenbildung? Welche Aufgaben stehen an?
Erwachsenenbildung ist sowohl Ergänzung als auch ein Regulativ zur formalen Bildung. Sie ist in der Lage flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren. Ihre Stärke ist die Vielfalt und die relative Freiheit von gesetzlichen Regelungen. Ihre Zukunft sehe ich vor allem in der Kooperation und Vernetzung untereinander und mit anderen Bereichen des Bildungswesens bei gleichzeitiger Schärfung des eigenen Profils. 


  Das allgemeine Bildungsniveau zu heben ist nicht nur eine Aufgabe der Erwachsenenbildung, zum Beispiel sollte das kostenlose Nachholen des Pflichtschulabschlusses ein allgemeines politisches Anliegen sein. Herausforderungen  für die  Erwachsenenbildung sind sowohl das Älterwerden unserer Gesellschaft als auch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher kultureller, religiöser und regionaler Herkunft. Da ist vor allem die Erwachsenenbildung gefordert, gemeinwesenorientierte Konzepte zu entwickeln. Darin sehe ich als Stärke der Erwachsenenbildung. Sie ist in den Bundesländern und Regionen präsent. Da gibt es sehr viele konkrete Wege, Menschen zusammenzubringen, Vorurteile abzubauen, sich gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen.


  Die Erwachsenenbildung selbst kann bei der Anstellung von MitarbeiterInnen darauf schauen, dass Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden, wie MigrantInnen und Ältere. Wenn ich da an die Emanzipation von Frauen und meine Anfänge in Frauenkursen denke, habe ich den Eindruck, als gäbe es da einen Rückschritt.


  Ich denke auch an die vielen Diskussionen um die Aushöhlung des regionalen Raumes – welche Rolle spielen Ortschaften jenseits des Tourismus? Welche Rolle hat ein Gemeinwesen und wie kann es sich weiterentwickeln?


  In all diesen Fragen hat die Erwachsenenbildung nach wie vor eine große politisch bildende Aufgabe. Sie sind auch immer wieder Thema am bifeb.

CO: Das fordert mich heraus, einen aus meiner Sicht großen Trugschluss anzusprechen, wenn von "Bildung als gesellschaftlicher Problemlöser" gesprochen wird. Was ist da deine Position dazu?
Bildung kann nicht etwas leisten, was Politik verwehrt. Bildung kann aber einen wichtigen Beitrag für eine demokratische Gesellschaft leisten, damit kommt der Erwachsenenbildung eine immens politische Funktion zu. Aber das Setzen auf nur verwertbare Bildung, auch das Versprechen, dass man einen Arbeitsplatz bekommt, wenn man genug Kurse besucht hat, ist zu wenig. Noch so viele AMS-Kurse können nicht gesellschaftliche Benachteiligung kompensieren. Ich bin sicher, dass es genug gesellschaftlich notwendige Arbeit gibt, die nicht entsprechend wertgeschätzt und entlohnt wird, z.B. im Sozialbereich wie in der Betreuung und Pflege von Älteren, von unseren Kindern, bzw. Enkelkindern, da gäbe es ja Arbeitsplätze, für die man bestausgebildete Personen braucht.

CO: Abschließend, jetzt gehst du ja mal in dein Sabbatical als Übergangsphase in den Ruhestand. Was hast du für Absichten? Viele bereiten sich ja auf den Ruhestand vor, indem sie Dinge planen, zu denen sie während des Arbeitslebens nicht gekommen sind. Was hast du dir vorgenommen?
Meine bisherige Erfahrung lehrt mich, eher vorsichtig zu sein und nicht zu viele Pläne zu schmieden. Aber ich wünsche mir einfach mehr Zeit für meine Familie, für meine Freunde und Freundinnen, für mich. Ich freue mich auch auf mein Zuhause, auf meinen Garten, den ich intensiver bearbeiten möchte. Also das sind der neuen Lebensphase entsprechende Betätigungen. Und ja, ich bin ausgebildete Supervisorin - vielleicht mache ich in dem Bereich etwas, das war immer ein alter Traum von mir. Aber ich lasse es auf mich zukommen. Meine Lebenserfahrung ist, dass ich immer meiner Phase und meiner Befindlichkeit und meinem Lebensalter entsprechende befriedigende Tätigkeiten gefunden habe. Ich kenne keine Langeweile und das wird sicher in Zukunft auch so sein. Da bin ich mir sicher.

Vielen Dank für das Gespräch.

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