Fachkräfte wachsen nicht auf Bäumen

31.10.2024, Text: Gerald Strobel, BFI, Redaktion: Astrid Schratter, BFI
In manchen Branchen ist es schwer geworden, die passend qualifizierten Kräfte zu finden. Viele Unternehmen beklagen den Fachkräftemangel. Es stimmt, Fachkräfte wachsen nicht auf Bäumen, aber die gute Nachricht ist, man kann sie ausbilden.
Gerald Strobel
Gerald Strobel, Geschäftsführer des BFI Österreich.
Foto: CC BY NC, BFI Österreich, auf erwachsenenbildung.at

Vorweg der Versuch einer Antwort auf die Frage: Wie kommt es zum erhöhten Bedarf an Fachkräften? Erstens: Weil viele Erfahrene, viele gut Ausgebildete in Pension gehen und sich die Alterszusammensetzung in den Betrieben wie in der Gesellschaft zugunsten der Älteren verschiebt. Zweitens: Viele berufliche Qualifikationen bedürfen der Weiterentwicklung bzw. Neuausrichtung, um für die sogenannte „Twin Transition“ (Digitalisierung und grüner Wandel) gerüstet zu sein. Drittens: Viele Betriebe ziehen sich aus der betrieblichen Aus- und Weiterbildung zurück. So sank beispielsweise die Zahl der Ausbildungsbetriebe in den letzten 15 Jahren um mehr als ein Viertel. So herausfordernd und komplex die Lage auch ist, es gibt gangbare Wege, um die Fachkräfte von morgen zu qualifizieren. Das BFI Österreich zeigt anhand von fünf Best-Practice-Beispielen, wie es gehen kann.

Beispiel Eins: Coders.Bay

Dabei handelt es sich um einen niederschwelligen Zugang zum Aufbau von Fachkräften in der IT-Branche. Für die Teilnahme braucht es außer analytischem Denken und Motivation keine speziellen Vorkenntnisse. Unterrichtet werden Fächer wie Softwareentwicklung, Netzwerktechnik, Systemadministration, Data Engineering, KI- und Applikationsentwicklung in kompakten, bootcampartigen Lehrgängen. Wer die Ausbildung absolviert, ist „digitalisierungsfit“ und am Arbeitsmarkt gefragt. Weil die Coders.Bay des BFI Oberösterreich in der ehemaligen Linzer Tabakfabrik so erfolgreich ist, gibt es mittlerweile auch eine Coders.Bay im Wiener Gasometer. 

Beispiel Zwei: Smart Education Center

Diese wurden - als erste ihrer Art in Österreich - in den Technik-Ausbildungszentren des BFI Steiermark in Leoben und Graz geschaffen. An dieser Innovation ist die SMC Austria GmbH, eines der weltweit führenden Unternehmen in der industriellen Automatisierung, als Kooperationspartnerin beteiligt. In einer vollautomatisierten Produktionsstraße lassen sich im Smart Education Center sämtliche Produktionsprozesse in einem Betrieb simulieren und hochwertige, praxisorientierte Aus- und Weiterbildungen in der Automatisierungstechnik durchführen. Fachkräfte und Lehrlinge können so auf unterschiedlichen Anforderungsstufen ein ganzheitliches Verständnis für Fertigungsprozesse und Produktionsanlagen der Industrie 4.0 erlangen. 

Beispiel Drei: Qualitative 24-Stunden-Betreuung

In der Pflege und Heimbetreuung wird in ganz Österreich händeringend nach Personal gesucht. Das BFI Burgenland mildert seit dem Jahr 2024 mit dem Projekt „Qualitative 24 Stunden Betreuung“ den Mangel und hebt gleichzeitig die Qualität der Betreuung. Da sich der Bedarf keinesfalls mit heimischem Personal decken lässt, geht man gemeinsam mit der Gewerkschaft vida neue Wege. In Kroatien und Serbien werden insgesamt 54 Personen nach allen Regeln der Kunst ausgebildet und über die Plattform betreuerinnen.at an burgenländische Familien vermittelt. Danach können sie eine Höherqualifizierung zur Heimhilfe absolvieren und beim Land angestellt werden. 

Beispiel Vier: Klimaschutz-Ausbildungszentrum 

Das BFI Niederösterreich eröffnete im Dezember 2023 im Waldviertel das erste Klimaschutz-Ausbildungszentrum in Europa. Zukünftig werden jährlich bis zu 400 Personen im Bereich Technik und Energiewende qualifiziert. Angeboten werden elf Lehrberufe in den Bereichen Elektro-, Kälteanlagen-, Metall-, Installations-, Gebäude- und Heizungstechnik. Dazu kommen Weiterbildungsmöglichkeiten für 22 Fachbereiche, etwa erneuerbare Energie und Automatisierungstechnik. Die in Sigmundsherberg Ausgebildeten werden durch ihre Arbeit einen substantiellen Beitrag zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit leisten.

Beispiel Fünf: Öko-Booster

Das Projekt Öko-Booster des BFI Wien gemeinsam mit Jugend am Werk erhielt 2024 den Staatspreis für Erwachsenenbildung. Die Initiative bildet junge Arbeitssuchende, insbesondere Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, zu „Green Skills Fachkräften“ mit Lehrabschluss in Elektrotechnik bzw. in Installations- und Gebäudetechnik aus. Schließlich müssen Fotovoltaikanlagen installiert, Wärmepumpen angeschlossen und Häuser gedämmt werden. Die Auszubildenden werden beim Spracherwerb unterstützt und sozialpädagogisch begleitet. Das Vorzeigeprojekt schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Es ermöglicht verbesserten Klimaschutz und erleichtert gelingende Integration. 

Die fünf BFI-Beispiele veranschaulichen, dass es möglich ist, dem Fachkräftemangel durch Innovation und Kooperation entgegenzuwirken und gleichzeitig den Herausforderungen unserer Zeit die Stirn zu bieten. Damit beim BFI und anderen Bildungseinrichtungen weiterhin die Fachkräfte von morgen wachsen, braucht es verstärkt Investitionen in die Erwachsenenbildung, in die aktive Arbeitsmarktpolitik und die betriebliche Aus- und Weiterbildung. 

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